Erstellt am: 16. 8. 2010 - 15:21 Uhr
FM4 reist weg: Post aus Hawaii.
mare Verlag
Mark Twain, der Autor der Abenteuer von Tom Sawyer und Huckleberry Finn, ist auch bekannt für seine Reisereportagen - etwa durch den Wilden Westen oder Europa. Unter anderem hat er ja auch längere Zeit in Wien verbracht.
Seine ersten Reisereportagen hat er in Hawaii geschrieben.
Wir schreiben das Jahr 1866. Der
31-jährige Reporter Samuel Langhorne Clemens werkelt unzufrieden in San Francisco an Theaterkritiken oder Berichten über Gerichtsverhandlungen. Eine Erzählung, die er unter seinem Pseudonym Mark Twain in einer New Yorker Zeitung veröffentlicht hat, hat ihm zwar etwas Ehre in literarischen Kreisen eingebracht, allerdings kein Geld.
Das Angebot kommt ihm daher wie gerufen: Mark Twain sollte mit 52 ausgewählten Gästen an der Jungfernfahrt des Dampfers Ajax von San Francisco nach Honolulu teilnehmen.
Nachdem Mark Twain der kalifornischen Tageszeitung "Daily Union" fünfundzwanzig bis dreißig Reiseberichte aus Hawaii verkauft hat, kann er an der Reise teilnehmen.
"Wir verließen San Francisco nachmittags um vier, allesamt auf die eine oder andere Weise erfüllt – einige waren erfüllt von zärtlichem Bedauern, die Lieben daheim zurücklassen zu müssen, andere waren erfüllt von zunehmender Vorfreude auf eine angenehme Reise und einen belebenden Tapetenwechsel, wieder andere waren erfüllt von Plänen, Handelsbeziehungen zu knüpfen und größere Profite einzustreichen. Die Übrigen waren lediglich von Whiskey erfüllt."
Hawaii
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Leseprobe
von "Post aus Hawaii"
Zehn Tage dauerte die Überfahrt nach Honolulu, die nicht frei von Strapazen ist. Die meisten Passagiere werden seekrank, Mark Twain, der gelernte Steuermann, ist fasziniert von dem Schiff und appelliert dringend, eine schnelle Dampfschifffahrtsverbindung zwischen Amerika und dem damaligen unabhängigen Königreich Hawaii aufzubauen.
Nicht nur das, Amerika sollte sich dringend verstärkt um Hawaii bemühen, das Inselreich darf keinesfalls den Franzosen oder Briten überlassen werden.
"Für die Vereinigten Staaten ist es überaus wichtig, den Handel mit diesen Inseln zu fördern und auszubauen.
Weil es sich auszahlt.
Ein besseres Argument dafür gibt es nicht."
Mark Twain ist spürbar begeistert von der damals noch weitgehend unberührten Natur Hawaiis. Nachdem er sich ein Pferd ausgeliehen hat – dabei ist äußerste Vorsicht geboten, denn "Wenn er (Anm.: der Insulaner) einen beim Pferdehandel übers Ohr hauen kann, wird er dies mit Hochgenuss tun." Nachdem Twain also ein Pferd hat, berichtet er von seinen Ausritten und Spaziergängen über die Insel. Er schwärmt von der Landschaft, den Lavamassen und Vulkanen, die ihn bei Tag wie bei Nacht faszinieren – er ist beeindruckt von den Sträuchern, Pflanzen und Bäumen und leidet gleichermaßen unter den Moskitos.
Der Gast ist König
Beeindruckt schildert er in seinen Reiseberichten das Leben auf den Inseln, die Sitten und Unsitten der Eingeborenen und die Königsfamilie, deren Geschichte und Bräuche er sich besonders widmet, nimmt er doch an der langen Begräbniszeremonie der Prinzessin teil, bei der ihn besonders die Gesänge und die Hula-Hula-Tänze faszinieren.
Er erzählt sachlich vom Walfang, spöttisch von eifrigen Missionaren und Händlern und witzig von den wenigen Touristen, die allerdings schon 1866 unangenehm auffielen: "Wie üblich belud Brown sein unglückliches Pferd mit fünfzehn oder zwanzig Pfund 'Andenken', derentwegen er eine Zeit lang fluchte und jammerte, um sie dann fortzuwerfen und neues Spielzeug von derselben Art zu sammeln. Er ist wie die meisten Leute, die diese Inseln besuchen. Sie sammeln immerzu und mit wilder Begeisterung Andenken, aber sie bringen keines von ihnen nach Hause."
Ernst und Satire
Nicht immer kann man sicher sagen kann, was Mark Twain ernst bzw. satirisch meint "Das Obige ist kein Versuch, witzig zu sein."
Großartig jedenfalls, wenn sich Mark Twain über detaillierte wissenschaftliche Reiseberichte, lustig macht, oder eben nicht.
"Wir gingen hinter die Kaskade und die Pyramide und fanden, dass die Klippe von mehreren höhlenartigen Tunneln durchlöchert war, deren verschlungenen Pfaden wir ungefähr fünfzig Fuß weit folgten, ohne etwas Nennenswertes zu entdecken, doch machten wir eine Beobachtung, die für Wissenschaftler von höchstem Interesse sein dürfte. Wir fanden heraus, dass die Dunkelheit in diesen Höhlen ebenso dunkel war wie die Dunkelheit, der man an anderen vergleichbaren dunklen Orten begegnet – ich würde sogar meinen, sie glich ihr aufs Haar. Mein Gefährte bestätigte meine Meinung und sagte, er sehe ebenfalls keinerlei Unterschied, doch wenn es einen gäbe, dann vermutlich zugunsten der hiesigen Dunkelheit."
Mord und Totschlag
Mark Twain besucht das Gefängnis auf Honolulu ebenso wie das Parlament und den Königspalast. "Man zeigte uns andere Kriegsmäntel aus gelben Federn, die mit breiten, längs und quer verlaufenden Streifen aus roten Federn verziert waren – schöne Beispiele barbarischer Pracht."
"James Cook und die Entdeckung der Südsee". läuft bis 13. September 2010 im Museum für Völkerkunde, Heldenplatz,
1010 Wien
Derartige Mäntel sind derzeit in Wien im Völkerkundemuseum ausgestellt: "James Cook und die Entdeckung der Südsee". Auch James Cook bzw. der Mythos um dessen Ermordung auf Hawaii wird von Mark Twain ausgiebig erwähnt. Allerdings stellt sich Mark Twain ganz auf die Seite der Eingeborenen: "Man sollte die Eingeborenen wegen der Ermordung Cooks nicht allzu sehr verurteilen. Sie waren freundlich zu ihm. Zum Dank hat er sie misshandelt. Er und sein Männer hatten vielen von ihnen bei verschiedenen Gelegenheiten körperliche Verletzungen zugefügt und mindestens drei von ihnen getötet, bevor sie eine angemessene Vergeltung übten."
FM4 reist weg
Man kann auch daheim bleiben und dennoch weite Reisen unternehmen. Kopfreisen – mit der richtigen Literatur.
Vier Wochen sollte Mark Twain in Hawaii als Korrespondent arbeiten – vier Monate sind daraus geworden. Die Leser in Kalifornien waren von den Reisereportagen begeistert, besonders von der Schilderung des Klippers "Hornet". Das Boot war untergegangen, und nach einem wochenlangen Überlebenskampf gelangten die Seeleute schließlich nach Hawaii, wo sie von Mark Twain ausgiebig interviewt wurden.
Diese Geschichte sollte Mark Twain auch noch in vielen Vorträgen erzählen, die er nach seiner Rückkehr nach San Francisco in ausverkauften Sälen hatte und mit denen er auch auf Tour ging. Und so bildet die "Post aus Hawaii" durchaus den Ursprung seiner Bekanntheit.