Erstellt am: 28. 8. 2010 - 14:00 Uhr
Mediation auf der Problembrücke
Berlin hat ja mehr Brücken als Venedig und bis vor ein paar Jahren war die Glienicker Brücke, die Berlin-Wannsee mit Potsdam verbindet, die berühmteste. Denn im kalten Krieg der Achtziger wurden in ihrer Mitte Ost- gegen Westagenten ausgetauscht. Aber nun hat ihr die kleine Admiralbrücke in Kreuzberg den Rang abgelaufen.
Die denkmalgeschützte Admiralbrücke war lange ein beschaulicher Ort, bis immer mehr Menschen entdeckten, wie nett man hier auf den kleinen Betonpollern in der Mitte und auf dem Geländer sitzen und den weitläufigen Blick auf den Sonnenuntergang genießen kann.
Christiane Rösinger
Sogar der Reiseführer „lonely planet“ pries die romantische Stimmung und so wurde die Admiralbrücke zur Problembrücke: Denn inzwischen treffen sich dort nicht nur am Wochenende bis zu 250 überwiegend junge Menschen aus aller Welt, es spielen auch ununterbrochen Bands und Straßenmusiker auf – eine monatelange Open-Air-Party zwischen sanierten Altbauten und Grünanlagen.
Christiane Rösinger
Im erztoleranten Kreuzberg holen genervte Anwohner nicht gleich die Polizei, schließlich haben einige, die hier wohnen, früher selber Häuser besetzt und wissen, dass zu einer Stadt wie Berlin auch nicht kommerzialisierte Treffpunkte gehören. Aber wenn zu viel Kleinkunst und Harndrang zusammen kommen, wenn alles verpisst und vermüllt ist und man nachts wegen den lärmenden Brückenbesuchern nicht mehr schlafen kann, reißt so mancher Geduldsfaden. Manche rufen nach Verboten und Überwachung, andere wären schon mit ein paar Müllcontainern und Dixie-Toiletten zufrieden.
Christiane Rösinger
Aber der Berliner Senat dachte weiter. Mediation heißt das Zauberwort, es bedeutet Vermittlung durch professionelle, neutrale Personen. 18.000 Euro wurden investiert, um das Problem anzugehen, den Streit zu entknoten. In einem Schlichtungsverfahren soll es Gespräche zwischen dem Bezirk, Besuchern, Anwohnern, Gastronomen, Ordnungsamt und Polizei geben, um einen verbindlichen „Brückenkodex“ zu erarbeiten. Ein Ideenwettbewerb - Kriterien sind „Tragfähigkeit, Realisierbarkeit und Nachhaltigkeit“ - ist ausgerufen. Noch bis am 31. August können hier Ideen eingereicht werden.
Vor Ort hat sich bislang wenig geändert, ruhiger wird es nur wenn die Polizei präsent ist. Die geht sehr behutsam vor und erklärt schon mal einer siebenköpfigen Kombo aus New Orleans: „The music ist to loud fort the Anwohner“ .
Woher kommt die Begeisterung für das Abhängen auf der Brücke? Schon 2007 sagte der Poptheoretiker Diedrich Diederichsen der Spex, dass die Kulturindustrie der Zukunft, mit „Outdoor-Formaten arbeiten werde: “ Das werden Formate sein, in denen Draußen-Sein in einer unglaublich flexiblen Art zusammengeht mit sehr genau ausgesuchter Musik, Kleidung, Visuals usw. Was man heute noch fußgängermäßig kennt – mobile Partys, Flashmobs und so weiter – wird industrialisiert werden. Man wird sich mit Leuten irgendwo verabreden oder sich gotchamäßig verfolgen, und das wird verbunden sein mit Soundtracks und einem narrativen Drumrum, das aber nicht zu konturiert sein darf, also zu dem alle Beteiligten ein aktives, eingreifendes Verhältnis haben können.”
So weit so interessant.
Vielleicht könnte man aber auch sagen: Umsonst und draußen ist nun mal ein unschlagbares Konzept und die Hippiekultur wird niemals aussterben.
Christiane Rösinger