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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

31. 8. 2010 - 12:34

Down the drain

"LIMBO" ist morbide und wunderschön. Traditionelles Game Design trifft auf eine künstlerisch wertvolle Präsentation.

Vor knapp zwei Jahren habe ich mich an dieser Stelle beschwert darüber, dass viele neue Videospiele sich dem Trend beugen würden, immer einfacher und damit belangloser zu werden: Ohne Herausforderung keine Spannung, ohne anfänglichem Frust kein späteres Frohlocken.

Damals war das verquer-geniale Zeitmanipulationsspiel "Braid" das Vorzeigebeispiel, wie man diese Entwicklung klug unterwandert. In diesem Jahr ist "LIMBO" jenes Game, dass das übertrieben harmonische Händchenhalten zwischen Designern und Spielenden mit gezieltem Zwicken und leichten Schlägen auf die Handrücken würziger und tiefgründiger macht.

Bildschirmfoto aus dem Videospiel "LIMBO": Der Bub wird von einem großen, rollenden Stein verfolgt.

Playdead

Wo bin ich hier?

Ein kleiner Bub wacht in einer schummrigen, schwarzweißen Welt auf. Er weiß nicht, wie er dorthin gekommen ist und was ihn erwartet. Das einzige, woran er sich erinnert, ist, dass er seine verlorene Schwester sucht. Ist der Limbo eine Traumwelt? Eine andere Dimension? Ein tödlicher Hindernisparcours aufgestellt von fiesen Kidnappern? Vom theologischen Standpunkt her ist der Limbus laut der deutschen Wikipedia ein "Aufenthaltsraum für Seelen, die ohne eigenes Verschulden vom Himmel ausgeschlossen sind."

Das Spiel lässt uns von Anfang an im Dunklen, sowohl im sprichwörtlichen als auch im tatsächlichen Sinne. "LIMBO" ist düster, spielt mit unscharfen Darstellungen, setzt Licht sehr gezielt ein. Der stumme Bub kann gehen, springen und Gegenstände benutzen. Grafische Hinweise darauf, was zu tun ist, gibt es nicht. Wir lernen hier nicht durch blinkende Cursor oder helle Farben und Umrandungen, die in vielen anderen Spielen plakative Signale aussenden, sondern durch den steten Bildschirmtod. "LIMBO" offenbart hier seine morbide Seite: Erst, wenn wir ertrinken, zersägt, elektrisiert oder von Eisenstangen erschlagen werden, lernen wir das jeweilige Rätsel zu lösen. Sterben erwünscht.

Bildschirmfoto aus dem Videospiel "LIMBO": Der Bub entdeckt einen toten Menschen, der am Strick hängt.

Playdead

Neue Kleider

Die Präsentation von "LIMBO" ist in jeder Hinsicht minimalistisch und genau deshalb bemerkenswert. Optische als auch akustische Akzente werden sehr gezielt und behutsam gesetzt. So gibt es über weite Strecken hinweg keinen Soundtrack, was dazu führt, dass man die Geräusche der merkwürdigen Wesen und Maschinen, auf die man trifft, besonders intensiv wahrnimmt.

Das Interessante dabei ist, dass der spielerische Kern von "LIMBO" - also die Rätsel, bei denen man meist Kisten verschieben, Schalter betätigen und gezielt an bestimmte Positionen laufen oder springen muss - im Grunde eher konventionell gestrickt ist. Durch die außergewöhnliche Implementierung in die mysteriöse Spielwelt werden uns die Puzzles aber bestmöglich verkauft. Darüber hinaus ist die Physik im Spiel extrem glaubwürdig: Werden Gegenstände von uns manipuliert, verhalten sie sich so, wie sie es auch in der wirklichen Welt tun würden.

Bildschirmfoto aus dem Videospiel "LIMBO": Der Bub krabbelt von einem schwimmenden Baumstamm auf eine Wiese.

Playdead

"LIMBO" ist für Xbox Live Arcade als Download erschienen und kostet rund 15 Euro (1200 Microsoft Points).

"LIMBO" schafft es, eine solide Spielmechanik und ein harsches, archaisches Game Design der Marke "Stirb, probier's nochmal und dann schaffst du's vielleicht" in einer Weise zu präsentieren, die man so vorher noch nie in einem Videospiel gesehen hat. Erfahrung mit Games sollte man allerdings mitbringen, da manche Rätsel abgesehen von der Knobelei auch einiges an Geschicklichkeit abverlangen.