Erstellt am: 11. 8. 2010 - 17:25 Uhr
Fußball-Journal '10-38.
Nach der WM ist wieder Fußball-Alltag, der hier im Fußball-Journal 10 ungeschönt abgebildet wird. Heute mit dem U21-Team und der heimischen Nationalmannschaft, beide Spiele auch hier in einem Live-Ticker.
Nachdem am Spielabend selber die jeweils neuen Einträge immer oben zu finden waren, präsentiert sich dieses Log jetzt, im Nachhinein, in seiner tatsächlichen zeitlichen Abfolge.
Die Klagenfurter Agenda
Immerhin: eine gute Woche nachdem Teamchef Constantini es anläßlich der Kader-Nominierung und der uneingeschränkten Aufnahme-Bereitschaft der Medien nicht geschafft hatte, die Agenda zu setzen, die ihm aktuell unter den Nägeln brennt, ist es jetzt endlich, nachdem man ihm etwas unter die Arme gegriffen hat, gelungen. Und ja, das Thema wird auch ernstgenommen.
Kein Wunder: diese Forderung nach mehr Zeit für Vorbereitung, mehr Sorgfalt, mehr und besser koordinierten terminen ist das erste Anzeichen von Arbeit, das man beim bislang eher hobbyistisch aufgetretenem Chef-Coach konstatieren kann. Und damit auch die erste Formulierung eines ernsthaftes Anliegens, wo bislang nur flapsiger Populismus und fahrlässige Personal-Unpolitik zu erleben waren. In Kombination mit sowas wie offensiver Fortbildungs-Politik sind das fast schon revolutionäre Töne.
Ein doppelten Apropos, von wegen Schweiz und auch ÖFB-Strippenzieher.
Aktuell ist wieder die Geschichte um den ÖFB-Präsidenten Windtner aufgepoppt, der (noch als OÖ-Landeschef) für das Teamchef-Engagement von Roy Hodgson lobbyiert hatte, das Rennen aber gegen den damaligen Liga-Chef verlor, der unbedingt Hans Krankl durchsetzen wollte. Dieser Liga-Chef war übrigens Frank Stronach.
Natürlich ist derlei nicht auf Constantinis Mist gewachsen, sondern von den ÖFB-Fädenziehern im Hintergrund ausgedealt - aber immerhin stäubt sich der Tiroler nicht mehr gegen alles, was über Schilehrer-Laissez-Faire-Schmäh hinausgeht.
Die Ausgangs-Position
Vor diesem Hintergrund finden heute abend zwei Spiele statt: das erste zukunftsweisend wichtig und unübertragen, das zweite ein Testlauf und primetimetrunken.
Die diesmal etwas aufgefettetere U21 spielt um die Qualifikation für die EM 2011 und könnte sich mit einem Sieg über Belarus (also Weißrussland) einen guten Schritt weiterbringen.
Noch wichtiger wird aber ein Punktegewinn am 7. Oktober in Schottland, wo gleichzeitig aber das EM-Quali-Spiel der Großen gegen Kazachstan stattfindet und sich die Abstellungen der U21-Spielberechtigten dann womöglich wieder in Grenzen halten werden. Und Andreas Herzog-Interview wird wieder saure Miene zum bösen Spiel machen.
Absolviert man diese Aufgabe wartet ein Play-Off-Spiel als letzte Schleuse vor der acht Teams EM in Dänemark. Und die besten drei der im März 2011 stattfindenden EM-Endrunde sind dann bei Olympia 2012. Eigentlich illusorisch, aber, wow, was für ein Ziel!
Hier ein sehr schönes Summary (samt Spieler-Statistik) zum aktuellen Stand des ÖFB-Teams also den Früchten der Arbeit von Constantini.
Das österreichische Unter 21-Team beginnt um 19 Uhr im Paschinger Waldstadion, und wir können uns per Live-Ticker vorstellen was dort passiert.
Das Klagenfurter Spiel gegen Hitzfelds Nati gibt's ab 20 Uhr auf SF 2 und ab 20.15 in ORF 1.
Das Pflichtspiel zum Tag
Österreichs U21 tritt so an: im Tor Heinz Lindner (1, Austria); Fabian Koch (Wacker, 14) rechts in der Abwehr, Kapitän Margreitter (4, Austria) und Ramsebner (5, Magna) im Zentrum und Christopher Dibon (3, Admira) links. Im Mittelfeld zentral defensiv Pehlivan (6, Rapid), vor ihm Alex Grünwald (8, Magna) und David Alaba (7, Bayern) in offensiven Halbpositionen; rechter Flügel ist Arnautovic (10, Werder) linker Guido Burgstaller (20, Magna), Nuhiu (9, Rapid) gibt einen echten Mittelstürmer.
Das macht ein 4-1-4-1, ganz schon neumodisch-gewagt für ein ÖFB-Team.
Da Andreas Herzog auf Tanju Kayhan (Rapid) verzichtet, und auch sonst kein ausgebildeter Außenverteidiger im Kader ist, wird die ÖFB-Unsitte diese im modernen Fußball so bedeutende Position mit irgendwelchen kurzfristig umgeschulten Kickern zu besetzen, auch heute prolongiert. Dibon etwa spielt bei der Admira im Abwehrzentrum, ebenso wie Piermayr oder Seidl, die auch schon auf dieser Position aushelfen mussten.
Leute die es könnten, wie Hadzic, Pürcher oder Marcel Holzmann, wurde nie gefördert. Holzmann spielt aktuell Linksverteidiger bei den Bayern Amateuren.
Veli Kavlak ist verletzt, Christopher Drazan sitzt ebenso wie Andreas Weimann (Villa), Patrick Salomon (Austria) oder Julius Perstaller auf der Bank.
U21spielberechtigt sind auch Dragovic und Baumgartlinger von der Austria und Neo-Salzburger Jatntscher (alle beim A-Team) und Beichler (Hertha, verletzt). Nicht einberufen: Haris Bukva (Sturm), Prutsch von Livorno.
Der Gegner aus Weißrussland hat sich mit einigen Trainingslehrgängen recht konkret auf das Quali-Turnier, das die österreichische U21 eher mit links angeht, eingegroovt.
Was der Live-Ticker, also die stille Post, so sagt:
In den ersten Minuten des Spiels im Waldstadion vor über 4000 Zuschauern ist außer einer gewissen österreichischen Feldüberlegenheit nichts vermeldenswert.
Dann, im Verlauf der 1. Hälfte doch ein paar Chancen für Österreich, das hinten sicher steht.
Dann ein Tripleschlag:
30. Minute, 1:0 für Österreich durch Nuhiu nach Freistoßflanke von Arnautovic.
Einen Angriff nach Wiederanpfiff der zweite Treffer - der Ausgleich, ein unhaltbarer Weitschuß von Kapitän Sivakov, dem einzigen Legionär (bei Cagliari, zuletzt an Piacenza ausgeliehen) der Weißrussen.
Und wieder nur ein paar Minuten später wird Nuhiu im Strafraum umgerissen - den Strafstoß verwandelt der Werder-Schlawiner Arnautovic, 2:1. Arnautovic hat nach dem Tor gleich noch eine große Chance.
Dann, knapp vor der Halbzeit: Corner durch Grünwald, Tormann-Fehler, Abstauber Nuhiu, 3:1.
Das macht sich schon besser.
In der 2. Halbzeit haben die jungen Österreicher den Gegner im Griff, Arnautovic wieder mit Chancen.
Weimann kommt in der 62. für Nuhiu, wenig später dann auch Drazan für Burgstaller.
In der 75. Minute gibt es den Anschlußtreffer, auch nach einem Standard, wie alle Tore im Spiel.
Direkt danach bringt Herzog Salomon für Arnautovic - was nur aussagen kann, dass er das Spiel für gewonnen erklärt; weil man sich ja sonst nicht seines unberechenbarsten Spielers entledigt. Offizieller Grund: die Ordnung in der Offensive fehlte.
Weißrussland drängt und kommt zu Chancen, eine Zitterpartie wird das...
90.Minute: Freistoß, Rekish schießt, der Ball ist drinnen, 3:3.
Und dann ist auch das Spiel aus.
So aus der Distanz maße ich mir kein Urteil an.
Die Umstände allerdings (fast zeitgleiches Spiel der U21 und des A-Teams, dadurch auch keine TV-Übertragung, träge und unzureichende Freistellungs-Politik, Null-Kommunikation zwischen U21 und A-Teamleitung, seltsame Aufstellungen und Wechsel...) geben zu denken.
Beach-Fußball in Klagenfurt
Während der U21-Ernst noch läuft, geht der Kärntner Spaß schon los: Österreichs A-Team steht der Schweiz gegenüber. Und das mit einer teilweise wirklich überraschenden Aufstellung.
Nicht so sehr hinten: Gratzei (1, Sturm) im Tor; Ekrem Dag (8, Besiktas) rechts, Prödl (15, Werder) und Pogatetz (4, Hannover) zentral und der heutige Kapitän Christian Fuchs (5, Mainz) links.
Dafür aber im Mittelfeld: da agiert Constantini mit einer Doppel-Sechs, die sich keiner der Clubtrainer mehr trauen würde: Baumgartlinger (14, Austria), halbrechts und Schiemer (3, Salzburg) halblinks.
Patrick Wolf (22, Magna) spielt rechts offensiv, Jantscher (10, Salzburg) links und Junuzovic (16, Austria) zentral. Einzige echte Spitze ist Hoffer (9, Lautern).
Das ist ein 4-2-3-1, aber ein aussagekräftiges, eines das laut "Ich hab's nicht kapiert!" schreit. Denn zb die Austria kommt ohne einen zusätzlichen Schiemer aus und traut sich mit einer Art 4-1-3-2 über zwei Spitzen drüber.
Dazu fehlt Constantini der Mut - er pacultet lieber mit zwei strikt Defensiven herum, die wohl auch Mittellinien-Überquerungsverbot bekommen. Das ist wirklich mickrig und auch weit hinterdrein. Der spielerisch starke Baumgartlinger als hinterster Sechser würde (vorausgesetzt das Team bekommt eine gesamttaktische Vorgabe...) genügen.
Auf der Bank (anstatt die U21 zu festigen) Aleks Dragovic, Ümit Korkmaz (angeblich nicht fit) und Martin Harnik, den man in der Anfangs-Formation erwartet hat. Janko ist verletzt, Macho und Gspurning sind angeschlagen.
Die Schweiz spielt mit Benaglio (1); Lichtsteiner (2), Affolter (3), der neue, erst 19jährige von Young Boys Bern, Grichting (13), der junge Reto Ziegler (17); defensiv im Mittelfeld Pirmin Schwegler (6), ja, der kleine Bruder des Salzburger Christian und Kapitän Gökhan Inler (8); offensiv rechts Shaqiri (23), links offensiv Valentin Stocker (20), der Neue vom FC Basel. Vorne Altfuß Hakan Yakin (10) leicht hinter Derdiyok (19). Das ist eine Mischung aus Legionären und FCB/YB-Spielern, die an die CL-Tür klopfen.
Also wieder und wie immer ihr 4-4-2, in der vorsichtigeren Variante wie schon bei der WM. Allerdings sind die 6er von Ottmar Hitzfeld (vor allem Inler) tatsächliche Antreiber und keine reinen Ausputzer wie Schiemer. Nur Ersatz heute: Gelson (auch so ein grandioser 6er neuer Prägung).
Die Schweiz muss sich nach etlichen Rücktritten und einigen Verletzungen neu sortieren, hat aber ein Reservoir zum Fingerschlecken.
Die 1. Halbzeit
Am Samstag ist das Stadion wieder in Betreib, für eine Doppel-Veranstaltung im ÖFB-Cup: um 16 Uhr spielt der SAK Klagenfurt gegen WAC/St. Andrä, ab 19 Uhr dann die neuformierte SG SK Austria Klagenfurt gegen den LASK.
Ausverkauft ist die Pleitebanken-Arena in Klagenfurt bei weitem nicht (18.000, solala), die Voraussetzungen (Wetter, Rasen) erstklassig, Schiedsrichter Perez aus dem Land des Weltmeisters, die Schweizer spielen in weiß, die Österreicher in Rot-Weiß.
Und es sind die Schweizer, die so agieren, als wären sie im Heimstadion: selbstsicher und offensiv, mit Flügelspiel und Druck aus der Mittelfeld-Zentrale; und einigen Halbchancen.
In der 10. Minute beweisen Fuchs und Pogatetz, dass sie Standard-Situationen geübt haben - sowohl ein weiter flacher Freistoß-Cross als auch ein Corner finden den Kopf des Hannover-Torstehers und sorgen für Gefahr.
Eine Minute später legt Hoffer, der nach dem Pogatetz-Kopfball noch gefährlich abfälschte, nach einem seiner schnellen Solo-Konterläufe für Wolf auf - der vergibt.
Auf die Standards und die Konter scheint es die ÖFB-Auswahl angelegt zu haben. Eh schön - aber ob man das gegen Kazachstan daheim wirklich so brauchen wird?
In der 13. Minute vernudeln Stocker und Yakin im Gewirr zwei Hunderprozentige. Hinten schwimmt alles ordentlich.
Österreichs Problem: die beiden Sechser sind zu defensiv arrangiert: Schiemer und Baumgartlinger laufen bei Ballbesitz der Schweizer im Defensiv-Verbund mit, dürfen aber bei eigenem Ballbesitz nix Offensives unternehmen (das ist eine alte Constantini-Krankheit, wir erinnern uns an seine verbalen Prügel als Scharner im Türkei-Spiel was nach vorne probieren wollte) - so gibt man das Mittelfeld letztlich preis. Angriffe werden nur über die Flügel geführt und von den Schweizern zumeist geblockt.
Hiobs-Botschaft von der Pflicht-Front: nur eion 3:3 zwischen Österreich und Weißrussland; jetzt ist man von den anderen (Schotten und Weißrussen) abhängig.
23. Minute toller Kopfball von Derdiyok nach Stocker-Cross, großartige Abwehr von Gratzei.
In der 25. Minute rettet Gratzei als ihm Yakin allein gegenübersteht.
Strategische Welten...
...liegen zwischen diesen Teams.
Die Schweizer Philosophie wurde übrigens von Roy Hodgson eingeführt und bis heute sowohl von den Nationalmannschaften bis runter zur Jugend als auch von den meisten Club-Teams umgesetzt. Mit deutlichen Erfolgen.
Die Schweiz ist toporganisiert, da weiß jeder Mann auf jeder Position (auch wenn er sie nur provisorisch oderr grade zufällig einnimmt) was er zu tun hat. Was auch mit der jahrelang eingeimpften Philosophie, dem jahrelang geübten System zu tun hat.
Österreich ist wieder einmal irgendwie zusammengewürfelt, die Formationen greifen nicht ineinander, das Mittelfeld nimmt weder Abwehr - noch Angriffs-Aufgaben so wahr, wie das im modernen Fußball nötig ist.
Das Problem: keine Philsopohie, kein System und auch kein Wissen um Möglichkeiten, nur taktische Hilflosigkeit, ein Sich-Verlassen-auf-Zufälle; das Constantini-"System", die Parodie auf ein System eben.
Mit modernem Fußball hat das, was der Trainer-Populist da hinbstellt soviel zu tun wie das,was Polit-Populisten von sich geben mit effizienter Politik. Bloß: der Trainer-Populust ist an der Macht, die Polit-Populisten grunzen nur aus der oppositionellen Distanz.
Dass die Schweizer zurecht drüber lachen, wie man Fußball in Kärnten instrumentalisiert, wird auch erst durch den Distanz-Blick klarer.
Obwohl, in Kärnten wäre das ja... anderes Thema, bitte...
Das Problem hinter dem Problem: sowohl Zuschauer als auch Medien und "Experten" sind so schlecht (aus)gebildet, dass sie das hier deutlich zu erkennende Versagen der Vergeber, der Nicht-Strategen, der Un-Coaches nicht an seiner Wurzel festmachen können, sondern halt den immerselben Blödsinn wiederholen, den sie von den Vorfahren übernommen haben: Personal-Gebrabbel ist die Folge. Es würde an der "Form" des einen oder anderen liegen, "die Abwehr" hätte ein Problem.
Das ist natürlich fatal. In einer solchen Umgebung von Total-Ignoranz und schon fast an Blindheit gemahnendes Nichts-Sehen im Spiel werden sich Uncoaches und Nicht-Provider weiter aus sonstwas oder sonstwen ausreden können.
38. Minute: wieder rennt Stocker links auf und davon. Und wieder ist der Fehler nicht an der Seite, sondern am Nichtstun davor, also im Mittelfeld, festzumachen. Baumgartlinger-Schiemer sind wie mit einem unsichtbaren Band an die Abwehr gefesselt - Constantinis 4-2-3-1 ist in Wahrheit ein 6-3-1, hirnlos hingesetzt - was aber in einer fußballerischen Kultur, die Jahre hinter dem internationalen Standard herhinkt, kein Wunder ist.
Da sind auch Zufalls-Chancen wie der gut herausgespielte Schuß von Junuzovic in der 40. Minute kein Trost - das Spiel mit 40/50-Meter-Passes aus der Abwehr auf die Flügel belegt nur die Inexistenz des Mittelfelds.
Positiva zur Halbzeit:
Immerhin ist es zumeist Emanuel Pogatetz der zu den Chancen nach den Standards kommt - das zeigt die individuelle Klasse dieses Mannes, des deutlich besten Verteidigers, den Österreich hat.
Höchst positiv auch, wie Christian Fuchs bei fast allen Standards die Verantwortung übernimmt und auch gut ausführt. Da hat sich was entwickelt.
Ekrem Dag müht sich rechts (das ist eben nicht so wirklich seine Vereins-Position) ab, hat sich aber ins Spiel gebissen.
Und Erwin Jimmy Hoffer kann seine Stärken, seine trickreiche Schnelligkeit, überraschend gut ausspielen.
Und, wie immer bei seinen noch deutlich zu wenigen Einsätzen: Christian Gratzei ist gut, sicher und ruhig. Bravo.
Die 2. Halbzeit...
...bringt ein paar Wechsel.
Die Schweiz bringt Eggimann (22) für Grichting in der Innenverteidigung.
Constantini hat seinen Sündenbock gefunden: Dag auf rechts, eh klar. Statt ihm kommt Klein (17, Austria) als rechter Verteidiger.
Außerdem Korkmaz (11, Frankfurt) für Wolf -> Jantscher spielt jetzt rechts offensiv, Ümit wie gehabt linken Flügel.
Dazu Martin Harnik (19, Stuttgart) als Solo-Spitze statt Hoffer, der sich in der letzten Minute der 1. Hälfte ja verletzte.
Das heißt: Constantinis Un-System bleibt bestehen, neuen Plan B gibt es keinen - wiewohl Testspiele genau dafür doch da wären...
Es bleibt bei einem vorgeblichen 4-2-3-1, der mißverstandenen Variante dessen, was Holland oder Deutschland bei der WM brachten - es sieht aber bestenfalls nach dem aus, was dort Algerien oder Südafrika aufführten. De Facto ist es weiter ein 6-3-1, das sich auch im Offensivfall nicht bewegt. Wie auch, wenn sich das Coaching-Team genausowenig bewegt.
Und es bleibt bei der Gefahr nach Standards: guter Schiemer-Kopfball nach Corner in der 49. Minute. Oder Turbulenz nach einem Doppel-Corner in der 54./55. Minute.
Und auch wenn da optisch einiges besser ausschaut: Spielaufbau ist kaum einer zu erkennen: man begnügt sich weiter mit Konterspiel. Das aber immerhin mit Einmal-Berühren-Tricks. Daran ist Ümit schuld, der brachte diesen Vibe mit ins Spiel und steckte Juno und Jantscher an sich doch auch so wie die Schweizer am Spiel zu beteiligen.
Hitzfeld wechselt Padalino (14) für Shaqiri ein - wie immer alles im System. Dort wo es funktioniert braucht es keine Änderung.
Dort wo es keines gibt, beim ÖFB, sollte man sich endlich überwinden wenigstens zu suchen.
Ein Geschenk...
...gibt es dann vom spanischen Schiri (in der 64.) Nach keinem Foul von Affolter an Harnik pfeift Perez Elfmeter. Weil Christian Fuchs ein fairer Mann ist, schießt er Benaglio an und setzt den Rebound per Kopf an die Latte. Das ist ein feiner Zug!
Dass dann das populistische Medien-Geraune vom Kapitäns-Problem wieder losfährt ist genauso unvermeidlich wie das "Die Abwehr ist noch nicht eingespielt"-Geschwätz der 1. Halbzeit.
Beides ist weder wahr noch ein Problem.
Das sitzt alles tiefer - das anzusprechen würde aber bedeuten sich wirklich mit dem Spiel und den Strukturen dahinter auseinandersetzen zu müssen. Und da scheuen dann die Pferde.
In der Nachbetrachtung der aktuell mit so recht mitspielenden Schweiz wird die Qualität eine weitaus höhere sein. Dort sind taktische Fragen keine No-Go-Area wie hierzulande.
Ümit hat wieder seine Hippie-Frisur und spielt auch so: enthemmt.
Gefällt mir.
Und auch der tolle Baumgartklinger-Schußversuch aus dem spitzen Winkel (Benaglio fischt, 70. Minute).
71.: Constanzo (7) und Ben Khalifa (15, einer der U17-Weltmeister, neu bei Wolfsburg, mit Team-Debut) kommen für Yakin und Derdiyok.
Hitzfeld testet sie in einer schwierigen Situation.
Und Moreno Constanzo (auch einer der YB-Bubis), nachnominierte Spitze, macht mit seiner ersten Ballberührung das Tor. Und weil Klein den Ball nicht so recht trifft, ist es auch kein Offside.
Es ist wie im Spiel gegen Kroatien -
...auch da hatte es lange so ausgesehen, als würde es Österreich trotz einer echt miserablen Leistung schaffen mit einem Remis davonzukommen, was dann wieder Ausreden ohne Ende nach sich zieht und den Blick auf die Leistung stark vernebelt.
So ist es allemal besser.
75: Bunjaku (18, vom FCN, wo Rubin Okotie spielen wird) kommt für Stocker, den bis dorthin vielleicht besten Schweizer. Alles im System, wie immer.
Anders beim Gegner. Constantini "riskiert" jetzt:
Bei Österreich stehen Linz (20, Austrria) und Hölzl (13, Sturm) bereit. Und sie kommen (in der 79.) für Jantscher und Junuzovic.
Constantini geht damit auf sein steinzeitliches 4-4-2 mit den zwei (sowieso falsch verstandenen) Sechsern zurück. Korkmaz links, Hölzl rechts als echte Flügel, Harnik und Linz in der Spitze und dahinter und dazwischen klafft das übliche Riesenloch, weil ja Schiemer und Baumgartlinger nix dürfen.
In der 81. kommt der großartige Gelson für Pirmin Schwegler, von dem sich die Schweizer viel erwarten. So wie Inler sind sie alle Sechser neuer Prägung, von Coaches, die ihre Titulierung verdienen, angeleitet, moderne Spieler, an denen es in Österreich so sehr mangelt, weil es keinerlei Ausbildungs- und Anleitungs-Kultur gibt.
Harniks Technik, die zu Aktionen wie seinem Außenstangen-Schuß (83.) führt, ist ihm, nur um da gleich anzuschließen, in Deutschland gelehrt worden.
Ein schönes Symbol für die heutige Darbietung...
...ist der Platzverweis für Franz Wohlfahrt, den Nebenerwerbs-Tormanntrainer im Nebenerwerbs-Coaching-Team des ÖFB. In der 85. Minute, in einem Freundschaftsspiel - um halt auch erwähnt zu werden, damit er die PR kriegt, wegen der er diesen Job ja angenommen hat.
Auch schön: das Kommentatoren-Gejammer über Pech und Verletzungen, das das heute offensichtliche eklatante Versagen des Coaching-Teams kaschieren soll. Es gibt da diesen unsichtbaren Deal zwischen Medien und dem Objekt der Berichterstattung: echte Kritik ist da verboten.
Rein sportlich ist es in der Schlußphase so, dass die Schweiz jetzt absichert, im Bewußtsein riesenhafter strategischer Überlegenheit, in der Gewißheit eines Volrsprungs was Philosophie, Systemkenntnis und modernes Spielverständnis betrifft.
Gratzei rettet in der 88. noch einmal bei einem Constanzo-Kopfball nach einem Angriff wie ihn die Österreicher in der 1. Halbzeit ein paarmal probiert hatten. Konterspiel bei Führung eben, halt falsch angewandt, wie so gut wie alles, was da taktisch rüberkommt beim ÖFB-Team.
Man kann jetzt natürlich einwenden, dass die heutige Partie für die beiden ersten Spiele gegen Kazachstan und Azerbeidjan keinerlei Belang hat. Aber auch das ist nur eine bittere Ausrede.
Was bleibt?
Die Erkenntnis, dass die U21 einfach zu vielen zu egal ist. Und wo keine Manpower, keine Infrastruktur dahintersteht, kann auch nix rauskommen. Das Heim-Remis gegen Weißrussland macht die Quali für die EM schon sehr unwahrscheinlich.
Und die Erkenntnis, dass ein Coaching-Team das international übliche Systeme nicht versteht und dann verkehrt umsetzt, selbstverständlich keinen Erfolg haben kann.
Sowohl das nominelle 4-2-3-1, das aufgrund Constantinis Nicht-kapieren der Rolle der modernen Sechser bloß ein 6-3-1 war, als auch das in der Schlußphase als Plan B rausgeholte Steinzeit-4-4-2 der Marke Schachner (= Italien der 80er), sind international selbstverständlich ungeeignet.
Das nämlicher Prohaska, früher einmal ein Experte, heute nur noch "Experte", meint, gegen Kazachstan und Azerbeidjan würde auch eine uneingspielte Mannschaft "reichen", spricht für sich, und die unsägliche Einstellung der heimischen Fußball-Nomenklatura.
Weil jegliches Wissen, jegliche Philosophie und jeglicher Wille zur seriösen Beschäftigung mit der Fußball-Gegenwart fehlt, weil die ÖFB-Coaches (wie die Experten und die willfährigen Medien) immer noch im 20. Jahrhundert feststecken, weil sich dann Prohaska wieder auf den Mythos der "dummen Fehler" ausredet, ist der Weg in die EM-Quali wie der Abstieg in eine dunkle Höhle ohne Seile und Licht (die man hierzulande für überflüssig, blöd oder womöglich schwul hält, weils sowas ja "früher" nicht gegeben hätte...).
Tragisch ist außerdem, dass die Spieler selber glauben "eine gute Leistung" geboten zu haben. Weil sie keinen haben, der mit ihnen das Spiel aufarbeitet (denn sowas ist im ÖFB nicht üblich), wird das auch so bleiben; und sie werden nix draus lernen. Auch weil der denselben Unfug daherredet und an "Pech" glaubt und wegen des Elfers herumjammert. Das ist keine Analyse, sondern nur Gerede.
Ist das, was also bleibt, also das blanke Nichts?
Schon irgendwie.