Erstellt am: 29. 8. 2010 - 15:02 Uhr
Song Zum Sonntag: Eels
Eels
Wie eine Raupe träumte auch ich davon, eine Motte zu werden, bevor ich sterbe. Ich bin von einer alten Eiche gestürzt, eiem mächtigen Baum mit tiefen Wurzeln, da träumte ich, dass mir doch Flügel wachsen sollten. Immer habe ich gewußt, dass ich an die Erde gebunden sein würde, hatte mich schon damit abgefunden, dass ich nie vom Boden hochkomme - wie konnte ich wissen, dass ich immer auf diesen Tag gewartet hatte. Sekunden, Minute, Stunden, Tage, Monate, all die Jahre meines Lebens ... doch es hat sich ausgezahlt. Und: Es war gar kein Traum, ich bin wach, ich bin am Leben und ich bin ein Kolibri, der von Baum zu Baum fliegt.
12.9. 2010: Arena, Wien
13.9. 2010: Orpheum, Graz
14.9. 2010: Event Center Hohenems
Die Sex, Provokation oder Spaß propagierenden Ahnen des "Tiersongs" wollten ja nie Vögel sein. Die naiv-kindliche Art, wie Jonathan Richman Dinosaurier und Insekten besingt, Iggys Hundemetapher oder das Gegrunze von John Lennons Walross sind hier wohl genauso wenig Pate gestanden, wie die große alte Bluesmetapher vom Hahn (Hookers "Little Red Rooster") oder der verführerischen Schlange (Morrisons "Crawling King Snake"). Alles Beispiele, wie die Tierreich-Metapher als Umweg benutzt wird, so direkt wie hintergründig über Sex zu reden - eine Technik die von Bessie Smith bis Peter Gabriels Sledgehammer immer schon zu den Tricks von Rock und Blues gehört hatte.
Eels
E. will ein Vogel sein, ganz einfach weil der fliegen, sich erheben kann und wird und dies das Ende sein wird seiner öden erdegebundenen Existenz.
Warum E. (aka Mark Oliver Everett) von allen Vögeln ausgerechnet ein Kolibri sein will, der bestenfalls in der Luft stehen kann und anders als etwa ein Kondor, ein Adler oder eine Wildgans, sich nicht gewaltig empor schwingen, Abenteuer erleben und die ganze Welt kennenlernen wird - das zeugt wohl davon, dass die Befreiungsvision noch ein bißchen stecken geblieben ist. Nach depressiven Alben, Songs und Büchern ist er mit seinen Eels aber nun trotzdem an einer ungeahnt zukunftsfreudigen und oprimistischen Phase seines Lebens angekommen.
Eels
Der Song zum Sonntag ist eine Kooperation zwischen FM4 und der Presse am Sonntag und erscheint hier wie dort, wo sich der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar der Kolumne annimmt
E. wäre nicht E., der Unberechenbare, wenn er diese verträumt positive Message nicht musikalisch konterkarieren würde. So wie seine depressiven Innenschauen nicht selten von Rock oder Country begleitet waren, ist diese Morgennummer in ein dunkles Violinenbett gekleidet, das an den alkoholkranken Kater Tom Waits zu seiner "Blue Valentine" Phase gemahnt: Die dortige Waits-Version von "Somewhere" aus der West Side Story erzeugt eine ähnliche Schere zwischen dem mit glänzenden Augen formulierten Wunsch und den leicht dissonant abschmierenden Streichern, die seinen Optimismus bremsen und auch ins Irreeale abtauchen