Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Rette uns, wer kann"

Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

30. 8. 2010 - 12:17

Rette uns, wer kann

Das Ars Electronica Festival kümmert sich dieses Jahr verstärkt um Nachhaltigkeit und Wiedergutmachung.

Wer wird uns vor dem ökologischen Debakel schützen, das unweigerlich auf uns zusteuert? Genau jene, die es auch verursacht haben: Zuerst haben die industrielle Revolution und die postindustrielle Wegwerfgesellschaft dafür gesorgt, dass mit unserem Planeten einiges im Argen liegt - nun müssen wir wieder zurückrudern.

Ars Electronica Flyer: Rettungsring

Ars Electronica Futurelab

Das etwas Beunruhigende an der Sache: Nur wer etwa die Plastikflasche erfinden kann, ist auch imstande, sagen wir, einen magischen CO2-Ausstoß-Neutralisierer zu bauen oder einen auf Terraforming zu machen, wo früher nur Wüste und Stein war. Einzig Wissenschaft und Forschung machen mit ihrem Know-How einen Richtungswechsel möglich. Es ist notwendig, die maßgeblich beeinflussenden Faktoren aus Wirtschaft, Politik und auch Kunst kollektiv auf die nachhaltige Schiene zu bringen.

Repair

Das Ars Electronica Festival macht in diesem Jahr zumindest in Bezug auf Kunst einen ersten konzentrierten Schritt in diese Richtung. Das macht viel Sinn: Nirgendwo sind Kunst und Technologie so eng miteinander verwoben, wie in elektronischen und digitalen Kunstwerken. Das durchaus erstrebenswerte Motto, das schon die Wiener Künstlergruppe monochrom vor Jahren gepredigt hat: Sei ein Scientist!

Porzellanteller, der mit einem Goldkleber repariert wurde

Lotte Dekker

Bison Kintsugi / Lotte Dekker

Unter dem diesjährigen Claim "Repair - Sind wir noch zu retten?" beschäftigt sich ein Großteil der ausgestellten Werke des Festivals dieses Jahr mit Umweltschutz, Umweltsünden, kreativen Lösungen zum behutsamen Umgang mit Ressourcen, sowie Ansätzen zur einer alternativen politischen und gesellschaftlichen Struktur.

Wir lernen, wie wir auch in unseren Wohnungen Nahrungsmittel anbauen können, trauern um verstorbene Arten und verfolgen die Reise eines Plastiksackerls. Recycling ist out, Repairing ist angesagt - egal ob es sich um asiatische Porzellanklebetechniken handelt oder Legosteine, die Risse und abbröckelnde Ecken bei Häusern füllen. Verspielte Reparatur-Kunst gibt wissenschaftlich fundiertem Umwelt-Aktionismus die Hand.

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Wichtige Programmpunkte beim Ars Electronica Festival sind auch dieses Jahr wieder die Symposien, die sich thematisch in das Überthema einfügen. "Neue Arbeit Neue Kultur" etwa rollt den Aspekt der Nachhaltigkeit in Bezug auf Arbeitsstrukturen auf. Frithjof Bergmann, seit Mitte der 1980er Jahre Begründer und charismatischer Vertreter der "New Labour"-Bewegung, die darauf fußt, dass Arbeit sich mit den Wünschen des Individuums zu hundert Prozent decken soll, ist einer der Stargäste.

Auch Software besitzt eine höhere Nachhaltigkeit, wenn nicht ökonomisch ausgerichtete Konzerne ihre Angestellten drillen, sondern Menschen von sich aus in selbst organisierter Gemeinschaftsarbeit freie Software entwickeln. Das "Open Source Life Symposion" lädt daher große Vertreter von alternativen, unkommerziell agierenden Softwareprodukten ebenso, wie führende Geisteswissenschafter wie Geert Lovink, Saskia Sassen oder Joichi Ito nach Linz zu anregenden Vorträgen und Gesprächen ein.

Phantom Recorder / Revital Cohen

The "Phantom Recorder" system by Revital Cohen (IL) projects a cold, damp sensation onto the skin surface, triggering the brain to hallucinate a phantom.

Revital Cohen

Phantom Recorder / Revital Cohen

Listen

Wir übertragen Freitag, 3.9. und Samstag, 4.9. live FM4 Connected Spezialsendungen zum Ars Electronica Festival aus der alten Tabakfabrik in Linz, die dieses Jahr zum ersten - und vermutlich einzigen - Mal als riesiges Festivalzentrum fungiert. Wer vor Ort ist, kann uns gerne im mobilen Studio besuchen und beim Radiomachen zuschauen. Das FM4 Studio ist in der Repair Lounge untergebracht. Die Termine für die Livesendungen sind 15-19 Uhr (Freitag) und 13-17 Uhr (Samstag).

Lageplan der Ars Electronica mit FM4 Studio

Ars Electronica