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Trishes

Beats, Breaks und Tribe Vibes - oder auch: HipHop, Soul und staubige Vinyl-Schätze.

8. 8. 2010 - 14:02

Irgendwo zwischen

Das Experiment, die Kinderzimmer Productions mit großem Streichorchester zu verabschieden, ist geglückt. Das Resultat: Eine denkwürdige "FM4 Radio Session" mit vielen Standing Ovations.

Fotos: Christian Stipkovits

Wenn sich die sogenannte E- und die sogenannte U-Musik zur Zusammenarbeit treffen, bleibt nicht selten ein schaler Nachgeschmack zurück. Zu offensichtlich ist da manchmal die am Reißbrett ausgetüftelte Zielgruppenmultiplikation, zu voreilend der Gehorsam der Arrangeure, die den Pop so orchestrieren, wie sie glauben, dass er das will: Bombastisch und slick.

* Ein (weiterer) Beweis dafür zum Nachhören.

Zwei Probleme, die die Zusammenarbeit zwischen dem schwer sympathischen* deutschen HipHop-Duo Kinderzimmer Productions und dem Wiener Radio Symphonie Orchester schon einmal nicht behindern sollten. Entstanden war das große Vorhaben nämlich nicht beim Marketingmeeting, sondern aus einer Art Wette heraus: Weil Kinderzimmer-MC Textor nach dem offiziellen Abschiedskonzert der Band in Dortmund keine Lust auf mehr Gigs hatte, forderte er FM4s Bookingmann Michel Attia heraus, ihm ein "großes Orchester" auf die Bühne zu stellen - dann würde er sich das mit einem finalen Wien-Konzert nochmal überlegen.

Textor, Bass und Partitur

Christian Stipkovits

Michels Hartnäckigkeit unterschätzte er dabei ebenso wie den Kooperationwillen des RSO. Der klassisch studierte Kontrabassist dachte sich eine bewusst übergroße Besetzung aus, die seiner Hoffnung nach in Kombination mit dem ewig vollen Terminkalender der Orchestermusiker/innen wohl endgültig zum Stolperstein für das Projekt werden würde. Aber nichts da: Als schließlich zwei Tage im August für Proben und Konzert frei gemacht waren, blieb Textor fast nichts anderes übrig, als zum Notationsprogramm zu schreiten und sich quer durch den eigenen Katalog zu arrangieren.

Das erste Zusammentreffen zwischen den zwei Welten HipHop und Orchester kommentierte "das T" freitags mit einem: "Wir kommen in Frieden!". Nur um nachzuschicken, dass man den Ausgang dieses musikalischen Experiments angesichts von eineinhalb Probetagen und nur drei kompletten Durchläufen "sportlich" sehen müsse.

Kinderzimmer Productions & RSO in der Totalen

Christian Stipkovits

Die Nervosität war auch am Anfang der "Radio Session" vor vollbesetztem Radiokulturhaus noch eindeutig zu spüren. Der unnachgiebig-vertrackte Drumloop aus dem Computer und die Musiker/innen an Streich-, Blas- und Schlaginstrumenten brauchten ein paar Takte, um den gemeinsamen Groove zu finden. Und der sonst so eloquente Textor sagte außerhalb seiner Verse erstmal überhaupt nichts.

Textor rappt und zupft den Kontrabass

Christian Stipkovits

Nach zwei, drei Nummern war das Eis aber gebrochen - und dann lief das Ding wie geschmiert: Bei ewigen Highlights wie "I Got A Right To Sing The Blues" verschmolzen Live-Schlagzeug, Samples, Orchester und Rap plötzlich zu einer so stimmigen Einheit, als wäre das nie anders gewesen. Nur dass fast 70 gleichzeitig gespielte Instrumente eben doch einen ganz anderen Klangkörper und auch Schalldruck entwickeln, als das Beats vom Plattenspieler könnten. Und auch die gefinkelt synkopierten Off Beats von "Nur mal probieren", die bei der Probe noch Schwierigkeiten bereitet hatten, funktionierten plötzlich zu 99% reibungslos.

DJ Quasi Modo umringt von Musiker/innen

Christian Stipkovits

Die Songauswahl war ziemlich genau das Gegenteil eines Greatest Hits-Programms, stattdessen gab es bei Konzerten selten bis nie gehörte Songs wie "Nächste Station" oder überhaupt komplette Premieren: Textors nächste Karriere als bissiger Chansonier ist nämlich schon auf Schiene. Im Zugabenblock wurden mit "Mikrofonform" und "Wir sind da, wo oben ist" noch die vergleichsweise geläufigsten Kinderzimmer Productions Songs dieses Abends dargeboten.

Einige Standing Ovations später, als nichts (Notiertes) mehr zu Spielen übrig war, schafften es die Kinderzimmer Productions und das Radio Symphonie Orchester schließlich noch einmal, wirklich zu überraschen: Mit einigen Anweisungen von Dirigent Textor ausgestattet, spielten die Musiker/innen improvisiert los, dieser rappte darüber auf Englisch: "Fiat Uno", einen Song des Kinderzimmer Vorgängerprojekts Die 3 Rüben.

Kinderzimmer Productions bei der finalen Verbeugung

Christian Stipkovits

Ein gekonnter Kreis-Schluss am Ende einer ganz großen Karriere. Im Namen aller, die dieser eindrucksvollen finalen Abrundung mit kleinen Ecken beiwohnen durften, bleibt eigentlich nur noch ein Wort zu sagen: Danke.

Ausstrahlung

Die Radio Session mit Kinderzimmer Productions wird diesen Donnerstag (12.8.) in der FM4 Hombease (19-22 Uhr) zu hören sein. Zum Hinschauen gibt's dann auch Videomaterial vom Ausnahmekonzert.