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Daniel Eberharter

Fotografie, Design und Handwerk. Kunst ohne künstlich.

10. 8. 2010 - 14:24

Spaß am Zufall: Revolog

Bildnachbearbeitung war gestern. Ein Diplomarbeitsprojekt zweier Wiener StudentInnen liefert Bildeffekte noch bevor das Foto überhaupt belichtet ist. Und geht damit in Serie.

Reverse Engineering

Niemand würde sich einfallen lassen, den Karren vor den Esel zu spannen. Die Erfahrung zeigt, dass diese Umkehr recht unsinnig ist, und es gilt sowohl in der Landwirtschaft, als auch in der Metapher als gegebene Regel, dass Reihenfolgen eingehalten werden sollen, so man sich das Leben vereinfachen will.

In der Fotografie gibt es ebenfalls Reihenfolgen. Erst den Film belichten, dann den Film entwickeln, in weiterer Folge das Bild ansehen. Danach kann man das Bild bearbeiten, meistens mit Hilfe von Software. Wer digital fotografiert, umgeht den Film, die Reihenfolge ist jedoch die gleiche: Erst das Bild, dann der Effekt.

Vorinstallierte Effekte

Hanna Pribitzer und Michael Krebs, AbsolventInnen der Graphischen Bundes- und Versuchslehranstalt in Wien werfen diese Reihenfolge jedoch über Bord. Sie ließen sich eine Idee für Ihre Diplomarbeit einfallen, die sowohl Esel, als auch Karren dumm dastehen lassen: Sie packen die Effekte schon auf den Film, bevor er überhaupt in die Kamera geladen wird. Die Effekte sind quasi vorinstalliert.

Michael Krebs und Hanna Pribitzer, die beiden hinter Revolog

Daniel Eberharter

Michael Krebs & Hanna Pribitzer: "Spaß am Zufall"

Es entstehen Verfärbungen, Lichtkratzer, Blitze und grüne Punkte, die sich über die Fotos wie eine weitere Schicht legen, und das, ohne nachträgliche Hilfe durch Software oder speziellem Entwicklungsverfahren im Labor.

Von Diplomartbeit zur Handarbeit

Wie das gemacht wird, verraten die beiden nicht im Detail. Aus der Tüftelidee für die Diplomarbeit wurde aber mehr. Die beiden gründeten nun eine kleine Firma, die die vorbearbeiteten Filme für jede/n Fotografieinteressierte/n zugänglich macht. Die Filme werden übrigens in Handarbeit in Wien angefertigt.

8 Revolog Filmrollen

Daniel Eberharter

Die gesamte Filmpalette kann man sich auf Revolog ansehen.

Es gibt acht verschiedene Filme, pro Film einen Effekt. Freilich nicht unbedingt ein billiger Spaß, wenn man gleich mehrere Effekte ausprobieren will. Man braucht dazu aber, und das ist der große universelle Pluspunkt, weder Computer noch teure Kamera. Man kann jede 35mm Kleinbildkamera verwenden und den fertigen Film ohne Probleme bei jedem Diskonter-Labor entwickeln lassen.

Der große Test

Wenn man so einen Film eingelegt hat, fragt man sich recht bald, was man denn nun eigentlich fotografieren soll und kommt in Versuchung, wild drauf los zu schießen. Man weiß ja, dass das "nur ein Spaßfilm" wird. Man ist versucht, den Film auf der Stelle auszuknipsen, weil man ja schnell wissen will, was man hier überhaupt produziert.

Natürlich kann es vorkommen, dass sich zufällig ein Weltklassemotiv vor den Augen auftut, man drückt ab und ist dann leicht verärgert, dass diese Kratzer dabei sind. Denn ohne Punkte, Kerben oder Blitze wäre das Bild ja vielleicht auch für ganz andere Zwecke interessant, den World Press Photo Award vielleicht. Letzteres ist zwar maßlose Übertreibung, aber es kann schon vorkommen, dass man den Effekt mal wieder kurz weghaben möchte, um zu sehen, wie das Foto ohne aussieht.

Stühle. Revolog Rasp

Daniel Eberharter

Stühle, mit Rasp

Die Revolog-Flickr-Gruppe zeigt die Resultate aller Filme und deren Effekte. Jede/r kann mitmachen.

Trotzdem und gerade deshalb sind die Effekte - für mich vor allem diese Kratzer vom Rasp-Film - spannend. Denn diese Kratzer geben ebenfalls Farben wieder. Es sind die drei Grundfarben der additiven Farbmischung, also Rot, Blau und Grün. Ein Negativfilm ist mit diesen Grundfaben mehrfachbeschichtet. Je nach Tiefe eines oder mehrerer Kratzer kommen die jeweiligen Farben zum Vorschein. Also wie geil is das denn?

Ob man nun einen Revolog Film als eigenes Projekt ansehen will oder seinen/ihren "normalen" Fotos einen zusätzlichen (unwiderbringlichen) Effekt verleihen will, ist letztlich Ansichts- und Geschmackssache. Denn auch einigermaßen banale Motive sehen koloriert besser aus.

Bevor das Ganze zu sehr ins Theoretische abnudelt, verweise ich auf die kleine Slideshow mit den Ergebnissen zweier Filme, dem Kolor und dem Rasp.