Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Ich stimme für Nino aus Wien"

Boris Jordan

Maßgebliche Musiken, merkwürdige Bücher und mühevolle Spiele - nutzloses Wissen für ermattete Bildungsbürger.

24. 8. 2010 - 14:15

Ich stimme für Nino aus Wien

Die grantige Wiener Weltseele soll den FM4 Amadeus Award bekommen. Finde ich.

Für mich war die Sache ja sofort klar. Spontan wird Nino Mandl mit mir rechnen können.

Und das bei allem Verdienst, den die anderen Nominierten für den FM4 Award beim Amadeus für die österreichische Musikszene geleistet haben und noch leisten: Internationaler Erfolg auf den Drum'n'Bass-Dancefloors dieser Welt wie Camo&Krooked. Ein unpeinlicher Zugang zu einer schwelgerischen, gefühlsgeladenen deutschen Sprache wie Garish. Eine konsequente Wiederbelebung der gloriosen Sixties Psychedelia wie die unglaublichen Staggers. Oder ein hochmoderner, selbstironischer Schlagerpop wie der von Kommando Elefant. Alles schön.

Aber der FM4 Award beim Amadeus (und FM4 überhaupt) sieht sich wie gehabt mit einer erweiterten Aufgabe innerhalb dieser Wertung und der österreichischen Musik konfrontiert: Dem Entdecken und Einordnen von relevanten Strömungen in der österreichischen Musikszene. Drum'n'Bass, Indiepop mit deutschen Texten oder glaubwürdigen Retro Sound zu erkennen, zu spielen und zur Diskussion zu stellen, ist ja sowieso schon immer Kernaufgabe dieser Redaktion gewesen. Aber ich kann behaupten, dass ich schon immer nach einer Erneuerungsfigur für das Genre gesucht habe, das bei seiner Entstehung eines der direktesten, virtuosesten und relevantesten war und danach fast zum Synonym für ödeste, halblustige, seine Provinzialität feiernde Langweilnabelschaumusik vom Land geworden ist:

Austropop.

Ich weiß ja nicht, ob Nino mit diesem Label einverstanden wäre -womöglich sieht er es, so wie viele seiner Fans, eher als Abwertung. Dieser vom Kopf stinkende Fisch, dieses Feiern von Kleingeistigkeit und Stammtischwitz, diese musikalisch ewige erste Gitarrenschrummelstunde - wer will damit schon was zu tun haben. Ich sehe es als Adelung. Denn wie in der Phase, als das Genre noch was zu sagen hatte, macht hier jemand aus etwas völlig Totem etwas Schillerndes. Und bei aller Wertschätzung für Ernst Molden oder Birgit Denk: Nino kanns am besten.

Der Nino aus Wien

Florian Wieser

Der Nino aus Wien (der Name ist das einzige, was mir an ihm nicht besonders gefällt) bezieht sich mit traumwandlerischer Sicherheit auf die Besten seines Umfeldes: Zu Dylan (auf eine sehr dogmatische Art neben dem Springsteen von "Nebraska" sowieso die Überfigur der österreichischen Songwriter ungefähr seit 1947) kommen bei ihm noch Cohen, Doherty, Richman. Dazu noch Smog, Will Oldham, Conor Oberst.

Am allerwichtigsten: Nino dürfte auf eine intuitive Art erfasst haben, was die guten frühen Tage des Austropop bestimmt hatte. Der zynische Danzer, der grantige Ambros, der alberne Tauchen und der depressive Prokopetz und ihre ins Wienerische mitgenommenen Übertragungen von maßgebendem US Songwritertum - Ninos "Du Oasch" gehört unbedingt dazu.

Die coole, eine verschütt gegangene Wiener Tradition des Witzliedes der 30er Jahre wiederbelebende Worried Man Skiffle Group - Ninos spontanes WM-Lied "Fuassboi schaun" braucht sich nicht zu verstecken.

Die Suchen nach der - ebenfalls und noch mehr - verschütt gegangenen jüdischen Tradition des Verbindens von Persönlichem und Politischem, Alltäglichem und Poetischem, Grausamem und Komischem bei dem frühen Arik Brauer, und beim anfangs ähnlich gelagerten André Heller, der sich in seiner persönlichen Expressivität nicht vor so etwas unbedeutendem wie der Peinlichkeit von Stilblüten fürchtete - Ninos Kalauersong "Weit, weit, weit" und die Selbstbeschau "Es geht immer ums vollenden" sind ebenso hochmütig und furchtlos.

Im Dialekt oder in Hochsprache, bedrückend oder lustig, traurig oder albern, überlegt oder spontan - alles von Nino ist rund und mit ein wenig Glück von einer Größe, die das Jetzt überdauern wird. Meine Stimme beim Amadeus ist das mindeste, um ihm Reverenz zu erweisen. Und das mach ich auch.