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Chris Riebenbauer Graz

Protestkultur, Musik, Mode - punk routine in blog form.

17. 8. 2010 - 15:00

Baby, I'm a conformist!

Warum Against Me! mit ihrem aktuellen Album "White Crosses" eines der kraftvollsten und direktesten Rock Alben des Jahres abgeliefert haben, aber trotzdem ein fahler Beigeschmack bleibt. Und: Was auf Punkrocker am FM4 Frequency Festival zukommt

Against Me! gehören sicherlich zu den umjubeltsten aber gleichzeitig auch umstrittensten Bands der letzten Jahre. Die Band wurde vor mehr als 17 Jahren als One Man Show in allerbester DIY Manier gegründet.

Damals, Mitte der Neunziger, machte Tom Gabel als echter Guerilla Punker von sich reden, der alleine durch die Gegend zog und als Punk-Billy-Bragg in Basements und besetzten Häusern bekannt wurde. 2001 schließlich konsolidierte sich Against Me! als Band mit Drummer, Bassisten, zweitem Gitarristen und trat 2002 mit ihrem auf No Idea Records erschienenen Album "Reinventing Axl Rose" aus der US DIY Punk Szene hinaus ins globale Punk Rampenlicht. Hits wie "Pints of guiness make you stronger" oder "Baby I'm an Anarchist" überzeugten durch die Energie in ihrer Live Darbietung und der rohen Schönheit ihrer Rezeption Kritiker und Publikum auf beiden Seiten des Atlantiks. Konzerte der Band wurden zu einzigartigen Erlebnissen und für viele waren sie die neue Band einer Bewegung des Punk Rocks abseits des Mainstreams. Squat Punker und Skater konnten sich mit ihren mitreißenden Songs und ehrlichen Messages gleichsam identifizieren und so wurden bald größere Player der Szene auf Against Me! aufmerksam. Und Fat Wreck Chords bekam schlussendlich den Zuschlag zukünftiger Partner in der Vermarktung ihres kreativen Outputs zu werden. So releasten sie via Fat Wreck " As The Eternal Cowboy" ( 2003) und "Searching For A Former Clarity" (2005), das Platz 9 in den Billboard- Independent-Charts erreichte und den Indie-Hit Don’t Lose Touch enthielt. Vor allem in ihrer eigenen Szene wurde Against Me! schon für diesen Schritt verurteilt. Und genau darin besteht die Grundproblematik, mit der sich Bands wie AGAINST ME! oder auch Anti Flag seit jeher auseinandersetzen müssen.

us punk band against me

Warner Music Group

Das Problem mit der Weiterentwicklung

Man hat eine Einstellung, mit der man die Welt verändern will. Man schreibt darüber Songs und geht jahrelang auf Tour. Schliesslich wird man in kommerzieller Sicht erfolgreich - oft gerade durch einen bestimmten Habitus oder eine politische Einstellung, die man für sein Publikum nach außen repräsentiert. Alles schön und gut. Aber was passiert wenn man sich in zehn Jahren Band Geschichte und tausenden Konzerten persönlich weiterentwickelt und gewisse Dinge anders sieht als noch mit 18 im bandeigenen Proberaum? Das Problem dabei: Man wird unweigerlich immer an dieser ersten Schaffensphase gemessen. Vor allem Bands mit politischem Background. Und Against Me! wurden, ähnlich wie ihre Kollegen von Anti Flag, von der politischen Punk Bewegung an den Pranger gestellt, als sie 2007 ihr Major Debut "New Wave" auf Sire Records, einem Sublabel der Warner Music Group, veröffentlichten. Vorab gaben Against Me! 2004 mit ihrer DVD "We're Never Going Home" diesem Thema schon einen gewissen Raum und ließen sich von diversen interessierten A&R Managern einige Trinkgelage finanzieren, ohne jedoch ernstzunehmende Tendenzen für eine tatsächliche Zusammenarbeit zu bekunden. So blieben sie bis zu "New Wave" dem Punk Indie Fat Wreck Chords treu.

New Wave

Mit "New Wave" haben Against Me! diesen Schritt letzendlich vollzogen und sind offiziell Teil der Industrie geworden, die von ihrer Szene zum Großteil abgelehnt wird.

Für eine Band, die ihre Wurzeln fest in der Underground Punk Szene hat, ist es natürlich eine tiefgreifende Veränderung, mit einem Major Label zusammenzuarbeiten. Produziert von Butch Vig, (Nirvana, Smashing Pumpkins, Garbage), haben Against Me! mit New Wave eine neue Ebene beschritten. Songs wie "White people for peace" unterstreichen zudem das unglaubliche Songwriting-Talent, das in Gabel steckt.

Die Veränderung zieht sich übrigens als Thema durch das gesamte Album, sowohl auf persönlicher, als auf künstlerischer Ebene. Der australische Musiker Ben Lee coverte gar das gesamte Album und bot es zum digitalen Download an und das Spin Magazine machte es zu seinem Album des Jahres 2007. Der erhoffte und wohl auch vom neuen Brötchengeber vorausgesetzte breitenwirksame Erfolg blieb jedoch aus. "New Wave" debütierte zwar auf #57 der Billboard 200 machte die Band aber nicht zu "Jedermanns Darling". Das Album zählt aber sicherlich zu dem bisher besten und durchdachtesten Output der Band aus Gainsville. Die rauhe Schönheit ihrer energetischen Darbietung für die Against Me! schließlich bekannt wurde, ging aber in den Pre-Productions verloren. "Ich habe keine Antworten, aber ich bin auf der Suche nach Identität und versuche herauszukriegen, wo ich hingehöre.“ so Gabel in dem Pressetext zu "New Wave". Against Me! haben mit diesem Album die Schublade hinter sich gelassen. Squats und Basement Shows sind nicht mehr - auf gehts zu den großen Bühnen dieser Welt, die sie u.a. Anfang 2008 als offizieller Support der Foo Fighters bespielten.

neues album der punk band against me

warner music group

White Crosses

single der us punk band against me

Warner Music Group

Im Juni 2009 verlässt Langzeit Schlagzeuger Warren Oakes die Band um ein mexikanisches Restaurant zu eröffnen. Die Band scheint für außenstehende Beobachter angeschlagen. Das Debut am Major Label war sicherlich kein lupenreiner kommerzieller Erfolg und nun verlässt auch noch einer der ersten Mitstreiter von Tom Gabel die Band. Selbiger wurde aber schnell von keinem Geringeren als Hot Water Music´s George Rebelo ersetzt. Gleichzeitig wurde Gabel Vater, heiratete und zog in das verschlafene Strandnest St. Augustine. Wohl auch auf der Suche nach Inspiration in der zunehmenden Konformität seines einstigen Vagabundenlebens. Eben angesprochene persönlichen Veränderungen schlagen sich logischerweise auch auf das geschriebene Liedgut nieder und so kann das aktuelle Album "White Crosses" wohl auch als das erwachsenste Album der Band bezeichnet werden. Nur mit dem Material aus den Zeiten von "Reinventing Axl Rose" haben die aktuellen Against Me! rein gar nichts mehr zu tun. Die Single "I was a Teenage Anarchist" behandelt auch bereits angesprochene Widersprüche aus den Gründertagen der Band. Gabel stellt dabei klar: Die Anarcho-Zeit ist vorbei. Against Me! sind im hier und jetzt angekommen und haben ein kraftvolles und direktes Rock-Album mit im Gepäck. Vom Ohrwurm-Faktor her gesehen ist "I was a Teenage Anarchist" übrigens meine persönliche Single des Jahres 2010. Unglaublich wie sich Gabels Songstrukturen in den Gehirnwindungen festsetzen. Der Mann kann einfach großartige Songs schreiben, ohne dabei zu schnulzig zu werden. OK, bei ein zwei Songs auf "White Crosses" übertreiben Against Me! schon ein wenig, aber wenigstens langweilen sie nie. Die Band stagniert nicht, versucht sich immer neu zu erfinden und das sollte ihnen schon auch hoch angerechnet werden. Bei allen Ungereimtheiten ihrer ideologischen Herkunft.

Der geübte Against Me!-Hörer wird zwar bei Songs wie "Because of the shame" oder "Suffocation" sofort weiterschalten, doch empfehle ich dem Material etwas Zeit zu geben um sich entwickeln zu können. Nach mehrmaligem Hören entdeckt man nämlich erst die echte Schönheit von "White Crosses". Perfekte Pop-Songs im gewohnt tadellosen Produktionsgewand von Butch Vig. Einzig und allein der Song "Rapid Decompression" ist definitiv too much. Ansonsten haben Against Me! eigentlich alles richtig gemacht, um eine Stufe weiter nach oben zu kommen. Bleibt nur die Frage ob sie den Verlust ihrer alten Fan-Base mit neuen Hörern kompensieren können. Der leidigen Sell Out Diskussion sei die Freiheit der Weiterentwicklung entgegengestellt. Bands wie Against Me! müssen jedoch mit diesbezüglicher Kritik leben. Als ikonenhafter Held einer Szene hat man auch mit Konsequenzen zu rechnen, wenn man Ideale derselben dermaßen über Bord wirft. Was bleibt ist ein fahler Beigeschmack, der aus der Geschichte der Band resultiert.

Das FM4 Frequency Festival

Ab Donnerstag gehts wieder rund am Gelände des Green Park in St. Pölten. Das FM4 Frequency Festival geht in eine neue Runde. Und dieser Donnerstag sei auch allen Hörern der FM4 Basement Show wärmstens empfohlen. Denn neben den heimischen Gogets werden Gaslight Anthem, Bad Religion und NOFX auf den verschiedenen Bühnen performen. Die Basement Show wird vor Ort sein und versuchen die eine oder andere Wortspende einzufangen. Eine kurze musikalische Vorschau zum FM4 Frequency Festival und ein Interview mit Against Me! gibts in der FM4 Basement Show am Mittwoch zu hören. So tune in and spread the word!