Erstellt am: 3. 8. 2010 - 12:35 Uhr
Fußball-Journal '10-35.
Die WM ist vorbei, die U19-EM auch - nächste Woche gehts los mit der EM-Qualifikation, die hier im Fußball-Journal 10 begleitet werden wird.
Es war 10 Uhr12, als sich Teamchef Dietmar Constantini nach einem tiefen lautlosen Seufzer dran machte, noch etwas nachzuschieben, bei dieser wie immer ultrakurzen und freudlosen Pressekonferenz zur Kader-Nominierung.
Dass es nämlich im Rahmen des Länderspiels gegen WM-Teilnehmer Schweiz (Mittwoch abend, Klagenfurt) zu einem Treffen mit den Liga-Coaches und Managern kommen würde, um denen ein paar zusätzliche Freistellungs-Tage und womöglich sogar ein Testspiel mehr aus den Ego-Rippen zu leiern.
Die Meldung ging im Desinteresse der zuvor zwölf Minuten lang ihrerseits mit Desinteresse behandelten Journalisten unter; sie macht aber vor allem im Zusammenhang mit einer davor getätigten Aussage Sinn. Da hatte Constantini, auch so in einem Nebensatz, gemeint, das wichtigste wäre, dass seine Mannschaft so oft wie möglich zusammenspielen würde.
Der aktuelle ÖFB-Kader:
Tor: Christian Gratzei (Sturm), Michael Gspurning (Xanthi/GRE), Jürgen Macho (Panionios/GRE)
Verteidigung: Franz Schiemer (Salzburg), Ekrem Dag (Besiktas/TUR), Florian Klein, Aleksandar Dragovic, Manuel Ortlechner (Austria), Christian Fuchs (Mainz/DEU), Emanuel Pogatetz (Hannover/DEU), Sebastian Prödl (Werder/DEU).
Mittelfeld: Julian Baumgartlinger, Zlatko Junuzovic (Austria), Daniel Beichler (Hertha/DEU), Andreas Hölzl (Sturm), Jakob Jantscher (Salzburg), Ümit Korkmaz (E. Frankfurt/DEU), Patrick Wolf (Magna)
Angriff: Martin Harnik (Stuttgart/DEU), Erwin Hoffer (Lautern/DEU), Marc Janko (Twente/NED), Roland Linz (Austria), Roman Wallner (Salzburg)
Auf Abruf: Christoph Leitgeb (Salzburg), Paul Scharner (vereinslos), Roman Kienast (Sturm), Marcel Schreter (Wacker).
Andreas Ulmer (Salzburg) hat sich am Mittwoch blöd verletzt.
Bei der U21: Pehlivan, Drazan (Rapid), Alaba (Bayern/DEU), Arnautovic (Werder/DEU) uvam. Die Nominierung erfolgt erst morgen Mittwoch. Anm.: Da war dann auch der an sich als verletzt gemeldete Veli Kavlak (Rapid) dabei.
Absurderweise verzichtet der ÖFB aktuell komplett auf den besten jungen Liga-Spieler, Haris Bukva von Sturm.
Verletzt sind: Stankovic (Austria), Gercaliu (Ingolstadt/DEU) und Okotie (Nürnberg/DEU).
Auf Constantinis schwarzer Liste sind aktuell: Manninger (Juve/ITA), Garics (italienisches Fegefeuer), Stranzl (mit Spartak/RUS fix in der Champions League), Andreas Ibertsberger (Hoffenheim/DEU) und Ivanschitz (Mainz/DEU).
Keine Chance gab es für Hoheneder (Sparta Prag/TCH), Prager (Luzern/SUI), die aktuell bereits international spielen. Und für Stefan Maierhofer, der heute beim MSV Duisburg unter-schreibt.
Der Nebensatz und die Abschlussbemerkung, das war also in Wahrheit Constantinis Versuch, eine Agenda zu setzen, sein großes Thema unterzubringen. Und: so wie der Teamchef das unterbrachte, kam diese Botschaft nicht an, ist das Agenda-Setting kläglich gescheitert. Keiner hat's bemerkt - es wird an der Presseabteilung liegen, einzelne Journalisten damit zu füttern. Ich bin schon gespannt, wen sie dafür auserwählt haben, heute abend oder morgen werden wir's wissen.
Agenda-Setting, falsch gemacht
Dieses kleine, klägliche Scheitern zeigt die Kommunikations-Schwäche Constantinis schön auf: Einzeln ist er gut, ein Charmeur, schlau - die neue Schwarm-Intelligenz seiner jungen Kicker allerdings fehlt ihm deutlich.
Wer sich jetzt fragt, warum so eine PK nur zwölf Minuten dauert und warum die Journalisten geistig schon eingepackt hatten, als Constantini die ihm so wichtige Anmerkung nachgeschoben hat: wenn man sich als Gruppe zwölf Minuten lang einem missmutigen, pampigen, patzigen, in der Grundtonalität der Beleidigtheit kurze, oft sinnentleerte Sätze rausbellenden Ausbund an Widerwilligkeit gegenübersieht, schaltet man irgendwann ganz automatisch ab.
Constantini hat diese Verhaltensweise (psychologisch durchaus nachvollziehbar) als Schutzmantel aufgebaut. Mit der Folge, dass ihn keiner mehr belangt, ihm aber auch keiner mehr zuhört. Wenn er dann aber tatsächlich etwas sagen will, muss er das einzeln tun - die soziale Fähigkeit mit einer Gruppe zu sprechen hat er verloren.
Getreu seinem Lebens- und Arbeits-Motto hatte Constantini zudem gehofft, sein Problem würde sich von selber erledigen, weil schon jemand nachfragen würde - was allerdings nicht mehr passiert. Klar ist das auch die Schuld der Mainstream-Medien, die nur noch Personalien abfragen.
Pampige Verachtung
Aber: Wenn man auf jede darüber hinausgehende Frage ohnehin nur mit einer imperialen Verachtung abgestraft wird, stellt man irgendwann keine mehr. Selbst der Kollege von der Wiener Zeitung, einer aus der Handvoll Aufrechten, gibt auf, nachdem er seine Frage nicht einmal zu Ende stellen darf, weil Constantini, ein geübter Missversteher, auf ein falsch zugeordnetes (nur ihm verständliches) Reizwort unterbrochen hatte und falsch abgebogen war.
Da wendet man sich dann eben mit Grauen, nach 12 Minuten, nimmt die Info-Mappe und tauscht sich mit Menschen aus, die die jedem zugängliche Kunst der Kommunikation auch beherrschen.
So oft wie möglich zusammenspielen
Das neue Credo von Constantini ist im Mai erstmals so wirklich aufgetaucht. Da spielten diverse Nationalmannschaften Tests - nur Österreich nicht. Constantini und der ÖFB selber hatten bei den Terminverhandlungen dafür (die fanden schon 2009 statt) drauf verzichtet. Und das kam dann peinlich rüber.
Weil Constantini aber nichts wichtiger ist als lässig rüberzukommen, war das sein neues Steckenpferd: so viele Termine, Spiele und Trainingslager wie möglich. So oft zusammenspielen wie möglich.
Und jetzt hat er immerhin eine Art Termin-Konferenz zu seinen Bedingungen erreicht.
Nun ist es aber so wie immer, wenn man sich festlegt - man trägt Verantwortung. Constantini hatte sich bis dato auf Nichts festegelegt - wichtig für sein lässiges Schlauer-Bergvogel-Image.
Damit ist es, und das hat er wohl nicht bedacht, jetzt aber vorbei.
Mit diesem Bekenntnis des "Zammenspielens" sind nämlich alle Personal-Ausreden hinfällig, alle Schmähs mit denen Constantini bisher gearbeitet hat, wenn er Abwesenheiten, Rausschmisse, personelle Ungereimtheiten (und die entsprechende Liste ist länger als alle Unterarme von Teamchef und Assistenten) "erklärte", kann er jetzt einpacken.
Apropos Assistenten: wirklich mitleiderregend war Manfred Zsak, der sattsam bekannte Experte, der in einem Einleitungs-Statement von Emanuel Pogatetz erzählen durfte und dabei den türkischen Cupsieger nicht aussprechen konnte.
Gencler, sagen die Experten dazu, Herr Zsak, weil man in der Türkei den zweiten Teil von Genclerbirligi weglässt. So wie man auch nur Bursa oder Kayseri sagt und das "Spor" weglässt. Sowas wüsste man, wenn man echter Experte wäre und schon einmal in der Türkei beobachtet und wirklich aufgepasst hätte. Oder einmal im Leben mit Turgay Bahadir geplaudert hätte. Ja, so ein Experten-Leben im Konjunktiv...
Die Logik der eigenen Priorität
Denn das einberufene Team ist kein Testfall, sondern das, das sich zusammenspielen soll. Die, die jetzt draußen sind, die Ivanschitze, die werden das auch bleiben, da kann Constantini jetzt noch so viel verbal eiertanzen - das gebietet die Logik seiner eigenen Priorität.
Und auch ein anderer Eiertanz ist damit als Schmäh entlarvt. Dass nämlich besonderes Augenmerk auf die Jugend-Nationalteams gelegt werden würde, wie das der ÖFB in Person seines mächtigsten handlungsträgers Alfred Ludwig noch vor kurzer Zeit vollmundig behauptet hatte.
Die "internen Gespräche" von denen da die Rede ist, brachten dasselbe Ergebnis wie bisher: Constantini ist die U21 so wurscht wie ein Nasenrammel.
Während das A-Team gegen die Schweiz nur testspielt, ist die U21 nämlich bereits qualifikationstechnisch gefragt. Die ist aktuell Tabellenführer und spielt jetzt am 10. August gegen Weißrussland (3.) und dann am 7. September in Schottland (2.) um den Gruppensieg; und auch ein guter Runner-Up-Platz reicht für die Playoffs Anfang Oktober.
Es geht also um zwei, im besten Fall dann vier Termine. Und der erste kollidiert nicht einmal mit einem EM-Quali-Spiel der Großen.
Viel Zammenspielen = das Ende der Ausreden-Kultur
Es ist kein Zufall, dass der U21-Kader erst morgen Mittwoch präsentiert wird - Herzog will soviel Zeit und Raum wie möglich zwischen sich und Constantini legen.
Dass da dann auch noch der eigentlich als verletzt gemeldete Veli Kavlak dazukommt, ist am Teamchef sowieso komplett vorbeigespielt worden.
Weil aber Constantinis neue "Viel Zusammenspielen"-Doktrin feststeht und es zwischen ihm und dem U21-Teamchef kommunikativ weit schlechter läuft als etwa mit Journalisten bei einer PK, gibt es schon jetzt genau vier "Abstellungen": Drazan und Pehlivan wären wegen schlechter Form eh nicht einberufen worden, Arnautovic spielt eh lieber für Herzog und David Alaba stellt sich bekanntlich am besten selber auf.
Beichler, Jantscher, Dragovic und Baumgartlinger kann sich die U21 aufmalen.
Wenn Constantini die Maxime "Die besten zu mir, egal wie alt" durchzieht, dann ist das kein Verbrechen, sondern gesundes Egoshootertum. Da er das mit der neuen Maxime "So oft wie möglich zusammenspielen" koppelt, fallen nun aber alle Lippenbekenntnisse, Schmähs und Ausreden, die von ihm oder anderen ÖFBlern kommen, weg. Von wegen "alle Kraft für die Nachwuchs-Mannschaften".
Dass im Paschinger Spiel gegen Belarus ein Team "Lindner; Kayhan/Koch, Dragovic, Margreitter, Holzmann; Beichler, Baumgartlinger/Pehlivan, Alaba, Jantscher, Bukva/Drazan; Arnautovic." möglich gewesen wäre: ja, eh, toll.
Und?
So wichtig ist das scheinbar nicht.
Der Wetterhahn sitzt in seiner neuen Doktrin fest
Das glaubt ihr nicht?
Gratzei, Hedl; Schiemer, Klein, Sonnleitner, Ortlechner, Ulmer, Schrammel, Hoheneder, Prager, Manuel Weber, Leitgeb, Hölzl, Lexa, Wolf, Simkovic, Junuzovic; Harnik, Linz, Kienast, Wallner, Schreter. Plus ein dritter Tormann euer Wahl, meiner wäre H.-P. Berger.
Natürlich hätte Constantini für die Schweiz auch ein reines Ü23-Team nominierten können; mit Leichtigkeit. Sogar eines, in dem nur Akteure mit Spielpraxis dabei sind, sonst immer eines der Kriterien, die als Begründung angeführt werden.
Aber das, die "Spielpraxis", die war ja bisher schon ein Schmäh, der mal so, mal so gedreht wurde, wie es dem Wetterhahn Constantini gepasst hat - im Fall Ivanschitz so, im Fall Hoffer so.
Auch heute glaubte der wieder einmal auf das Unangenehmste von alle Geduzte sich rechtfertigen zu müssen und sprach Hoffers Schnelligkeit an, die internationale Klasse hätte, wohingegen Ivanschitz/Leitgeb wieder einmal als zu brav abgestempelt wurden. Es wurde also weiter geeiertanzt, obwohl diese alte Ausreden-Kultur völlig überflüssig ist.
Und aus der Sicht eines echten Teamchefs, der sich kümmert und langfristig denkt und handelt und nicht nur auf die richtigen Wendungen von Zufall und Schicksal hofft, ist das auch richtig so.
Wenn man sich etwa die Teams von der letzten Begegnung zwischen Österreich und der Schweiz hernimmt: Bei den Schweizern waren von 17 eingesetzten Spielern von 2007 neun bei der WM dabei, drei nur wegen Verletzung nicht und von den restlichen fünf ist nur der in Österreich ruinierte Vonlanthen echt weit vom Team weg.
Im Fall von Österreich 2007 sind von 16 Akteuren noch genau Prödl, Fuchs, Schiemer und Harnik dabei, Roman Kienast schnuppert wieder. Der Rest ist vertrieben, gemobbt oder versunken.
Diese mittelfristige Inkonstanz, diese hysterische Fluktuation ist ein Grundübel des österreichischen Teams.
Das mit einer Doktrin, einer Festlegung ändern zu wollen, ist imnmerhin ein erster Schritt.
Wenn ich nur dran glauben könnte, dass da ein echter Plan dahintersteht und nicht nur eine Laune oder ein ganz kurzfristiger Marketing-Gag, wie sonst immer in der oberflächlichen Wischi-Waschi-Constantini-Ära.