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Daniel Eberharter

Fotografie, Design und Handwerk. Kunst ohne künstlich.

2. 9. 2010 - 13:52

Die Contra-Affäre

Der Fall Kennis vs. Vampire Weekend.

Die Meldung kursierte schon im Juli durch diverse Blogs: Ein Model namens Ann Kirsten Kennis verklagt die New Yorker Band Vampire Weekend, da diese ohne ihre Einwilligung Kennis' Gesicht auf dem Cover ihres zweiten Albums abbildete. Die Unterschrift für den sogenannten photographic release, der Einwilligung der Übergabe zur kommerziellen Verwendung eines Fotos, sei gefälscht.

Die Fakten

Vampire Weekends zweites Album "Contra" erschien im Jänner 2010 und schaffte es auf Anhieb auf die US Billboard Charts. Auf dem Cover ist eine junge Frau mit hellem Piqué-Hemd zu sehen. Im Vorfeld der Veröffentlichung wurde das blanke Bild ohne VW-Lettering an MedienverteterInnen geschickt und auf der Website I Think Ur A Contra geschickt, wo man sich den Kopf über das mystery girl zerbrechen konnte. Ein netter Marketinggag. Die Website wird nun anderweitig verwendet.

Das Foto des Mystery Girls stammt von einem Polaroid. Die Band hat es dem Fotografen Tod Brody abgekauft, der es nach eigenen Angaben 1983 bei einem Casting Fotoshoot in New York City schoss. Heutzutage werden diese Referenzbilder freilich mit Digitalkameras erledigt, vor 30 Jahren noch mussten diese Instant-Aufnahmen mit Polaroid gemacht werden.

cover vampire weekend "contra"

vampire weekend / xl recordings

Fast forward to 2010 und Kirsten Kennis (heute 54 Jahre alt) erfährt, dass sie auf dem Cover von VWs Contra zu sehen ist. Sie ist empört. Sie habe keinen Release zu jenem Zweck unterschrieben, der der Band erlaubt, ihr Konterfei auf Plattencover, Promoposter und Bühnenbackdrops zu drucken und zu vervielfältigen. Sie klagt nun Vampire Weekend Inc., das Label XL Recordings und den Fotografen Tod Brody um $ 2 Millionen USD. Ein Termin für den Prozess ist ausständig.

Der rechtliche Hintergrund

Jeder Mensch hat das Recht, die Verwendung seines/ihres Fotos, also des Abbilds der eigenen Person, zu verweigern. Prinzipell ist es nicht gestattet, ein Foto einer Person ohne Einwilligung der abgebildeten Person zu veröffentlichen. Das Persönlichkeitsrecht würde verletzt.

Die große Ausnahme sind Nachrichten, die im öffentlichen Interesse stehen, oder Abbildungen von Gruppen (auf Demos zum Beispiel). Vor allem die Klausel um das öffentliche Interesse und um Personen, die in selbigem stehen, ist ob seiner Dehnbarkeit häufig Kern großer Prozesse zwischen Celebrities und Paparazzigazetten.

In der Modelwelt gibt es deshalb Verträge, die Modalitäten wie Verwendung und Gage rund um ein Bild abstecken. Es ist nicht üblich, diese für Casting Fotos auszufertigen, da es sich um bessere Schnappschüsse, um Tests handelt.

Contra Girl

Kirsten Kennis klagt nun ein, sie habe Vampire Weekend und dem Label XL Recording nicht gestattet, ihr Konterfei als Coverbild zu verwenden. Mehr noch; sie kenne den Fotografen Tod Brody nicht und habe ihn noch nie getroffen. Sie wisse nicht einmal mehr genau, wer das Polaroid geschossen hat. Möglicherweise habe ihre Mutter den Auslöser gedrückt.

Noch interessanter ist, dass es laut Angaben des Fairfield Citizen (Lokalzeitung aus Fairfield, Connecticut, wo Kennis heute lebt) und dem eben erschienenen Vanity Fair-Artikel doch einen unterschriebenen Release gibt, den Kennis unterschrieben haben soll.

VanityFair.com zeigt eine Auswahl aus Ann Kirsten Kennis Modeling-Portfolio.

Jedoch wird ihr damaliger Name einmal richtig, einmal falsch geschrieben, Kirsten Johnson und Kirsten Johnsen. Welcher der beiden richtig ist - ob mit o oder e - bleibt übrigens unklar.

Diese Unterschrift soll dem Vertrag zwischen Brody und XL Recordings beigelegt sein. Weiters wird ihr in dem Release die Summe von einem Dollar (US und !) für alle Weiterverwertungsrechte zugesprochen. Kennis bestreitet, diesen Vertrag unterschrieben zu haben.

Es ist ein verwunderliches Dokument. Und kaum nachvollziehbar, weshalb Kennis 2009 mit ihrem Taufnamen unterschieben und die Rechte um nur einen Dollar verkauft haben soll.

Tod Brody gibt sich inzwischen empört über Kennis' Anschuldigungen. Er beteuert in einem Statement auf seiner Website, das Foto 1983 gemacht zu haben und spricht von übler Verleumdung. Das Original Polaroid ist dort ebenfalls abgebildet.

See you in court

Welche Unterschrift nun wann und zu welchem Zweck getätigt wurde, ob sie überhaupt echt oder gefälscht ist, das wird das Gericht wohl klären können. Ein Termin steht, wie erwähnt, noch nicht fest.