Erstellt am: 6. 8. 2010 - 17:05 Uhr
Fußball-Journal '10-37.
Nach der WM ist wieder Fußball-Alltag, der hier im Fußball-Journal 10 ungeschönt abgebildet wird. Heute mit dem unfairen Vergleich von Europa-Cup und ÖFB-Pokal.
Zugegeben: als die Fraktion rund um Michel Platini die UEFA im Handstreich übernahm, war ich skeptisch. Zum einen, weil sich da eine Zuspitzung des alten Konflikts der beiden Cooperations, die über Gelddruck-Maschinen verfügen (die der FIFA heißt WM, eingetragene Schutzmarke - die der UEFA Champions League) anbahnte und zum anderen, weil Platini sich sein Amt mit Zugeständnissen an die kleineren Verbände verkaufte. Ersteres hätte die Abläufe verkompliziert, zweiteres birgt immer die Gefahr einer Verwässerung.
Für alle, die jetzt wieder nichts anderes als die langweilige spekulative Prozent-Rechnungen mit den Aufstiegs-Chancen der Österreicher im Kopf haben (gähn): FC Salzburg - Hapoel Tel Aviv 50/50, Austria - Aris Saloniki ebenso. Rapid hat eine 30%-Chance, Sturm eine von 15. Im übrigen ist der Ball rund.
Nichts davon ist eingetreten: Platini hat sich mit dem mächtigen Mutterschiff arrangiert und agiert trotzdem unanhängiger. Und: die leichte Justierung des internationalen Bewerbs hat sich sogar als Geniestreich herausgestellt.
Der damalige Zusammenschluss der großen Clubs, die G14 hatte das allerschlimmste befürchtet und mit Abspaltung gedroht - mittlerweile hat sich nicht nur alles in Wohlgefallen, sondern auch die G14 in die European Clubs Association aufgelöst.
Denn der neue Schlüssel für Champions League und Europa League schaffte die Quadratur des Kreises: das Zufriedenstellen praktisch aller.
Platinis Plan passt
Die Auslosung der Champions-League-Playoff-Runde und die der Europa-League.
Die drei Top-Nationen können weiterhin vier Teilnehmer für die Champions League stellen, die weiteren starken Verbände bekommen die Chance auf drei respektive zwei Teilnehmer, und die Meister der Mittelklasse sind, sofern sie nur eine halbwegs kompetative Runde überstehen zumindest fix in der Euro-League und spielen im Play-Off um ihre CL-Chance. Wie Salzburg im August gegen Hapoel Tel Aviv.
Für alle, die sich mit CL und EL sehr genau auseinandersetzen wollen gibt es nur eine Adresse, die alle Rankings und Koeffizienten kennt und auch anwenden kann: Bert Kassies geniale European Cup Football-Site.
Die durch ein neues cleveres System aufgewertete zweite Stufe der EC-Rakete, die Euro-League ist für die meisten Teilnehmer der größeren Verbände nach nur einer Play-Off-Runde erreichbar, die der mittleren Verbände brauchen zwei Runden - zumutbar.
Dazu kommt eine extrem clevere Staffelung (schwäche Vereine der besseren Verbände müssen früher einsteigen, Cupsieger sind gegenüber zb Meisterschafts-Dritten bevorzugt) und die Aufwertung des Klub-Koeffizienten gegenüber dem Verbands-Koeffizienten.
Nicht so clever wie die Austria sind/waren Salzburg oder Rapid, die in der Vergangenheit und auch in der Gegenwart wegen Blödheit und schlechter Rechen-Leistungen viele Spiele, wo's "um nix geht" schleißig bestritten haben.
Merksatz für alle Coaches, die das in der Vergangenheit missachtet haben (wir kennen sie, es sind die üblichen Verdächtigen): in jedem EC-Spiel geht es immer um etwas. Punkte für den Koeffizienten; den des Vereins und in weiterer Folge den des Verbands. Punkte, die bessere Start-Bedingungen bedeuten.
Das bedeutet, das man sich mit ein paar guten Leistungen im EC gute Punkte verschaffen kann und somit in den entscheidenden Auslosungen dann gesetzt ist (wie aktuell etwa die Austria Wien) - wohingegen früher allzu oft der Länderwert bestimmt hat in welchen Topf man gerät.
Take a good thing and make it better
Das in sein zweites Jahr gehende Reform-Modell hat all diese Details erstaunlich geschickt beachtet, eingearbeitet und umgesetzt. Es ist ein komplexes und hochintelligentes Konstrukt. 2009/10 waren es 24 Verbände, die Teilnehmer in der Gruppenphase stellten, in den heurigen Play-Offs sind es 35 nationale Assoziationen.
Trotzdem ist kein Niveau-Verlust festzustellen.
Neben Österreich stellen etwa auch Zypern, Bulgarien oder Weißrussland drei Teilnehmer im EL-Playoff; Zwerge wie Wales, Azerbeidjan, Moldau, Finnland oder Kazachstan sind - zurecht, weil sie sich gegen an sich bessere Gegner durchsetzten - auch noch im Rennen.
33 Landesmeister können sich für die Gruppen-Phase qualifizieren - soviele wie schon lange nicht
Und: von den echten Favoriten haben es nur 5 nicht in die Play-Offs geschafft - Dinamo Bukarest verlor gegen Hajduk Split und Olympiakos Piräus gegen Maccabi Tel Aviv (beides nachvollziehbar - allerdings verlor auch Montepellier (im Elferschießen) gegen die Nachbarn aus Györ, Roter Stern Belgrad gegen die von Slovan aus Bratislava, und die Hibs aus Edinburgh gingen gegen die aus Maribor unter.
Da hat also eine Task Force im Auftrag einer machtbewußten Administration, die weiß, dass die optimale Balance von finanziellem Erfolg und der Zufriedenheit der Mitarbeiter (=Teilnehmer) die besten Produktions-Bedingungen schafft, ein sehenswertes System auf die Beine gestellt.
Und jetzt das Anti-Beispiel
Ich glaube es gibt keinen liebloser angewickelten Wettbewerb als den ÖFB-Cup.
Anderswo, auch bei vergleichbaren kleinen Nachbarn, von den großen gar nicht zu reden, wird der Cup-Bewerb zelebriert, gibt es kleine und große Gimmicks, da reißen sich die TV-Stationen um die Übertragungen, da gerät zumindest das Finale zum Volksfest.
In Österreich passiert weder das eine noch das andere. Weshalb es auch - wie schon bei der 1. Liga - keinen Sponsor mehr gibt. Sowohl ADEG als auch Stiegl sind ausgestiegen und Nachfolger wurde in beiden Fällen keiner gefunden - bei der Attraktivität der Durchführung, der Schleißigkeiten in der Abwicklung auch kein großes Wunder.
Das war etwa 2007/08 der Fall: mit der Ausrede der EM-Vorbereitung wurde man den ungeliebten Bastard für ein jahr lang los. Dass das passieren würde, war übrigens die einzige Exklusiv-Meldung im klassischen Sinn, die es im an Analyse interessiertem Fußball-Journal jemals zu lesen gab.
Der Cup ist einigen so lästig, dass man ihn schon einmal ausfallen ließ. Und natürlich findet dann auch eine Cup-Auslosung (bei den deutschen Nachbarn durchaus kultiger TV-Fixpunkt) praktisch unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt. Die ÖFB-Site hat netterweise ein zusammenfassendes Video davon.
Und da erfährt der geneigte Betrachter dann auch gleich das Unglück, das in der ersten Haupt-Runde passiert ist: man hat das Spiel Rapid gegen Rapid Amateure gelost.
Und sofort bricht eine Diskussion los, warum so ein Unfug möglich wäre. Und noch während der Auslosungs-Veranstaltung plaudert dann der betretene ÖFB-Generalsekretär, dass man das alles ja eh auch wieder ändern könne. Schließlich gelte ja der Grundsatz "ein Bewerb, ein Verein, eine Mannschaft".
Verarschungs-Objekt ÖFB-Cup
Nun, ich habe die Regeln und Durchführungsbestimmungen zum ÖFB-Cup brav durchgelesen - aber dort findet sich dieser "Grundsatz" genau gar nicht.
Hingegen besagt Punkt 3.5 der Durchführungsbestimmungen "Die Teilnahme der Amateur-Mannschaften der Bundesliga-Vereine ist zulässig."
Nun ist es in Österreich durchaus üblich zuerst recht blauäugig Gesetze und Bestimmungen, die von einzelnen Lobbies gefordert wurden zu erlassen und sie erst danach auf ihre Sinnhaftigkeit zu überprüfen.
Sich dann aber im Fall von verschütteter Milch (und das dümmliche Rapid-Rapid-Los setzt den ÖFB massiv unter Druck der Liga) hinzustellen und so zu tun, als wäre dieses Im-Nachhinein-Herumdoktern der sinnhafte Normalfall, zeigt wie weit es mit der Arbeits-Moral her ist.
Was auch kein Wunder ist, bedenkt man den Blunzigkeits-Wert des Cups.
Wenn man schon die B-Teams teilnehmen lässt (in Deutschland verzichtet man drauf, in Liechtenstein sind, auch weils da nur sieben Clubs gibt, oft auch drei Mannschaften eines Clubs dabei) dann sollte zumindest die Unvereinbarkeit eines Gegeneinander-Gelostwerdens festgesetzt werden. Diese Überlegung im Vorfeld anzustrengen (und sich da vielleicht beim DFB kundig zu machen, wo man die Amateur-Teams ja aus gutem Grund gekippt hat) ist eigentlich nicht zuviel verlangt.
Aber mit vorrausschauenden struklturellen Fragen beschäftigt man sich hierzulande höchst ungern, bei ÖFB, Liga und Vereinen sowieso. Weil sowas nur Arbeit macht, die keiner will.
Herrlich vielsagend auch die Reaktion der Salzburg-Offiziellen: es gibt "keine Ambitionen von unserer Seite, dieses Thema in der Öffentlichkeit zu vertiefen."
Wer etwa mag sich jetzt schon mit der Tatsache, dass in dem Moment, wie RB Leipzig im Europacup antritt (was in spätestens fünf Jahren der Fall sein soll) der FC/RB Salzburg sich jegliche EC-Spiele aufmalen kann, weil das schlicht und einfach verboten ist, beschäftigen?
Lieber dann, wenn es virulent wird, großartig überrascht tun! Das hat österreichische Tradition!