Erstellt am: 15. 8. 2010 - 14:36 Uhr
Die melancholischste Jahreszeit
Der zur Schwermut neigende Mensch wird immer und überall einen Grund zur Traurigkeit finden. Vor allem jetzt, Mitte August, wo doch so langsam die wehmütige Ahnung, dass der Sommer vielleicht seinen Höhepunkt überschritten hat, sich gar seinem Ende zuneigt, immer mehr zu Gewissheit wird.
In der Stadt bemerkt man die feinen Unterschiede nicht so. Aber auf dem Land mehren sich die Zeichen. Das Licht ist schon so herbstlich golden und um neun wird es dunkel im Badischen. Ist es abends, wenn man vom See zurück radelt nicht schon ein wenig kühl? Die Eicheln, die Schlehen, die Holunderbeeren- sind das nicht erste Herbstboten?
Christiane Rösinger
Und die Krähen krächzen schon so unverhohlen novemberig wenn sie auf den umgepflügen Stoppelfeldern nach vergessenen Halmen suchen.
Christiane Rösinger
Das soll es also nun also gewesen sein? Der Sommer war wie immer zu kurz, aber noch schmerzlicher als diese Erkenntnis ist die Frage: Habe ich das Beste draus gemacht, den Sommer in vollen Zügen genossen?
Ok: Kirschen, Erdbeeren, Himbeeren, Brombeeren, Johannisbeeren Stachelbeeren, Zwetschgen gegessen. Rebhühner und Fasane aufgestöbert, Feldhasenversammlungen gestört.
Libellen, Graureiher, Eidechsen, eine kleine Schlange gesehen. Blut an Stechmücken, Schnaken, Bremsen gespendet.
Christiane Rösinger
In brandenburgischen und badischen Seen, in der Ostsee geschwommen. Im Sand, im Kies, im Gras gelegen. Mit dem Rad im Sommerwind an wogenden Weizenfeldern entlang gefahren. Draußen gewesen, gelaufen, gefahren, gegrillt, gechillt. Das war’s.
In den Schaufenstern hängen schon langärmlige Kleider, Übergangs- Herbst und Strickjacken, Cordhosen in Dunkelgrün und Schlamm – das scheinen die Farben der Herbstsaison zu sein!
Man muss sich gut zureden: Berlin wartet, und ist es nicht manche Jahre bis Anfang September dort noch so warm, dass man baden kann? Und hat die Stadt im Herbst nicht auch schöne Seiten, wenn man wieder öfters ins Kino geht, wenn neue Platten rauskommen und die Konzertsaison beginnt?
Ist es nicht auch ein Segen, dass nun bald Schluss ist, mit dem oberflächlichen Summer-Feel-Good-Getue, mit der Festival-Hurra-Berichterstattung und dem Sommerloch?
"Das mag alles sein" sagt sich der Melancholiker, und macht sich trotzdem mit Wehmut auf das baldige Sommerende gefasst und bereitet sich auf die melancholischste Jahreszeit, den Herbst vor.