Erstellt am: 28. 8. 2010 - 14:35 Uhr
Eine kleine Instrumentenkunde
Davidecks Musikerziehung macht diesen Sommer Pause. Dafür widmet sich die Instrumentenkunde in FM4 Davidecks den schönsten, außergewöhnlichen Musikinstrumenten abseits Gitarre, Schlagzeug und Bass. Jeden Samstag ab 19 Uhr.
Mit elektronischer Klangerzeugung hat man bereits in den 1930er Jahren experimentiert. Mit Erfolg: unendliche Möglichkeiten taten sich auf, um neue Klänge synthetisch herzustellen und diese Klänge in immer neuen Kombinationen zusammenzufügen. Skeptiker befürchteten, die neuen Instrumente würden den Geschmack der Bevölkerung langfristig verderben. In den Sechziger Jahren standen junge Bands vor einem neuen Problem: Wie bekommt man diese Klänge auf eine Bühne oder diese neuen Tasteninstrumente in Kastenform in einen Tourbus?
Abhilfe schufen Firmen wie die italienische Farfisa, die Mitte der Sechziger Jahre mit der Produktion einer preisgünstigen und kompakten elektrischen Orgel begann, der Farfisa Compact mit knallroter Verkleidung. Und amerikanische Bands griffen rasch zu. Die Farfisa konnte man mit Leichtigkeit zu zweit auf Bühnen heben und mit ihrer Verkleidung war sie alles andere als eine altvatrische Heimorgel.
Ray Manzarek von The Doors spielte aber eine Vox Continental, ein britisches Fabrikat, das 1962 auf den Markt kam und teilweise zerlegt transportiert werden konnte. Auch die Vox hatte eine rote Abdeckung. Ob die Italiener von Farfisa sich die Farbe von den Briten abgeschaut haben?
Wie eine quietschende Tür klingt die Farfisa, das sagen böse Zungen. Die Farfisa hat aber mehr zu bieten als ihre unverkennbar singende Stimme, findet Iris Moustakidis aka Lightning Iris. Die Keyboarderin der Incredible Staggers kann gar nicht mehr sagen, was sie zuerst begeistert hat: der Klang oder die Optik der kompakten elektrischen Orgel.
„Es war gang und gäbe, genau dieses Modell zu haben“, weiß Lightning Iris. "Das waren Bands, die man nicht ihrem Namen nach kennt, sondern man kennt vielleicht ihre One-Hit-Wonders." Ihre Kollegen bei den Incredible Staggers haben sich vielleicht die Koteletten von ihren Vorbildern abgeschaut. Lightning Iris hat sich ihre elektrische Orgel nach Fotos ihrer Band-Vorbilder organisiert. Eine ausgiebige Recherche war dazu notwendig. Das Geschäft mit Heimorgeln boomte zwar noch in den Siebziger Jahren in Europa, doch in den Achtzigern starteten die Japaner durch. Die italienischen Farfisa-Werke machten dicht.
Schonen kann Lightning Iris ihre Farfisa dennoch nicht.
Iris Moustakidis
Kein Widerspruch: Nina Hofer schätzt den Sound der The Incredible Staggers und Harfenklänge.
Die alte Orgeldame ist immer im Gepäck, wenn The Staggers bis weit in den Süden und ans Meer touren. So eine Farfisa muss ganz schön was mitmachen. Will sie nicht mal mehr kreischen, ist es ein Fall für Prix.
Eintausend Synthesizer in Klagenfurt
Einer, der sich richtig und umfassend mit Synthesizern auskennt, ist Gert Prix. Lightning Iris' Farfisa ist eine von vielen elektrischen Orgeln, an denen Prix regelmäßig operiert. In sein Eboardmuseum nach Klagenfurt pilgern MusikerInnen mit defekten Geräten und Sammler, die ein Ebay-Schnäppchen nach dem anderen zuhause punkern. Denn Prix kennt sich aus mit dem Innenleben der Maschinen. Gert Prix repariert "Tag und Nacht", die Warteliste für die Reparatur umfasst mehrere Dutzend Geräte.
Eintausend Synthesizer, analoge und digitale, hat Prix angesammelt. Funktionstüchtig sind geschätzte 85 Prozent der ausgestellten Geräte. "Gestartet ist die Sammlung allerdings in meiner Wohnung. Die Kinder mussten unter dem Klavier schlafen, das Wohnzimmer war mit einer Jupiter 4 und einer Hammond verstellt. Und ich habe viele Freunde mit guten Garagen. In den ersten Jahren war das Museum dezentral", erzählt Gert Prix.

Radio FM4
Trotz akutem Platzmangels wächst die Sammlung ständig. Prix kauft Geräte nicht einzig für den Live-Betrieb, sondern alle Objekte, die er als relevant erachtet.
"Als vor zwanzig Jahren die Digitaltechnik die analoge Technik abgelöst hat, habe ich von diesem Umbruch profitiert. Damals konnte ich analoge Geräte kaufen, die heute nicht mehr zu finanzieren wären", sagt Prix. Zehn Jahre lang streckt er seine Fühler aus, studiert Annoncen in Musikfachzeitrschriten und reist viel. "Heute kriege ich täglich so und so viele Angebote, die ich nie annehmen könnte oder wollte." Seit 2007 ist seine Sammlung öffentlich im Eboardmuseum zugängig. Unbedarft dürfte man sogar "Keyboard" zu den elektronischen Tasteninstrumenten sagen. Das heißt aber nicht mehr als Tastatur.
Das Eboardmuseum in Klagenfurt in der Florian Gröger-Straße ist täglich von 14.00 bis 19.00 geöffnet. Samstags bitte voranmelden.
Denkt er sich nie, weg mit den ganzen Kasteln mit den Tasten und Knöpfen? "Es gibt Tage, an denen ich nichts mehr davon hören will. Dann reicht mir aber eine kurze Rekonvaleszenzzeit, eine halbe Stunde", sagt Gert Prix, setzt sich seine Kopfhörer auf und dreht weiter an den Knöpfen eines mannshohen alten Synthesizers. Es sieht aus, als würde Prix das Gerät abhorchen wie ein besorgter Hausarzt einen Langzeitpatienten.