Erstellt am: 21. 8. 2010 - 03:38 Uhr
Bewegen und bewundern
Bei einer Games-Messe geht es im Wesentlichen darum, mit den allerneuesten Produkten anzugeben und das Publikum für die kommenden Titel, Geräte und Technologien zu begeistern. Das hat am europäischen Festland noch nie so erfolgreich funktioniert wie mit der gamescom - obwohl diese gerade erst mal in ihrem zweiten Jahr ist. Jetzt, wo man der ehemaligen Vorzeigemesse "Games Convention" in Leipzig endgültig das Wasser abgegraben hat, indem auch der Online-Spielemarkt quasi komplett integriert wurde, fehlt es an nichts mehr: Von den renommierten Namen wie Sony oder Blizzard Entertainment über neuere Größen wie Big Point oder Gameforge bis hin zum kleinen Indie-Spieleverlag vereint die gamescom sämtliche Märkte innerhalb der Computerspieleindustrie.
Rot und unabhängig

Robert Glashüttner
Ich war höchst verblüfft und positiv überrascht, direkt neben dem Nintendo-Stand einen weitgehend unbekannten, aber tapferen Publisher aus Deutschland zu entdecken. "redspotgames" wurde von einem nur fünfköpfigen Team aus Liebhaberei gegründet und veröffentlicht unter anderem Spiele für die schon längst vergessen geglaubte Spielkonsole Sega Dreamcast. Viel verkauft habe man anfangs nicht, so Max Scharl, einer der Gründer. Man wollte zunächst einfach mal der Industrie seinen eigenen Stempel aufdrücken.
Mittlerweile läuft der Laden innerhalb seiner Nische gut und "redspotgames" vertreibt nun auch Wii- und downloadbare Xbox 360-Titel.
Haus der Computerspiele

Robert Glashüttner
Ein paar Meter weiter in der selben Halle treffe ich auf ein bekanntes Gesicht: René Meyer, professioneller Games-Konsolen-, Computer-, Computermagazin- und Vintage-Software-Sammler, ist auch dieses Jahr mit einer Ausstellung auf der Messe vertreten und zeigt einen kleinen Ausschnitt seiner Stücke - liebevoll in gläsernen Schauschränken präsentiert und nun auch mit einem offiziellem Namen: Haus der Computerspiele.
Neu ist nebenan der Stand vom "RETURN"-Magazin. Das erst letztes Jahr erstmals in einer Printversion erschienene, ehemalige PDF-Magazin, ist ein Retro-Games-Magazin, das sich vor allem mit aktuellen Nutzungsmöglichkeiten von alten 8-Bit-Computern und -Konsolen beschäftigt. Viele Interviews und verständlich geschriebene Schwerpunkte heben das Heft aus dem erwartbaren Geek-Status heraus in eine lesenswerte Publikation für alle Videospielkulturliebhaber.
Alles, das sich verkauft
Abgesehen von den aktuellen Schwerpunkten Bewegungssteuerung und dreidimensionales Spielen mit und ohne 3D-Brille, zeigt die gamescom vor allem Fortsetzungen mit großen Namen oder neue Namen mit bekannten, fortgesetzten Spielinhalten. Das beste Beispiel, dass alles, das sich verkauft, gut und recht ist, ist der skurrile Erfolg diverser Kraftfahrzeug-Simulatoren. Nach Bus-, Mähdrescher- und Müllabfuhr-Simulator ist der Landwirtschaftssimulator nicht weit. Der wird stilgerecht mit Traktor-Reifen als Sitzmöbel und Pflüganhänger im Hintergrund präsentiert.

Robert Glashüttner
Ätherisch und mysteriös

Nadja Igler
Das kalifornische Spielentwicklerstudio thatgamecompany hat ein gutes Händchen dafür, erfolgreich auf der dünnen Linie zwischen Kunst und Kitsch zu balancieren. Ihr drittes, exklusives Download-Spiel für PlayStation Network - nach "flOW" und "flower" - ist "Journey". Ein mit Maske und Robe bekleidetes, humanoides Wesen tänzelt leichtfüßig durch eine weite, offene und sonnendurchflutete Landschaft voller Sanddünen und archaischer, mysteriöser Architektur. Auf Steinen und dünnen Stoffstücken befinden sich Runen, die zu leuchten beginnen, wenn wir mit ihnen in Kontakt kommen. Wir können da und dort ein bisschen schweben und möchten wissen, was bei dem großen, in der Mitte gespaltenen Felsen auf uns wartet, der jetzt noch in der Ferne leuchtet.
Thatgamecompany-Gründer und Mastermind Jenova Chen präsentiert "Journey" auf der gamescom höchstpersönlich. Der Mann ist wohltuend unprätentiös und klar in seinen Ausführungen. Dennoch merkt man, dass das stilistische und spielerische Abheben seiner Spiele von den Üblichkeiten des Games-Marktes für seine Firma essentiell ist. Die Intention von "Journey" ist nicht neu, aber weiterhin gut und wichtig: Gewalt, Hektik und Anspannung sind in Spielen leicht hervorzurufen - den Spieler in einen entspannten Zustand zu bringen und ihn dennoch dabei staunen zu lassen, ist wesentlich herausfordender.
Game für Geo

Robert Glashüttner
Wie habe ich es gehasst, Gesteins- und Erdschichten für Geografie-Tests wissen zu müssen - ohne jeglichen Kontext und in einer Genauigkeit, die ohne stupides Auswendiglernen ein Merken unmöglich gemacht hat. Wesentlich greifbarer und praxisorientierter ist da schon die Spielwelt von "From Dust". Nach über zehnjähriger Pause ist der bekannte, französische Games-Entwickler Eric Chahi ("Another World", "Heart of Darkness") wieder zurück und lässt uns an seinen Ideen, die er durch Malen und Landschaftsreisen geboren hat, teilhaben.
Bei "From Dust" müssen wir die Umgebung manipulieren und etwa festen Untergrund mit und ohne Vegetation, Wasser und Lava so kombinieren, das gute, neue Lebensbedingungen für die indigenen Völker entstehen, die die Welt bewohnen. Das Spiel erinnert an "Populous" und "Black & White", Chahi nennt diese Titel auch als seine Hauptinspirationen. Eine simple Gut und Böse-Trennung sieht er für sein Spiel aber nicht.
Dance like the King
Als Eric Chahi schon Feierabend macht und die meisten Fachbesucher Freitag am späten Nachmittag wieder am Packen sind, bekomme ich am Ubisoft-Stand freundlicherweise noch exklusiv das kommende Michael Jackson-Tanzspiel vorgeführt. Sie ist eine sportlich wirkende Brand Managerin, er professioneller Tänzer - das sei notwendig, um zu zeigen, was das Spiel drauf hat. Vor allem muss man aber selbst viel drauf haben, um bei diesem Game etwas erreichen zu können. Statt, wie bei vielen anderen Tanzspielen üblich, nur ungefähre Bewegungen nachzuahmen, sollen hier die Schritte, Bewegungen und Choreographien des King of Pop wirklich gelernt und geübt werden.

Robert Glashüttner
Obwohl erst mal nur die Wii-Version präsentiert wurde, dürfte das Spiel für Kinect und PlayStation Move ein neues Genre einläuten: Das der Hardcore-Tanzspiele. "Dance Dance Revolution" feiert zwar schon bald das 10-Jahres-Jubiläum, doch erst 2011 werden unsere verspielten Tanzbewegungen nicht mehr hektisch sondern richtig geschmeidig aussehen.