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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

16. 8. 2010 - 20:09

Fußball-Journal '10-40.

Das schiache Stiefkind. Zwei Ausflüge zu der von allen guten Geistern verlassenen 1. Runde des ÖFB-Cup.

Nach der WM ist schon mitten in der neuen Saison, und die wird hier im Fußball-Journal 10 ungeschönt begleitet.
Heute mit einem Blick zum ÖFB-Cup, der von den Verantwortlichen fahrlässig ruiniert wird.

Nicht einmal die sonst bis in die Landesligen hinein eifrig über jeden Wechsel informierende Kronen-Zeitung kennt da Gnade. In der ersten Cuprunde werden nur die zehn Bundsligisten ausgeschrieben und seriös behandelt - der Rest, schon die Erstligisten aber vor allem die Unterklassigen, die können sich in den Koks hauen, die kommen nur als Torschützen vor.

Während ich das hier tippe überträgt der DFB-Cup-Anbieter Sky gerade live ein Tor des Oberligisten TuS Heeslingen gegen Energie Cottbus in einem Spiel der ersten Runde. Live. Zudem ist jedes Spiel auch individuell abrufbar, wird jedes der 32 Spiele der ersten Hauptrunde zur Gänze übertragen.

Nicht, dass ich das in diesem Umfang einfordern möchte. Schließlich haben einige sogenannte Erstligisten Österreichs nicht die Qualität der viertklassigen Regionalligisten Deutschlands. Und außerdem würde ich um ein paar herrliche Ausflüge umfallen.

Der Reiz der David-Goliath-Spiele

Hier die ökonomischen Unterschiede zwischenÖsterreich und dem DFB-Cup in Deutschland, und noch ein Vergleich mit der Schweiz.

Denn immer dann, wenn sie allesamt versagen (der ÖFB mit lachhafter Ausrichtung, die Medien mit entsprechend inexistenter oder ignoranter Berichterstattung) treibt es mich umso stärker auf den Platz. Und das hat ja auch was.

Trotzdem muss der Hinweis, wie sehr man die eigentliche Stärke des Cups, die Aufeinandertreffen von kleinen Davids gegen arrogante Goliaths dramaturgisch auszuschlachten, hierzulande verschleudert und vergeudet, angebracht werden. Nicht nur die Teilnahme viel zu vieler Amateur-Mannschaften und die daraus resultierenden Erstrunden-Duelle (Salzburg, Austria, Ried und Rapid hatten Amateur-Teams zugelost bekommen) zerstört dieses Erlebnis, diese potentielle Volksfeststimmung am Dorf, wenn ein echter Großer daherkommt - auch die völlig unzureichende Präsentation samt Bewerbung trägt zur Wurschtigkeit bei. Dabei bringen sechs Cup-Siege einen Europa-Cup-Startplatz, sogar einen in der letzten Quali-Runde.

Wer da nicht investiert, ist eigentlich doof.

Und dieses Investment getrauen sich mittlerweile schon mehrere Menschen deutlich einzumahnen.
Wenn man weiß, wie klamm die Sport-TV-Stationen sind (egal ob Abo-TV oder öffentlich-rechtliche Anstalt) ahnt man, dass sich da so schnell nix großartig ändern wird.

Andererseits: auch das PT Publikum gibt ja nichts auf den ÖFB-Cup. Die Zuschauerzahlen - eine Schande.

Mich hat es trotz alledem am Freitag nach Floridsdorf und am Samstag nach Hütteldorf getrieben, und es waren wunderschöne Ausflüge. Der eine war rechtzeitig vor dem bösen Hagel-Unwetter fertig, der andere war nicht - wie befürchtet - geschoben, sondern ein echter Schlagabtausch. Und so hatte dieses Fußball-Wochenende dann nicht nur DFB-Cup und den Start der englischen Meisterschaft via Flimmerkiste, sondern auch das gute Gefühl, wieder einmal den ländlichen Duft des Fußballrasens im Tornister. Denn ländlich geht es am FAC-Platz sowieso zu, obwohl der nicht so weit vom Floridsdorfer Zentrum liegt; und das hat nichts mit den fast weltmännisch auftretenden Gästen aus Kapfenberg zu tun. Und irgendwie ländlich ist auch die Stimmung beim Aufeinandertreffen von Rapid mit den eigenen Amateuren - Regionalliga-Flair, samt holpriger Opa-Ansagen der RL-Platzsprechers, samt Leberkäs-Stimmung.

FAC - Kapfenberg 1:2

750 waren es in Floridsdorf, darunter etwa 10 Ultras, die schöne Choräle eingeübt hatten. Mit "Wir hassen alle Dornbacher Bobos, wir sind ja nur asoziale Floridsdorfer Prolos!" sang man sich schon für die Regionalliga ein, "Unser Vater ist nicht unser Cousin!" hatte man für die Gäste aus der Provinz ausgepackt. Die Kapfenberger hatten auch einen Kleinbus an Fans mitgebracht, die sich dann auch bekannten, keine "oaschwoamen Wiener" zu sein. Wohlgemerkt: die Gesänge schafften es kaum über den Platz, ich hab sie nur durch einen Positionswechsel in der Halbzeit mitbekommen. Und zwischen Floridsdorfer Ordnern und Kapfenberger Fans gab es schon vor spielende Verbrüderungs-Szenen.

Sportlich war der Klassenunterschied einfach zu hoch, ein Tormannfehler in der 1. Minute brachte, rein psychologisch, schon die Entscheidung. Immer wenn der FAC drohte näherzukommen, legte der KSV einen Zahn zu.
Taktisch war's interessant.
Christian Prosenik ließ den FAC mit einem 4-2-3-1 von der Leine, stellte dann auf ein 4-4-2 um, und riskierte dann in der Schlußphase ein hochoffensives 3-5-2, mit Verteidiger Sascha Laschet als Prellbock vornedrin.
Gregoritsch Kapfenberger begannen mit einem 4-3-3, stellten in der 2. Halbzeit auf ein 4-4-2 um und griffen in der Schluß-Phase wieder auf das 4-3-3 zurück.

Dazu braucht es durchaus intelligente Spieler.

Beim KSV waren die vor allem in der linken Achse mit Umut Kocin, dem neuen Türken, Dieter Elsneg und vorne Max Felfernig zu finden. Gemeinsam mit der Innenverteidigung (Taboga-Fukal), der feinen Technik von David Sencar und dem unglaublich begabten Dani Alar in der Spitze reichte das um dem Gegner das Spiel aufzuzwingen.

Beim FAC waren das einige Rapid-Leihgaben: Sakic, Cem Tosun, der schlacksige Terzic, der als hängende Spitze falsch eingesetzte Michel Sandic (das ist ein 8er, kein 10er...) und nach der Pause dann der junge Dominik Hofbauer. Dazu die beiden langen Stürmer Frank und Freiberger - so schlecht sah das nicht aus.

Publikums-Liebling ist aber ein anderer: Christian Leuchtmann, die Zniachtl-Ausgabe von Pierluigi Collina: Glatze, stechender Blick aus groß aufgerissenen Augen.

Wegen solcher Brieskicker, wegen der Tombola und auch wegen Kassiererinnen, die lautstark den Türstehern Bescheid geben, dass man passieren darf, geht man gern auf den familiären Fußball-Platz ohne den Ehrgeiz ein Stadion werden zu wollen. Dafür ist der Cup eben da.

Rapid Amateure - Rapid 2:5

Irgendwie war auch das Hanappi-Stadion familiärer als sonst. Wohl auch weil da die zweite gegen die erste Mannschaft spielte, weil kein einziger blöder Spruch, kein einziges böses Wort fiel, war das ein einmaliger Frühabend in der Rapid-Geschichte.

Es gab auch einige Rückschlüsse für die Mannschaft, die sich demnächst mit Aston Villa matchen muss.

Etwa, dass es mit Fix und Foxi international nicht klappen kann, wenn man schon gegen den eigenen Nachwuchs so schlecht aussieht.
Beide Gegentore fielen nach Cornern, durch Holzmeier und Lebedev, den Weißrussen, die an diesem Tag besten Innenverteidiger am Platz, die die gegnerische Abwehr fest zum Schwimmen brachten.

Oder dass es keine sehr schlaue Idee ist, seine Lücke auf der rechten Angriffseite dadurch bewusst noch stärker aufzureißen, indem man den Amateuren einen linken Wühler wie Christopher Drazan ausborgt. Genauso wie Adthe Nuhiu herzuschenken - beide darf man dann im Bewerb nämlich nimmer einsetzen (was nicht nur bei einem Jelavic-Verkauf doof wäre). Aber wer will auch hier sowas wie weise Vorraussicht erwarten - in einem Bewerb, in dem niemand auch nur einen Millimeter in die Zukunft denkt.

Watch out for Konstantin Kerschbaumer

Neben den eh schon amtsbekannten Nachwuchs-Nationalspielern Jelenko und Luxbacher war vor allem Konstantin Kerschbaumer beeindruckend. Der 18jährige Tullner führte praktisch alle Standard-Situationen, Freistöße wie Corner, aus - und fiel gegenüber seinem Pendant, Fußballgott Hofmann, nicht wirklich ab. Der letzte Typ, der mir vor zwei Jahren im Cup bei den Rapid-Amateuren aufgefallen war, hieß übrigens Yasin Pehlivan.

Interessant, dass Andi Reisinger die Amateure zwar im eigentlich selben 4-4-2 wie die große Mannschaft aufstellt, dieses System aber sinnvoll intepretiert.
Denn während die große Rapid-Mannschaft (in Abwesenheit des in Birmingham auf der Tribüne beobachtenenden Pter Pacult von Leopold Rotter gemanagt) ein Riesenloch im Mittelfeld produzierte (die beiden defensiven Mittelfeldspieler Pehlivan und Hinum standen viel zu tief) und so eine Art 6-0-4 hinstellte, interpretierten Luxbacher und Kerschbaumer die beiden 6er-Positionen so wie man das heute eben muss.

Aufgrund der strategischen Überlegenheit der Rapid Amateure (angesichts der Pacult/Rotter-Steinzeit-Auslegung kein Wunder) schafften sie es das Spiel zumindest eine Halbzeit offen zu halten; eine echte Leistung.

Und allemal sehenswert - wenn schon nicht via Live-TV oder Stream-Angebot, dann irgendwo auf einem Fußball-Platz auch in deiner Nähe. Dann auch in der 2. Runde. Die wird bald, rund um den 18./19. September stattfinden, und wieder keine Sau interessieren.