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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

29. 8. 2010 - 21:02

Maximum Minisex

Österreichs "wildeste Schlagerband der Welt" arbeitet seine Geschichte auf. Sänger Rudi Nemeczek freut sich über die neue, zweiteilige Best-Of-Compilation und bereut nichts.

Es ist interessant zu beobachten, wie man als Kind Musik wahrnimmt und wie sich das im Laufe der späteren Zeit ändert. Im Zuge des Erwachsenwerdens nimmt man die Instrumentierung nach und nach besser wahr, versteht Inhalte und Anspielungen in den Texten. Aber eines bleibt immer gleich: Der starke emotionale Bezug, den man zu der jeweiligen Musik aufgebaut hat.

Bei mir, Jahrgang 1979, war das musikalische Initial die Hitparadensongs der frühen achtziger Jahre, die meine neun Jahre ältere Schwester auf und ab gehört hat: auf MC, im Radio, auf Platte. Eine der Bands, die dabei immer wieder vorkam, war Minisex. Der Name der Gruppe war für mich damals natürlich viel weniger wichtig als die ins Ohr gehenden Nummern. "Du kleiner Spion", "Ich fahre mit dem Auto" und "Eismeer" waren Lieder, die bei mir als Vier- bis Fünfjähriger schnell zu persönlichen Lieblingen wurden. Kein Wunder: Melodien, Harmonien und die simplen Textzeilen sind unbewusst perfekt auf Kinder zugeschnitten. "Diese kurzen Popsongs von Minisex sind eigentlich formal Kinderlieder", so Rudi Nemeczek, Sänger der Band, im FM4 Interview.

Der totale Ausverkauf

Das Cover von "Maximum Minisex": Ein Pärchen aus circa den 1940-Jahren küsst sich und trägt dabei Atemschutzmasken.

monkey music

Dabei begann Minisex 1979 von Wien aus mit einer krachig klingenden New Wave-"Depression", wie es in den Linernotes zur vor wenigen Tagen erschienenen Best-Of-Minisex Doppel-CD "Maxium Minisex" heißt. Innerhalb weniger Jahre legte die Band jedoch eine komplette stilistische Kehrtwendung hin und löste sich circa 1988 auf, als die Songs größtenteils nur noch glatt, kitschig und überproduziert klangen. Wo das Kokettieren mit dem Schlager sich anfangs noch perfekt in den originären Klang des NDW-Pop einfügte, waren spätestens nach dem vierten Album "Ayo" nur noch wenige Brüche bemerkbar: Minisex wären in ihrer Spätphase im "Musikantenstadl" vermutlich nicht mehr aus der Reihe gefallen.

Doch ohne den Mut, den Bogen des Pop auch mal zu überspannen, ist die ewige Distinktion des Underground langweilig. Die Herkunft macht's aus: Minisex sind als subversive Band an den Start gegangen und haben fortan sukzessive ihren Hunger nach Pop genährt und sich dabei eben ein bisschen überessen. Allerdings kann man trotz übersteigerter Schlager-Endphase Rudi Nemeczek nur zustimmen, wenn er heute von Minisex als der "wildesten Schlagerband der Welt" spricht.

Rudi Nemeczek in Großaufnahme, dahinter unscharf der Rest der Band, liegend.

Philip Horak

Der NDW-Neuaufleger

Dass Minisex nun auch für Nachgeborene in einer angenehm kompakt und chronologischen Form in 30 Stücken neu zugänglich wird, ist nicht nur Nemeczek zu verdanken. Walter Gröbchen, langjähriger Popmusikauskenner und Chefaffe bei monkey music, ist in Sachen Neuer Deutscher Welle schon Mitte der 1990er Jahre positiv aufgefallen: Die sechs "Flieger"-Sampler, die deutschsprachigen, und dabei vor allem österreichischen New Wave und NDW versammelt haben, gingen bereits auf seine Kappe. Die Sampler haben sich damals auffallend gut verkauft, sind bereits lange vergriffen und haben eine viele Jahre andauernde Party-Serie inspiriert.

Minisex, eine der zentralsten und bekanntesten Bands dieser Zeit, nun eine konzentrierte Rückschau via Doppeltonträger zu bieten, ist nur ein weiterer, logischer Schritt. Aktuelle Anlässe dafür gibt es nicht nur im circa 20. Jahrestag der Bandauflösung sondern auch in den neu erstarkenden Bühnenauftritten von Minisex. Wieder live zu spielen, macht den vier Herren viel Spaß - ob demnächst auch wieder neue Songs geschrieben werden, ist derzeit aber noch offen.

Die Minisex-Bandmitglieder, alle aufrecht stehend.

Philip Horak

Listening Session

Robert Glashüttner spricht mit Rudi Nemeczek von Minisex im FM4 Soundpark in der Nacht von 29. auf 30. August.

Nachhören kann man das Interview bis inklusive Sonntag, 5. September, über das FM4 On Demand-Service.

"Maximum Minisex" ist bereits bei monkey. erschienen.

Ob neue Lieder oder nicht - ich habe mich jedenfalls sehr gefreut, den Sänger einer Band zu treffen, deren Songs mich seit dem Kleinkindesalter in einer positiven Form begleiten.

In einer FM4 Soundpark Listening Session wird der charismatische Bandkopf Konzeption und Entwicklung von Minisex Revue passieren lassen und aktuelle Einschätzungen zu deutschsprachigem Schlagerpop treffen. Garniert wird das Gespräch selbstverständlich mit jeder Menge Musik aus der neuen Minisex-Compilation. Übrigens: Rudi Nemeczeks Sohn ist passenderweise auch mein Jahrgang. Nicht schlecht: Vaterwerdung und Bandgründung im selben Jahr.