Erstellt am: 13. 8. 2010 - 17:04 Uhr
Fußball-Journal '10-39.
Nach der WM ist vor der EM-Quali, und die wird hier im Fußball-Journal 10 ungeschönt begleitet werden. Heute mit einer überrascht zur Kenntnis genommenen kleinen Verbesserung der medialen Resonanz.
Ich hatte im Vorfeld und am Spieltag selber durchaus befürchtet, es würde mir so ergehen, wie das Michael Fiala in seinem immer besser und aktiver werdenen Blog 90minuten.at bescheibt: dass ihm nämlich, ganz meischbergermäßig, das Brot aus dem Mund fällt, als er die ersten Nachlesen zum durchaus katastrophal verlaufenen Länderspiel hört, wo sich Beschönigungen der Marke "Mit Pech verloren!" einstellen.
Dazu gibt es allen Grund. Ich habe zu diesem Dauerthema erst kürzlich eine neue Klageschrift formuliert, die die Abwesenheit der zentralen Aufgabe der Medien (Analyse, Hinterfragung) im Fußball-Bereich anprangert.
Doch kein Brotsturz aus dem Mund
Und noch am Mittwoch hat sich die von mir da mitunterstellte Feigheit, diese Verhaberungs-Mentalität, diese "Wir sitzen doch alle im selben Boot"-Rücksichtelei augenscheinlich manifestiert. Ein Redakteur einer österreichischen Qualitäts-Tageszeitung hatte für eine Schweizer Qualitäts-Tageszeitung (beide Zuschreibungen beruhen auf Eigendefinition) ein wesentlich härteres und realistischeres Bild gezeichnet als jemals in einer heimischen Publikation. Vom "inhaltsleeren" Constantini war da die Rede, der sich Systemen und Auseinandersetzung verweigert. Motto: Des liest eh kana, do trau i mi!
Aber dann, im Lauf des heutigen Tages, also nach dem bloßen Abtippen von Spielablauf und personalisierten Banal-Zuweisungen, mit etwas Abstand, klingt das, was die nicht völlig vom populistischen Boulevard verotteten Printmedien so absondern, fast durchgängig nach "Trau mich doch!".
Gut, die meisten verfahren immer noch nach dem Ergebnis-Fetisch-Prinzip: Bei Niederlagen totdreschen, bei Siegen den EM-Pokal herbeihalluzinieren. Aber ein paar, und womöglich die, auf die es ankommt, weil sie immer die Trendsetter sind, berichten nach diesem Mittwochs-Testspiel endlich so, wie es sich gehört: analytisch, genau aufarbeitend, bedenkend, konstruktiv.
Konstruktive Analyse ist keine Unmöglichkeit
Frontrunner: laola1.at. Dort hat man sich die Kritik an der schwächlichen Taktik-Strategie-Analyse zu Herzen genommen und ein perfektes Szenario erschaffen, mit exakten Grafiken zur jeweiligen immer wechselnden Taktik des Spiels.
Und zwar so gut und so genau und so trreffend, dass dem einfach nichts hinzuzufügen ist.
Dazu nehmen sie den wieder einmal irrlichternden Unsinn, der auf der PK nach dem Spiel abgesondert wurde und zeigen, unabhängig vom PR-Blabla des ÖFB die tatsächlichen Schwach/Baustellen auf. Teilweise immer noch ein wenig zu freundlich, ein wenig zu bedacht dort Positiva zu finden, wo es keine gibt.
Aber, immerhin: das hier so oft verwendete Wort von der Abwesenheit eines klaren Konzepts kommt nicht nur vor, es ist auch Dreh- und Angelpunkt der Kritik.
Dazu finden sich auch in der Mainstream-Analyserln Begriffe, die der Boulevard bislang mit Mundspülungen bestraft hat: So wird sogar eine Philosophie eingefordert.
Anti-Beschönigung
Das hat mit dem Gegner zu tun: die Schweiz funktioniert so offensichtlich so gut (also: weit über den Möglichkeiten dieser kleinen Fußball-Nation) weil sie über sowas wie ein klares, langfristiges Konzept verfügt, dass es auch die Dümmsten nicht übersehen können.
Im Standard gibt es zwar keine Netzwerk-Analyse mehr (wohl eine Budgetfrage, die Medienkrise und so), dafür eine Nachbetrachtung, die ebenso wie die vom One-Man-Team der Wiener Zeitung oder die des sowieso tendenziell infragestellenden Kurier dem entspricht, was ich als Standard ansehen würde.
Und wenn die Presse sich da wieder in schnarchigen Personal-Fragen verliert (was leider auch der sonst auf einem anderen Level agierenden OÖN passiert ist - dann ist das innerhalb dieses Mainstream-Chorals verschmerzbar.
Und überall findet sich eben nichts, was zum Brot-aus-dem-Mund-fallen Anlass gibt: Keine Beschönigung, die angesichts der Ausreden, die die Offiziellen und ihre Lobbyisten und andere auf virtuellen Payrolls befindlichen Liebdiener vortragen, zur Verfügung stehen würden. Von wegen Elfer und Ur-Pech und überhaupt.
Alles in Frage stellen heißt Nichts in Frage stellen
Dort, wo der Journalismus des Landes ein kleines Schrittchen gemacht hat (um Simon Rosner zu zitieren: er war nicht groß; und vor allem: vom Nullpunkt aus), dort begreift der ÖFB natürlich nichts.
Präsident Windtner etwa spricht in diesem Interview davon, dass er nach diesem missglückten Test keineswegs "alles in Frage stellen" würde.
Aha.
Alles.
Was alles?
Es gibt nichts. Nichts.
Kein System (findet der Teamchef blöd).
Kein Konzept (macht nur Arbeit).
Keine Philososphie (finden alle blöd, auch Zsak und Peischl, die das erst bei Wikipedia nachschlagen müssten; was daran scheitert, dass sie das nicht kennen).
Keine vorab ausgemachten Elferschützen (macht auch nur Arbeit).
Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen.
Und weil Nichts das Gegenteil von Alles ist, lässt sich diese Forderung auch so leicht umsetzen.
Noch Protokoll-Lesen und dann schön schlafen gehn!
Die mediale Lage der Fußball-Berichterstattung zu verbessern, dazu ist eine Stete-Tropfen-Strategie, die die Betreffenden bei ihrer Ehre packt, imstande. Das gesamte Szenario zu verbessern, dessen Mangelwirtschaft von ganz wesentlichen Playern ja so gewollt wird weil sie Eigeninteressen forciert, dazu ist allerdings weitaus mehr nötig. Eine kollektive Kraftanstrengung.
Ich für meinen Teil werde mir dann meine Protokolle durchlesen und bald schlafen gehen.