Erstellt am: 1. 8. 2010 - 15:05 Uhr
Song zum Sonntag: Arcade Fire
"Weggehn, weggehn nutz nix", sagt schon der alte Bauer im "Watzmann", um eine völlig verquere Referenz zu bemühen. Dennoch ist es das was die Leute machen: In Österreich meist von der kleineren Besiedlungseinheit zur Größeren, solange man selber noch im Herzen Kind ist - um dann wieder in die Kleinere zurückzukehren, sobald man selber Kinder hat. So beobachtet bei zumindest nicht wenigen Tirolern und Voralbergern - die eigene Kindheit verklärend - aus meinem Bekanntenkreis.

Arcarde Fire
In den USA zieht es die jungen (weißen, wohlhabenden, die anderen wohnen nicht in der Art von Suburb) meist weg von ihren Vorstädten, in die City oder in eine andere Stadt. Die Vorstädte und die Vorgärten der Vorstädte des Fordismus, Symbole für Konformismus, Langeweile und geglättete Scheinfunktionalfamilienfassade wollen zwecks Eigenerleben und Alternativprobieren verlassen werden, sobald es geht - in den USA möglichst mit 16, sobald man "Daddy's Car" fahren darf, oder gar ein eigenes aufstellen kann. Springsteen, Violent Femmes, Descendents, Jam usw. das Thema ist gerade bei den Adoleszenzbands ein Renner, so wichtig ist dieser Traum für eine Kindheit in einer faden Gegend, in der man nicht enden will.

Arcarde Fire
Doch irgendwann kommt man auch von dort wieder zurück, in das Heim der Eltern oder ein nach deren Ebenbild erspartes und alles hat sich verändert. Die Daheimgebliebenen bereuen, nie weggewesen zu sein und beneiden die Weggegangenen um die Möglichkeit, nach Hause kommen zu können. Die Zurückkehrenden werden nicht müde zu erzählen, wie anders es woanders ist und wie anders man woanders selber wird und noch wie sehr man sich diese Andersheit nicht vorstellen könne, wenn man immer nur hier geblieben ist (warum sie nicht woanders geblieben sind, jetzt wo sie doch anders geworden sind, können sie nur damit erklären, dass es "im Grunde" doch wieder überall gleich ist und man dann doch lieber da endet, wo alles so ist wie es immer war) usw. Schwierige Sache, das.
Der Song zum Sonntag ist eine Kooperation zwischen FM4 und der Presse am Sonntag und erscheint hier wie dort, wo sich der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar der Kolumne annimmt
Arcade Fire sind noch weg und verklären die Zeit des Weggehenwollens als die Zäsur, die prägende Phase des Lebens. Vorher wartet man nur bis man weg kann und tut alles, um das Vorstadleben zu bekämpfen, vor allem rumsitzen, Haare schneiden und hoffen. Und warten. Die Musik hilft bei der Distinktion, trennt die die weggehen werden / wollen von denen die daheim bleiben werden. Es ist ein richtiger Krieg, der "Suburban War". Und wenn man heimkommt, kennen einen die alten Freunde nicht mehr - und warten immer noch.