Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Buddhas am Mummelsee"

Christiane Rösinger Berlin

Ist Musikerin (Lassie Singers, Britta) und Autorin. Sie schreibt aus dem Leben der Lo-Fi Boheme.

7. 8. 2010 - 16:22

Buddhas am Mummelsee

Auch im Kalifornien Deutschlands hat sich einiges geändert und ein bisschen ist Harry Potter dran schuld. Aber Latte-Macchiato-Mütter gibt es hier wenigstens keine.

Spätestens in der ersten Augustwoche ist es dann auch genug mit dem Sommer in Berlin und Zeit, sich in die badische Sommerfrische zu verabschieden, in jenen lieblichen Landstrich zwischen Rhein und Schwarzwald, den man auch das Kalifornien Deutschlands nennt. Allerdings kann die Sommerfrische mitunter fast zu frisch ausfallen: Wenn es kühl ist und dauernd regnet, sieht sich der Urlauber gezwungen, statt des geplanten Baggersee-Hoppings sogenannte Oma-Ausflüge zu unternehmen. Das geht so: Mit dem Auto stundenlang die Schwarzwaldhochstraße lang fahren, kurz aussteigen, ein paar Schritte in Sprühregen und Hochnebel gehen, dann sofort einkehren, Kaffee und Schwarzwälder Kirschtorte bestellen und wieder nach Hause fahren.

See

Christiane Rösinger

Besonders der Mummelsee eignet sich gut für solche Ausflüge. Um den eiszeitlichen See ranken sich etliche Sagen, in denen es meistens um Nixen geht, die den Menschen Nachts Hilfe gewährten und mit ihnen tanzten, sangen und spielten. Seit den Kindheitsausflügen hat sich hier einiges verändert. Als biete der verwunschene See im tiefen Schwarzwald nicht genug Naturschönheit, hat man hier einen völlig überflüssigen Kunstpfad mit hässlichen Objekten und dummen Schautafeln installiert. Auch der Souvenirshop hat sein Angebot erweitert, statt Postkarten, Schwarzwälder Schinken, Kuckucksuhren und den typischen Bollenhüten werden jetzt Hexenpuppen in allen Größen und Farben angeboten, obwohl sie in den örtlichen Sagen gar keine Rolle spielt. Aber vielleicht hat hier ja auch Harry Potter und mit ihm das steigenden Interesse am Übersinnlichem den Hexenboom ausgelöst.

Die Abende auf dem Land sind im Vergleich zu Berlin natürlich ein wenig glanzlos, kulturell ist wenig geboten, dafür sind die Einkaufsmöglichkeiten tagsüber gut. Einheimische Frauen bringen hier ihre Freizeit nicht mit Aufmunterungskäufen bei H&m oder in Schuhgeschäften zu, sie sind eher bei Fliesenshows und in der Laminat-Abteilung der Baumärkte anzutreffen. Auch die in Berlin sprichwörtlich gewordene "Latte Macchiato-Mutter", die tagtäglich bevor und nachdem sie das Kind aus der Kita abholt, die Cafés im Prenzlauer Berg besetzt und über ihren stressigen Mutteralltag jammert, gibt es hier nicht.

Gastgarten eines Lokals mit Lampions

Christiane Rösinger

Am Baggersee hingegen, hat die Globalisierung längst zugeschlagen: Wo vorher ein schrulliges Rentnerpärchen Pommes und Eis am Stiel verkaufte, gibt es jetzt die "Mosqito-Bar": Latte Macciato, Finger Food und Chicken Wings zu Berlin-Mitte-Preisen. Man hat modernisiert, unterm Glasdach stehen Bambusmöbel, Buddhas und Giraffen, und so sitzt man in einem asiatischem Biergarten mit Blick auf den See. Wer in jungen Jahren dass Dorf verlässt um in der Stadt zu leben, möchte eigentlich, dass zu Hause alles so bleibt wie es früher war. Aber so ist das halt – die Hiergebliebenen wollen auch Veränderung.