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3. 8. 2010 - 18:21

Walters Tagebuch

Der Falter berichtet über ein brisantes Tagebuch des früheren FPÖ-Politikers Walter Meischberger. Florian Klenk im Interview über Haider-Konten und Schweinejournalismus.

Dem Falter liegt ein brisantes Tagebuch des früheren FPÖ-Politikers Walter Meischberger vor. Darin schreibt Meischberger über Millionenbeträge, die Jörg Haider vom libyischen Staatschef Muamar al-Gadaffi und vom irakischen Diktator Saddam Hussein erhalten haben soll. Es geht um Geheimtreffen Meischbergers mit Ex-Finanziminister Karl-Heinz Grasser, der unter dem Verdacht der Veruntreuung steht, und um den ehemaligen Kärntner Regierungsbeteiligten Franz Koloini, gegen den wegen Korruption ermittelt wird. Walter Meischberger selbst, dessen Tagebuch von den Staatsanwaltschaften Wiens und Klagenfurts geprüft wird, hat sich vor einigen Monaten selbst angezeigt. Denn er hat zehn Millionen Euro Provision aus dem Verkauf der Bundeswohngesellschaft (Buwog) nicht versteuert.

Deshalb laufen bei einigen Parteifreunden Meischbergers Hausdurchsuchungen. Die Enthüllungen in Meischbergers Tagebuch sind dementsprechend brisant. Ich habe mit dem Autor des Artikels, Florian Klenk, stellvertretender Chefredakteur des Falter, gesprochen.

Journalist Florian Klenk

www.florianklenk.at

Florian Klenk

Im Falter wird das Tagebuch von Walter Meischberger zitiert; wie kann man sich das Motiv von jemandem, der von allen Seiten unter Beschuss steht, vorstellen, ein Tagebuch zu schreiben, er muss ja damit rechnen, dass das im Laufe von Ermittlungen gegen ihn verwendet wird.

Darüber kann ich nur spekulieren. Es gibt drei Gründe: Erster Grund: Er glaubt, dass das, was darin notiert ist, ohnedies nur Gerüchte und Gewäsch ist und misst dem keine große Bedeutung zu. Variante zwei: Er ist naiv und geht davon aus, dass man dieses Buch nie finden wird. Und Variante drei ist, er signalisiert seinen ehemaligen Gesinnungsfreunden, dass er etwas über sie weiß und da man weiß, dass Herr Meischberger bald sehr viel Geld brauchen wird, um seine Steuern zu bezahlen, ist das vielleicht ein diskreter Hinweis.

Nun kann man ja in ein Tagebuch viel hineinschreiben, ich könnte auch absichtlich etwas reinschreiben, das jemand anderen belastet, um mich zu entlasten. Inwieweit sind Tagebücher überhaupt strafrechtlich relevant?

Das Tagebuch ist - so wie alles andere auch - ein mögliches Beweismittel. Meischberger hat mehrere Themen, die er behandelt, er schreibt über seine eigene Befindlichkeit während des Verfahrens, er erzählt von seinen Treffen mit Grasser, er berichtet darüber, was bei Hausdurchsuchungen gefunden wurde. Und er erzählt eben auch, was ehemalige Haider-Vertraute ihm erzählen. Das heißt, auch das, was ihm erzählt wird, kann Unsinn sein, es kann aber auch richtig sein.
Oft werden die großen Kriminalfälle durch Zufälle geklärt. Es kann sein, dass alles eine Raubersgeschichte ist, es kann aber auch sein, dass es eine Geschichte von Räubern ist.

Der Falter kritisiert oft, wenn Details über Ermittlungen oder Privates in Tageszeitungen veröffentlicht werden, z.B. im Fall Natascha Kampusch oder auch in Bezug auf Arigona Zogaj wurde das immer wieder kritisiert. Wodurch unterscheidet sich die Veröffentlichung von diesen Tagebuch-Zitaten?

Wir haben nichts veröffentlicht, was das Privatleben des Herrn Meischberger betrifft, nichts, was sein Intimleben betrifft, nicht seine inneren Gedanken, die in irgendeiner Weise höchst privat sind, sondern hier geht es um Vorwürfe, die für den Steuerzahler wichtig sind. Weil es letztlich darum geht, aufzuklären, ob eine ehemalige österreichische Regierungspartei von den hässlichsten Diktatoren des arabischen Raums finanziell unterstützt wurde. Das ist nicht mehr Privatssache des Herrn Meischberger sondern das ist ein emminent wichtiges, öffentliches Thema.

Es werden von vielen Seiten jetzt Rufe nach einem Untersuchungsausschuss laut. Welchen Vorteil hätte so ein Untersuchungsausschuss gegenüber den Ermittlungen der Justiz, die ohnehin laufen?

Grundsätzlich ist es sehr, sehr schwierig diesen Fall strafrechtlich zu fassen. Man braucht Opfer, man braucht Täter, man braucht Geschädigte, all das liegt sehr lange zurück, das heißt, es ist sehr schwierig für die Justiz die Spur aufzunehmen. Politisch hingegen ist die Sache sehr interessant. Man sollte den Herrn Koloini, immerhin Protokollchef des Amts der Kärntner Landesregierung und derjenige, der dem Meischberger das alles erzählt hat, schon politisch befragen. Wo er diese Gerüchte her hat. Wo hat er das aufgeschnappt, wer hat ihm das erzählt und ich finde, das soll er unter Wahrheitspflicht auch sagen müssen, denn er war ein Repräsentant des Staates. Und ein Repräsentant des Bundeslandes Kärnten.

Es werden verschiedene Namen aus dem näheren Umfeld Jörg Haiders genannt, Personen, die bei den Liechtensteiner Konten zeichnungsberechtigt sein sollen, es tauchen Namen auf von Menschen, deren Aufenthaltsort nicht bekannt ist: Naiv gesagt könnte man jetzt sagen, der Mann von der Straße denkt, dass hier eine Art Wunderverdächtiger gesucht wird, jemand, der unsichtbar ist, damit sich die politisch Verantwortlichen an ihm abputzen können. Wäre das im Bereich des Möglichen?

Die Leute, die genannt werden, sind auch heute noch in geschäftlichem Kontakt als Lobbyisten für Libyen, sind Leute, die im engsten Umfeld Haiders waren, Leute, die seine Irak-Reisen damals gutgeheißen haben - also es ist nicht ganz unstimmig, was da steht. Es sind Leute, die mit ihm in den Irak und nach Libyen gefahren sind. Das heißt, es ist schon sehr konkret, was da steht - von den Namen her.

Sie sagen also, es geht ein bisschen darüber hinaus, dass jemand in Südamerika untergetaucht ist, der vielleicht zeichnungsberechtig wäre.

Meiner Meinung nach ist diese betreffende Person nicht in Südamerika untergetaucht, sondern befindet sich in Kärnten.

Eine Frage an den berühmtesten Aufdecker des Landes: Man hat den Eindruck, dass rein journalistisch schon viel vom Hörensagen und Gerüchten im Umlauf war in den letzten Tagen, dass Namen genannt wurden, wo man nichts Genaues weiß, dass Zahlen genannt wurden, die in einem sehr breiten Spektrum liegen. Journalistisch hat das schon was von einer dünnen Suppe; könnte diese Affäre dem Ruf des investigativen Journalismus schaden?

Es gibt diesen Profil-Bericht, da wurde gesagt, es gibt Konten Jörg Haiders in der Höhe von 45 Millionen. Das was ich herausfinden konnte, und das ist jetzt die Aufgabe des Journalismus, ist, was ist wahr daran und was nicht - und das einzige, was ich verifizieren kann, ist, dass es ein Tagebuch gibt und dass in diesem Tagebuch die Summe von 45 Millionen auftaucht. Das zweite, das man verifizieren kann, ist, die Justiz versucht zu klären, ob diese 45 Millionen tatsächlich bezahlt wurden oder ob das nur Geschwätz ist. Das sind soweit die Fakten, die man herstellen kann- ob es die Konten gibt oder nicht, kann ich nicht bestätigen.In den Akten, die ich zur Verfügung habe, findet sich kein Hinweis darauf. Es gibt viele Gerüchte in diesem Fall, das, was wir versucht haben, ist herauszufinden, wodurch nähren sich diese Gerüchte. Und die nähren sich durch ein Tagebuch. Und in diesem Tagebuch sind wiederum Gerüchte. Das heißt, die Fakten, die wir herstellen können sind: Es gibt ein Buch, in dem gibt es Gerüchte und diese Gerüchte sind der Anlass dafür, dass ermittelt wird. Das sind die Fakten.

Die Kritik am Falter oder an Medien allgemein ist seitens FPÖ und BZÖ wenig überraschend sehr groß, der steirische BZÖ-Chef Gerald Grosz spricht heute von "Schweinejournalismus". Wie geht es ihnen mit so einer Kritik?

Das prallt ab. Dass Herr Grosz von Schweinejournalismus spricht verwundert mich nicht, es gibt zwei Gründe dafür - entweder er hat den Bericht nicht gelesen, weil dann wüsste er, dass der Bericht sehr vorsichtig verfasst ist, oder er hat Angst davor, dass es Enthüllungen gibt, die für das BZÖ sehr unangenehm sind. Das was jetzt passiert ist, im Zuge dieser vielen Großskandale - Hypo, Buwog, ImmoFinanz, Meinl Bank - ist, dass mehr und mehr Leute beginnen vor der Staatsanwaltschaft auszupacken. Über Scheinrechnungen, über Briefkastenfirmen, über Masterpläne, wie man sich Gebühren aufteilt und überall Leute, auch um ihre eigene Haut zu retten, die bereit sind, vor dem Staatsanwalt zu sagen, was passiert ist. Im Zuge dieser Ermittlungen kommt man eben auf sehr viele Sachen drauf, ob es hier zu einer Verurteilung führt, werden wir sehen. Interessant ist aber, dass sich mehrere Leute als Kronzeugen anbieten und sagen, sie sind bereit zu erzählen, was damals geschehen ist.