Erstellt am: 15. 8. 2010 - 12:43 Uhr
Mit Sex und Humor von Algier bis zur Reeperbahn
Vor drei Jahren wagte ich eine apokalyptische Prognose für die verheerenden Gefahren von 3D-Druckern. Viele Damen und Herren, vereinzelt auch Zwitter hießen mich im Forum erbost einen Taugenichts. Zu sehr hatte ich mit meinen detailliert durchdachten Visionen ihre bescheidenen Horizonte strapaziert.
Heute muss man mir freilich Recht geben, alle meiner Weissagungen sind en detail eingetroffen.
Deshalb erwarte ich mehr Vertrauen, wenn ich im Folgenden eine weitere große Bedrohung erörtere, die der technische Fortschritt mit sich bringt.
Ob es ein Fortschritt ist, dass man hunderten als Freunde apostrophierten Fremden stündlich vorrülpsen kann, dass man die Großwetterlage unbehaglich findet oder sich langweilt, ist zu bezweifeln. Manche langweilen sich gar so, dass sie in soziale Netzwerke Fotos aus Tagen einspeisen, als sie dank günstiger Großwetterlage sparsam bekleidet waren, wozu ihre Chefs dann masturbieren, um sie danach zu kündigen.

j.unterberger
Hinter vorgehaltener Hand flüstern besonders kritische Geister gar, durch Kommunikations-Wichs-Tools wäre die Privatsphäre gefährdet. Da man zumeist aber selbst bestimmen kann, was man wo von sich preisgibt,
Ich lasse diesen Nebensatz einfach so stehen, den Hauptsatz könnt ihr euch bitte selbst ausdenken. Ein bisschen mehr Mitarbeit bitte, meine Herren! jimihendrix87 steht zum Beispiel auf einer Zwischennote! Er kann sich prüfen lassen oder ein Referat über Juragewässerkorrekturen halten. Was? Ein Plus ins nächste Semester mitnehmen? Das geht leider nicht, da sind mir die Hände gebunden. Ich weiß, es ist heiß draußen und ihr seid alle in Gedanken schon im Freibad, aber jetzt reißen wir uns noch ein bisschen zusammen und passen auf. Wer was zu sagen hat, passt auf, Kaugummis in den Mistkübel, Kapperln und Sonnenbrillen bitte in der Stunde runter geben.
Also, wo waren wir stehen geblieben? Genau, wir waren bei den Tücken der modernen Technik. Was man heute als Gefahr sieht, wird hinkünftig in der Retrospektive albern erscheinen. Die wirklichen Prüfungen kommen noch auf das Menschengeschlecht zu. Privatsphäre wird es bald gar nicht mehr geben. Mit der bedrohlichsten Errungenschaft der Zukunft wollen wir uns eingehender beschäftigen, es folgen die
Gefahren des Beamens
Langsam wird es Zeit, dass ein funktionstüchtiger Beamer erfunden wird. Wenn es endlich so weit ist, wird man vorerst unter lautem Protest zuerst Insekten, dann Mäuse, später auch Äffchen zu Testzwecken transportieren. Wenn diese schließlich nicht mehr dabei verenden oder entstellt am anderen Ende der gedachten Leitung erscheinen, kann man nach euphorischen Reden unzähliger Präsidenten und Nobelpreisträger den ersten Menschen durch die Geographie strahlen. Iuuuuuuuuuuuu macht es da in einem amerikanischen Footballstadion, das Auditorium reißt die Mäuler auf: Weg isser! Uiiiiiiiiii macht es schon zwei Sekunden später am anderen Ende der Welt, wo namhafte Popsänger zuvor ein Benefizkonzert für die Angehörigen der Tierversuchs-Opfer gegeben haben. Da isser! Der erste Gebeamte kommt zwar mit original Lauda-Ohren an, weil er versehentlich durch zwei Gewitter geschickt wurde, ist sonst aber unversehrt und „wahnsinnig stolz“, eine so wichtige Rolle an diesem historischen Tag gespielt zu haben.
In den nächsten Jahren wird an den Details gefeilt. Teleportationen sind nur für besonders wohlhabende Privatpersonen als Luxus-Steckenpferd leistbar. Milliardäre investieren frohen Mutes in die neue Reisemethode, um sich vom Meetings und Urlauben rasch nach Hause beamen lassen zu können.

optomo
Doch die Entwicklung tut, was sie am besten kann: Rasend voranschreiten. Schon bald stehen bei den führenden Elektrowaren-Discountern zwischen Waschmaschinen und 3D-Druckern auch erste Beamer. Der erste sogenannte Run auf die neuen Transport-Tools bricht jäh ein, da fortschrittsfeindliche Skeptiker aus Politik, Kultur, Wissenschaft und Religion mahnend darauf hinweisen, dass sich illegale Flüchtlinge schwuppdiwupp über die Grenze beamen könnten (Politik), dass der Weg das Ziel ist (Kultur), dass es noch keine Langzeitstudien über die gesundheitlichen Risiken mit einer noch nicht sehr ausgereiften Methode gibt (Wissenschaft) oder dass man die Seele nicht in Atome zerlegen kann (Religion).
Hunderte schreckliche Beamunfälle (falsche Augenfarbe, Geschlechtsumwandlung, plötzliche Zwillingsschwester) später setzt sich die Teleportation aber freilich im Alltag durch. Die Geschichte des Individualverkehrs wird um ihr revolutionärstes Kapitel erweitert. Die Erderwärmung ist endlich gestoppt, auf den Autobahnen kämpfen sich die ersten Wurzeln durch den dicken Asphalt, Flugzeuge sind höchstens für Nostalgiker interessant und das Schienennetz wird nach dem gescheiterten Versuch, es zu einer verboten öden Langstrecken-Achterbahn umzubauen, schließlich auch nicht mehr benutzt.
Die anfänglich noch sehr großen, relativ teuren und äußerst schweren Privat-Beamer schrumpfen so lange, bis Apple das neue iPhone 54 mit integriertem Beamer auf den Markt bringt. Microsoft zieht mit einem anfänglich sehr fehleranfälligen Gerät nach und muss Abermillionen an die deformierten Opfer der Software-Bugs zahlen.

dpa
Was aber vor der Einführung des Privat-Beamers zu wenig bedacht wird, sind die Gefahren. Ganz frühe Modelle kommen teilweise noch ohne die Funktion auf den Markt, dass der Beamer mitgebeamt wird, weshalb man in aller Herren und Damen Länder verzweifelte Touristen umherirren sieht, die bei Passanten einen Rücktransport schnorren wollen.
Unzählige werden in die Schuldenfalle getrieben. Die verlockende Flatrate (1000mal hin und zurück für 29,99) verleitet zum ausschweifenden Selbsttransport, wobei viele aber die hohen Roaminggebühren im Ausland unterschätzen, die pro Kilometer und Kilo abgerechnet werden.
Ältere Semester, sofern sie das neumodische Spielzeug nicht ohnehin verweigern, und Kinder verursachen durch Senilität, Unwissen und fehlende Routine grausame Unfälle oder spielen gefährliche Streiche. Elefanten werden aus dem Gehege in fremder Leute Schornsteine geschickt, Omas Kuchen versehentlich in den Spülkasten gestrahlt und das klassische Versteckspiel lässt Erziehungsberechtigte bangen, weil der Nachwuchs womöglich auf der Spitze eines Eisberg mit einem schelmischen Lächeln ob des guten Verstecks erfriert.
Das ist aber nur die Spitze des Eisbergs.
Triebtäter haben ebenso wie Bombenleger, Bankräuber oder Spione schier unbegrenzte Möglichkeiten. Stalking fängt im Schlafzimmer erst an. Die Wirtschaft bricht zusammen, weil sich jeder alles für lau ins Haus beamt, ebenso wie das Gesundheitswesen, weil sich aufgrund der Dumping-Beam-Preise nur noch besonders Engagierte in irgendeiner Form bewegen. Die Verachtung für den Nachbarn, der „sogar die hundert Meter zum Bäcker das Auto nimmt“, verlagert sich auf die Kollegin, „die sich sogar die drei Meter aufs Klo beamt.“
Kurz: Die Welt steht vor dem Abgrund. Jeder ist immer und überall. Sicherheitssysteme werden ausgeheckt, die bei gewissen Arealen und Gebäuden die Teleportation blockieren soll. Hacker sind den Sicherheitsorganen aber stets zwei Nasenlängen voraus, mit dem Nationalbank-Torrent ist man problemlos reich.
Auch der verzweifelte Versuch, Beamen nur mit Beamschein zu erlauben, scheitert ob der unzähligen schwarz hergestellten und verkauften Geräte.
Beamer würden also unser schönes Erdenrund nur kurzfristig bereichern und erst dann ihre zerstörerische Kraft entfalten. Ich rate daher vehement von der Entwicklung dieser teuflischen Geräte ab! Ich freue mich darauf, in einigen Jahren stolz auf eine Welt ohne Beamer blicken zu können und festzustellen, dass dieses Mal meine mahnenden Worte erhört wurden.