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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

2. 9. 2010 - 06:00

Keep on movin'

In der Retrospektive "Autokino" zeigt das Österreichische Filmmuseum bis zum 6.10. einige der großartigsten Roadmovies ever.

Im Zentrum von Roadmovies steht die andauernde Bewegung. Egal, ob es sich um Aussteigerfilme handelt, um Truckermovies oder um rasende Flucht-Epen, immer ist die Fahrt das Ziel.

Die Ankunft, das Verharren an einem Ort, das signalisiert Sesshaftigkeit, Angepasstheit, Stillstand, in extremen Fällen, wenn am Zielpunkt die Polizei wartet, sogar das Gefängnis und den Tod. Solange man aber fährt, verheißt die Straße Abenteuer und Unabhängigkeit.

Wer eigentlich gar nicht ankommen will, der braucht weite, endlose Strecken, Gegenden, in denen man sich völlig verlieren kann. Das macht Roadmovies zu einem uramerikanischen Filmgenre. Die Ausgedehntheit des US-Kontinents bietet genug Fluchtpunkte für Asphaltromantiker und Herumdrifter. Nirgendwo wird auch der Autokult extremer zelebriert.

Two Lane Blacktop

Österr. Filmmuseum

Roadmovies lösen in den USA irgendwann Mitte der Sechziger den Western ab. Der Outlaw tauscht sein Pferd gegen eine Harley Davidson, der Cowboy mutiert zum Fernfahrer, und die Sheriffs tun ihren Dienst bei der Highway-Polizei.

Wobei die offiziellen Hüter von Recht und Ordnung fast immer als Feindbilder gelten. Die (Anti-)Helden in diesen Filmen zeigen Geschwindigkeitsbegrenzungen den gestreckten Mittelfinger, rebellieren gegen die Ordnung mit ihren heißen Öfen und auffrisierten Schlitten.

Im Zentrum ihrer apolitischen, hedonistischen Revolte steht der Wunsch, wenigstens ein kleines Stück vom ewigen Straßen-Mythos "Freiheit" zu erlangen.

Vanishing Point

Österr. Filmmuseum

Grob gesagt gibt es zwei Arten von Roadmovies: die bodenständigen Filme und die desillusionierten Streifen. Erstere entwerfen dem besten Freund des Menschen - seinem fahrbaren Untersatz - ein fetischistisches Denkmal und zielen dabei auf ein White-Trash-Publikum ab, das nach dem Kinobesuch mit quietschenden Bremsen in die nächste Countrybar donnert.

Die zweite Kategorie, das intellektuelle Roadmovie, benutzt das Auto oder Motorrad bloß als Metapher oder Fortbewegungsmittel zum Zweck.

Die Hauptrolle gehört ganz den wortkargen Darstellern und der Landschaft. Verstörte Protagonisten befinden sich hier auf der Flucht vor der Polizei, vor ihren kaputten Beziehungen oder sich selbst. Die Illusionen von Freiheit träumt man vergeblich.

Easy Rider

Österr. Filmmuseum

In den siebziger Jahren, der Hochblüte des Roadmovies, existieren beide Gattungen parallel. Die proletarischen Straßenfilme huldigen dem Kitzel der Tempoüberschreitung, der Schönheit glänzend polierter Chevys und Corvettes. Sie riechen förmlich nach Bremsspuren, Auspuffgasen und Männerschweiß.

Burt Reynolds verkörpert prototypisch diese Art von Kino, wie der klassische Westernheld agiert er oft am Rande der Legalität, ständig im Kampf mit lästigen Verkehrspolizisten. Aber in Wirklichkeit steht er auch für das aufrechte Amerika, in dem man sich zu Recht gegen bornierte Gesetzeshüter wehren darf.

Während solche Truckerfiguren nur einen scheinbaren Feind der reaktionären Highway-Cops darstellen, sind die Typen in "Easy Rider" (1969) die wirkliche Antithese zu God's own country. Dennis Hoppers Regiedebüt vollzieht den Sprung vom schundig-spaßigen Bikermovie der Sixties zu einer Welle nachdenklicher Reisen auf einer Road to nowhere.

Two Lane Blacktop

Österr. Filmmuseum

"Easy Rider", oft als naiver Hippie-Kultfilm unterschätzt, ist eigentlich genau das Gegenteil davon. Die zwei Aussteiger Peter Fonda und Dennis Hopper sind unterwegs in einem Land ohne Illusionen, im Fadenkreuz der braven Bürger. Was sich im hoffnungslosen Finale ankündigt, wird in "Two Lane Blacktop" (Asphaltrennen, 1971) zur Vollendung geführt.

Der Mythos Straße wird von dem eigensinnigen Regisseur und Tarantino-Favoriten Monty Hellman ad absurdum geführt, er bringt eine fast existentialistische Sinnlosigkeit auf die staubigen Überlandstraßen.

Zwischen Hot-Rod-Bewerben führen drei Auto-Freaks endlose Smalltalks über technische Belange. Dahinter steckt Leere, nichts geht mehr, die Freiheitsträumer sind am Ende der Straße angelangt. Sartre in einem hochfrisierten 55er Chevrolet Sedan, Camus im weißen 70er Pontiac G.T.O.

Gleichzeitig erzählt "Two Lane Blacktop" vom Verhalten der beiden Fahrer gegenüber einer jungen Anhalterin. Sie können nur über Motoren, Vergaser und Zündkerzen quatschen, sexuelle Themen oder Gefühle sind sie unfähig zu artikulieren. Damit liefert Monty Hellman auch einen Kommentar zur maskulinen Ausrichtung des Genres. Denn natürlich spielen Roadmovies in einer reinen Männerwelt. Frauen am Steuer sind grundsätzlich verpönt.

Burt Reynolds degradiert sie zum Aufputz für seinen Schlitten. Im Trucker-Film dürfen sie zu Hause Kaffee kochen und ein warmes Bett bereithalten. Aber die Figuren in "Asphaltrennen" scheinen sich nicht einmal für den obligaten Quickie am ledernen Rücksitz zu interessieren. Geil finden sie nur den Geschwindigkeitsrausch des Hot-Rod-Racings, ansonsten wirken sie impotent.

Badlands

Österr. Filmmuseum

Weitere Tipps aus der "Autokino"-Schau des Österreichischen Filmmuseums:

"Kustom Kar Kommandos", USA 1965, R: Kenneth Anger
Eine filmische Liebeserklärung an maßgeschneiderte Wagen als verchromte Träume. Bei Kenneth Anger verschmelzen Kunst und Kitsch.

"Weekend", Frankreich 1968, R: Jean Luc Godard
Auf den Straßen herrscht Krieg und Anarchie in diesem Avantgarde-Klassiker von Onkel Jean Luc.

"Badlands", USA 1973, R: Terence Mallick
Martin Sheen und Sissy Spacek als jugendliche Killer, die im Chevy durch traumwandlerische Landschaften flüchten. Ein verstörender und betörender Alltime-Meilenstein.

"Bonnie & Clyde", USA 1967, R: Arthur Penn
Auch hier endet eine Vision vom Ausstieg aus der Gesellschaft und dem Leben auf der Straße fatal. Motto: Verbrechen zahlt sich nicht aus.

"The Getaway", USA 1972, R: Sam Peckinpah
Nicht alle Regisseure bestrafen ihre amoralischen Road Movie-Helden mit dem Tod. Peckinpah gönnt seinem Gangsterpärchen Steve MCQueen und Alic McGraw ein Happy End in Mexiko.

Die sprachlose Stimmung von "Two Lane Blacktop" findet sich auch in anderen legendären Roadmovies des New Hollywood der Siebziger. "Electra Glide In Blue" (Harley Davidson 344, 1973) schickt einen Cop auf den Highway of broken dreams, zerstörte Hoffnungen warten dort auf ihn.

Er wird von der Reise nicht mehr zurückkehren, ebenso wie der Ex-Rennfahrer im großartigen "Vanishing Point" (Fluchtpunkt San Franciso, 1971). Ein lukrativer Auftrag treibt ihn mit seinem weißen Dodge Challenger auf eine Fahrt quer durch Amerika, dicht auf seinen Fersen die Polizei. Nachdem alle Tempolimits in Richtung Gefängniszelle überschritten sind, rast der Fahrer am Ende bewusst in die Polizeisperre und fährt, im wahrsten Sinn des Wortes, zur Hölle.

Electra Glide in Blue

Österr. Filmmuseum

Etwa zur selben Zeit dreht ein gewisser Steven Spielberg seinen Debütstreifen, über einen harmlosen Autofahrer, der von einem anonymen Riesentruck auf Leben und Tod gehetzt wird. "Duel" erzählt von den niederen Instinkten, die der Fetisch Auto zum Ausbrechen bringt. Die Unschuld ist geraubt, die nächste konseqente Stufe: Das Roadmovie kippt in die Apokalypse.

B-Pictures wie "Death Race 2000" (Frankensteins Todesrennen, 1975), übrigens unter anderem mit einem Newcomer namens Sly Stallone, erzählen von einer nahen Zukunft, in der offene Anarchie auf den Straßen herrscht. Detonations- und Karambolage-Orgien werden gefeiert, Fußgänger für Preisgeld überfahren.

Das Österreichische Filmmuseum zeigt unter dem Titel "Autokino" noch bis zum 6. Oktober eine Auswahl überragender Roadmovies, inklusive sämtlicher hier erwähnter und vieler anderer Streifen, von Filmnoir-Klassikern und Avantgardeprojekten über hemmungsloses Exploitationkino und filmische Raritäten. Um den sehr verehrten Herrn Austrofred zu zitieren: Eich Dodln gib i Gas!

The Getaway

Österr. Filmmuseum