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David Pfister

Rasierklingen, Schokolade, Zentralnervensystem, Ananas, Narzissmus und Ausgehen.

12. 8. 2010 - 15:00

Fake! Fast der größte Coup der Musikgeschichte

Mit erfundenen Identitäten als kalifornische Rapper bekamen 2002 zwei junge Schotten einen Plattenvertrag und 200.000 Euro.

Cover von Fake

Heyne

Fake von Gavin Bain ist einer Übersetzung von Björn Junker im Heyne-Verlag erschienen.

2002 sind Gavin und Bill zwei junge HipHop-Nerds und Skater aus der schottischen Kleinstadt Dundee. Die beiden rappen auf schottisch, sie sind in ihrer Heimatstadt eine kleine Legende und ihre Gigs immer gut besucht. Als man in der Zeitung von einem HipHop-Casting einer großen Plattenfirma in London liest, setzen sich die Freunde selbstbewusst in den Bus und fahren von Schottland nach London, um dann beim Casting aufgrund ihres schottischen Akzents zynisch gedemütigt zu werden: Sie seien rappende Proclaimers. Die Folge ist eine große Krise und Wut und der Gedanke sich zu rächen.

Gavin hat die Idee, die selbstgefällige Industrie mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Die beiden Rapper erfinden sich amerikanische Identitäten, üben monatelang den kalifornischen Dialekt, nehmen ihre HipHop-Demos dann noch einmal auf und nach einem halben Jahr Vorbereitung ist man bereit: Die fiktive Band Silibil 'n' Brains mit plakativem Amerika-Trottel-Image will das Königreich erobern.

Silibil 'n' Brains

Silibil 'n' Brains

Die schwarzen und khakifarbenen Tarnklamotten der Untergrund-Hip-Hop-Szene tauschten wir gegen die grellen, leuchtenden Farben des kommerziellen Rap und R&B. Dieses Outfit, sagten wir uns, war aber ausschließlich für Bühne, Branchenevents und Meetings bestimmt. Der Gedanke, die ganze Zeit so rumzulaufen, war zu schrecklich.

Der Gedanke, die ganze Zeit so rumzulaufen, war zu schrecklich.

Mit ihrer erfundenen Identität, mit der sich die schottischen Freunde inzwischen immer mehr identifizieren, dem felsenfesten Willen, alle an der Nase herumzuführen und einer eher schrecklichen Crossovermusik im Stil von Crazy Town, gelingt es der Band tatsächlich in sehr kurzer Zeit die Londoner Medienwelt zu begeistern und einen Plattenvertrag bei einer der größten Firmen zu bekommen.

„Yo, yo. Hey Meister! Yo.“ Alle hoben sie die Köpfe und begrüßten uns mit einem Lächeln. „Silibill 'n' Brains sind in diesem beschissenen Haus!“ Seltsam, wie einfach es ist, wie ein echter Rapper zu klingen, wenn man ihn eigentlich nur schamlos parodiert.

Man schickt Silibil 'n' Brains monatelang in’s Studio, schickt sie auf Support-Tour mit D12, mietet für sie eine obszön große Unterkunft, investiert schlussendlich 200.000 Euro in die Band.

Silibil 'n' Brains

Silibil 'n' Brains

Mit dem schon fast greifbaren Erfolg, kippt dann aber auch das ganze Projekt. Die zwei Schotten leben in ständiger Angst und Paranoia entlarvt zu werden. Zum Beispiel von Eminem, dem sie einmal vorgestellt werden und zuvor behauptet haben ein guter Kumpel von ihm zu sein. Alkohol und Drogen und der massive Druck der Plattenfirma reiben die Band schließlich auf, bevor noch ein Ton offiziell veröffentlicht wird.

Aber, und das ist das bizarre und tragische an der Geschichte, das Projekt Silibil 'n' Brains erleidet im Endeffekt nicht aufgrund ihrer Lügen Schiffbruch, sondern aufgrund von taktisch-kommerziellen Schachzügen ihrer Plattenfirma.

Die dramatisch-komische Geschichte des Gavin Bain und seiner Band Silibil 'n' Brains ist soeben in der Übersetzung von Björn Junker unter dem Titel "Fake" im Heyne Verlag erschienen. Manchmal stört wie wehleidig Gavin seine Lebensgeschichte klagt, aber die bizarren Fakten des Buches sind es allemal Wert, es zu lesen.

Das hat sich auch Romanautor Irvine Welsh (Trainspotting) gedacht und arbeitet momentan an einem diesbezüglichen Drehbuch.