Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Song Zum Sonntag: PVT"

Boris Jordan

Maßgebliche Musiken, merkwürdige Bücher und mühevolle Spiele - nutzloses Wissen für ermattete Bildungsbürger.

22. 8. 2010 - 15:29

Song Zum Sonntag: PVT

Uh Uh Uh Uh: "Window"

Ich werde nicht ausrutschen, ich werde nicht fallen, ich werde mich nicht verändern. Ich bin nur kurz draußen gewesen, dann hab ich das beschlossen. Und du bist mein Fenster.

Überall werden PVT "Math-Rock mit mehr Elektronik, eh klar, wo sie jetzt auf Warp sind" genannt. Ich kann hier weniger Trans Am oder Tortoise raushören (obwohl John McIntire ihre zweite LP produziert hat) als die elektronischen Poppioniere von vor etwa sieben Jahren aus England, Beta Band oder Simian (bevor die sich aufgelöst bzw. populistisch dem Popmarkt den Rücken gekehrt und sich der dankbareren Partyszene zugewandt haben).

Bandfoto PVT

PVT

Seit PVT aus Australien auf Warp sind und (erst kürzlich) ihre "Soundscapes" gegen düster-hektischen Gesang eingetauscht haben, schweben über ihren Wassern natürlich die Überhelden des neuen Intellektualismus, Liars und Animal Collective.

Das vordergründig spannende auf "Window" ist die als eine Art Basspattern die ganze Nummer untermalende Silbe "Uh". Sie ordnet diese nette, fordende Single ein in das Reich des Rätselhaften, und dies ist - seit dem Gelächter, Geschrei und Getwitscher in Meredith Monks "Dolmen Music" oder dem "Oh" in Laurie Andersons "Oh Superman" - das Zuhause für Musik mit menschlichen Minimalsounds. So etwas geht immer, das zeitgenössische Poppublikum empfindet einfach entweder Angst, Bewunderung oder beides, ist aber immer irgendwie erregt, wenn Rhythmen von menschlichen Kehlen erzeugt werden. Den Außergewöhnlichkeitsbonus haben Avantgarde-Chöre und Beatboxer jedenfalls gepachtet, und KünstlerInnen, die sich gerne damit schmücken, von Mike Patton bis Björk, haben auch schon sehr gerne damit gearbeitet.

Der Song zum Sonntag ist eine Kooperation zwischen FM4 und der Presse am Sonntag und erscheint hier wie dort, wo sich der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar der Kolumne annimmt

Aber Schnickschnack, das vorliegende Uh, so eindinglich es ist, ist doch nur ein simples Vokalsample und auf den zweiten Blick auch nicht das schönste an der Single: Denn während Bandleader Richard Pike mit großer Energie und Tonumfang immer die gleichen, eindringlichen Zeilen brüllt, spielt sein Bruder Laurence dazu eine Art (in dieser Musik) unerhörtes Lead-Schlagzeug, er wechselt von der Schwere des Stadionrock-Drumsounds zu polyrhythmischen Rimshots, zu punkigem Doublebeat, zu einem verzögert-verspielten folkigen Geklapper, mit dem uns schon die Dodos und die Two Gallants Freude gemacht haben. Das ungroovige, stets auffällig präsente Schlagzeug verleiht der Musik von PVT erst das Außergewöhnliche.