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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

26. 7. 2010 - 16:47

Fußball-Journal '10-33.

Österreichs U19-Nationalteam hat sich für die U20-WM 2011 qualifiziert, trotz grober Patzer von Coach und Management. Für die Endrunde in Kolumbien braucht es dringend eine Task Force.

Die WM ist vorbei, der Alltag hat uns wieder: im Fußball-Journal 10.

Wenn jetzt jemand ein Deju Vu hat, wegen des Wortlauts des Intros zum heutigen Eintrag: Bingo!

Fast Identisches stand da nämlich in Eintrag 23 vom 31.5. dieses Jahres, als nach knapp und glücklich überstandener Quali zur EM-Endrunde die Sorge um das dortige Abschneiden die kurzfristige Freude über den eben erzielten Erfolg zu überlagern begann.

Die ÖFB-Aussendung zum entscheidenden Spiel gegen die Niederlande, der Live-Ticker und die Infos auf der UEFA-Site.

Denn die jungen österreichischen Balltreter haben sich nicht wegen einer guten Vorbereitung, eines gutes Coachings und eines funktionierenden Umfelds (damals) für die Euro und (jetzt) für die WM qualifiziert, sondern in eklatanter Abwesenheit von irgendeiner Art von kompetenter Begleitung oder Führung.

Das ist allen klar. ÖFB-Leute stöhnen und schütteln nur verzweifelt die Köpfe (off the records versteht sich). Und Medienmenschen vorort in der Normandie bezeichnen das was dort passiert ist als "Wahnsinn", berichten im Wortlaut vom offen ausgebreiteten Versagen des Coaches - allerdings mir, off records, und leider eben nicht der Öffentlichkeit.

Das heißt: alle Beteiligten wissen, wie katastrophal hier die Betreuung schiefläuft - aber alle sehen nur zu.

Wann genau ist diese U20-WM eigentlich? Wurscht!

Bestes Beispiel: einen Tag danach, am Sonntag reden alle (ÖFB-Granden, Heraf, Medien) von der U20-WM 2011, von Plänen und Abstellungen - nirgendwo wird jedoch das Datum des Turniers erwähnt.

Das hat damit zu tun, dass es offiziell nirgendwo aufscheint. Und alle davon ausgingen, dass es sich - wie immer bei gro0en Turnieren um Juni/Juli handelt.

Auch die 2007er-WM in Kanada fand da statt - die 09er in Ägypten dann allerdings im September/Oktober.
Das, Juni oder Oktober, macht - etwa abstellungstechnisch - aber einen unglaublichen Unterschied. Der mitüberlegt werden müsste, ehe man sich vorschnell zu Personalfragen äußert, wie das aktuell (zb zu Dragovic) aber passiert ist.

TD Ruttensteiner hat den Termin, sagt Poster vtbik, gestern abend in Sport am Sonntag erwähnt. Die heute erscheinenden Medienberichte sind wohl davor, also noch im Nichtwissen, entstanden - weil das Datum nämlich weder in den OTs noch in den Texten vorkommt.
Auch auf der ÖFB-Site findet sich die Info nicht.

PS: Am nächsten Tag, am Dienstag, sieht dann alles schon ganz anders aus: der ÖFB betont seine seriöse Vorbereitung nicht nur auf die U20-WM, sondern auf eine auch mögliche U21-EM, im Vergleich zur sonst matten Info-Politik nach außen, fast schon über; so als wäre man aufgescheucht worden.

By the way: Kolumbiens unterlegener Gegner im Wettbieten um die U20-WM war just Nachbar Venezuela. Das ist in Anbetracht der aktuell eskalierenden Zustände, die demnächst in einem Krieg münden könnten, natürlich bemerkenswert.

Dabei hätte ein simpler Anruf bei der FIFA das Rätsel gelöst. Auch schon in der Vorwoche. Denn dass man am Sonntag in Nyon niemanden erreicht...
Also: Kolumbien wird zwischen 29. Juli bis 20. August der Nabel der Juniorenfußball-Welt sein. Also nicht wie 2007 in der Sommerpause, sondern mittendrin in der BL-Meisterschaft. Was dann wieder einen Rattenschwanz an Problemen nach sich zieht. Mit dem man sich in der ersten Euphorie nicht beschäftigen mochte. Weshalb man sich erst kundig macht, wenn es schon passiert ist, immer hinterherläuft.

Und so wie man sich beim ÖFB und den Mainstream-Medien, die entweder APA oder ÖFB-Aussendungen copypasten oder im allerbesten Fall höchst vorsichtig kritische Nebensätze abliefern, um diese Dinge, wie etwa den Termin, auf den man sich einzurichten hat, kümmert, so wird auch der Rest ablaufen.
Irgendwie halt. Hintendrein.

Mit der Hoffnung auf weitere Tore in der letzten Minute - die ja schon bei der letzten WM-Teilnahme und auch bei der einzigen EM-Teilnahme letztendlich nichts geholfen haben, außer die schlechte Vorbereitung und die inexistente Taktik und Philosophie zu kaschieren.

Verschlimmbesserung: Vervielfachung des Dilletantismus

Gut, eigentlich kann ich mich nicht beschweren.
Meiner Ende-Mai-Forderung nach einer Task Force ist der ÖFB nämlich, seinem Verständnis nach, durchaus nachgekommen.
Man hat Andreas Heraf, einem Mann, der von neuen Medien und ein paar DVD-Sichtungs-Tagen schnell erschöpft ist (weil es seiner Idee des Trainer-Jobs, dem lässig mit den Medien posierenden "Motivator" zuwiderläuft) zwei Aufpasser zur Seite gestellt: Wilhelm Ruttensteiner, den technischen Direktor und U21-Teamchef Andreas Herzog sollten bei Spiel- und Gegner-Beobachtung helfend eingreifen. Bei jemanden, der zb die englischen Spieler googelte und sich bei Thomas Cruise über die vielen Einträge wunderte, empfiehlt sich das ja durchaus.

Allerdings hat etwa Andreas Herzog schon am Sonntag Frankreich verlassen und seinen gefühlten Hauptberuf als Experte bei Sky wahrzunehmen.
Dabei ist diese EM noch gar nicht vorbei.
Man kann dort die Top 4, auf die man im Verlauf der U20-WM 2011 durchaus treffen wird können, noch ausführlich und ganz ohne Google beobachten, auch wenn das in Arbeit ausartet und man auf Gesichtsbäder im heimischen TV verzichten müßte.

Und leider hat sich Ruttensteiner, ein Mann, den ich an sich sehr schätze, dem Niveau Herafs (sich nämlich über das öffentliche Anpatzen seiner jugendlichen Schutzbefohlenen zu profilieren) angepaßt.
Und zwar ganz ohne Not.

Das ist keine Task Force, das ist eine Vervielfachung des Dilletantismus. Und da nützt auch die ostentative und nettgemeinte Anwesenheit des ÖFB-Präsidenten in Frankreich nichts.

"Damit hab ich mich noch nicht beschäftigt."

Ende Mai hab ich das amateurhafte Management des ÖFB angeprangert: dass etwa David Alaba sich selber in den Kader reinreklamiern mußte, weil (der damals noch allein schuldhafte) Heraf vergessen hatte überhaupt um ihn anzufragen.

Obwohl Heraf diesmal diesbezüglich ein wenig unter Kuratel gestellt wurde, hat sich nichts gebessert.
Im Gegenteil.
Die jungen Bayern Alaba und Knasmüllner mussten nach dem 2. Spiel heim (mit den Bayern-Amateuren gegen Babelsberg, beide waren, ebenso wie Marcel Holzmann, im Starting Lineup).

Dass ich dann Zitate zugespielt bekomme, ist zwar nett von den Kollegen, und angesichts des Drucks, der in den Mainstream-Medien herrscht, auch durchaus mutig - ich würde es aber besser finden, wenn sie es selber veröffentlichen und sich nicht auf meine Rolle als Wauwau verlassen würden.

PS: Immerhin, am Dienstag wagt sich der übliche Verdächtige, was Mut (den man nicht kaufen kann, sondern haben muss) betrifft, die laola1.at-Site mit einem Kommentar in die Mainstream-Öffentlichkeit. Bravo!

Alaba äußerte dann, dass er bei einem eventuellem Aufstieg (und der war ja möglich, eine zweitorige Niederlage von England und ein Sieg gegen Holland hätten gereicht...) wieder nach Frankreich zurückkommen könnte.
Heraf auf Anfrage dazu, natürlich auch bloß off records: "Damit hab ich mich noch nicht beschäftigt."
Er würde sich nicht genau an den Wortlaut den der zuständige Manager Christian Nerlinger gebraucht hatte erinnern, er wisse einfach nix Genaues.
Wurscht, verstehst?

Oder: Heraf wird vor dem Holland-Spiel drauf angesprochen, dass der Oranje-Coach von einer Schwäche seines Teams bei hohen Flanken gesprochen hätte.
Heraf, ohne Ironie: "Echt?".

Warum allen ein Hampelmann lieber ist

Ganz abgesehen davon, wie lächerlich seine Ausreden-Kultur nach der Packung gegen Frankreich war (wir erinnern uns: ein einzelner Wechselspieler wurde öffentlich als Sündenbock auserkoren), abgesehen davon, dass es keine Vorbereitung gab, die Aufstellung des Teams gewürfelt wurde, seit immer keine Verteidigung aufgebaut wurde, ganz abgesehen davon, dass Heraf alles tut um tatsächliche Coaching-Aufgaben zu vermeiden, ist das Bild, dass er im Experten-Kreis vorort (also bei den wenigen Medienleuten, aber auch den begleitenden ÖFBlern) abgibt verheerend. Zum Kopfschütteln und Nicht-Ernstnehmen eben.

Nun ist aber mit einem Hampelmann an der Outlinie leichter arbeiten.
Für alle Beteiligten.
Für die Spieler, die sich wie Robert Gucher hier wohl eher versehentlich ausplaudert, lieber allein zusammensetzen. Für die Medien, die mit einem leicht Manipulierbaren, der eh nur gut aussehen will, leichteres Spiel hat. Und auch für die ÖFB-Vorgesetzten, die dem Management-Credo, dass man sich schwache Figuren holen muss, wenn man Macht kumulieren will, vorgehen.

Deswegen ist es so wie es ist: alle wissen um den Irrsinn und die Inkompetenz. Hintenrum lachen sie sich die Hucke voll und wetteifern im Erzählen der dümmsten Heraf-Aktionen. Off Records, eh klar, wie es in der Unterklassigkeit üblich ist.

Ihrer Verpflichtung kommen sie damit natürlich nicht nach. Der ÖFB nicht seiner das bestmöglichste für den heimischen Fußball und das allerbestmöglichste für den Nachwuchs zu unternehmen. Und die Medien nicht der der Information des Publikums.
Die einen wurschteln sich irgendwie durch; die anderen wollen die wichtigen Player nicht vergraulen.

Und wieder braucht es einen Plan. Und auch Umsetzer.

Mir ist das egal.
Mir sind die jungen Spieler und ihr Auftritt bei der WM 2011 wichtiger als diese zu kurz greifenden Interessen.

Es braucht also:

  • 1) Eine sinnhafte Einberufungs-Politik
  • 2) Den Aufbau einer sicheren Abwehr
  • 3) Taktische Nachhilfestunden

Die letzte U20-WM-Teilnahme ging deshalb in die österreichische Fußball-Geschichte ein, weil ein Coach, der den Erfolg der ÖFB-Junioren weit über persönliche Karriere oder Medien-Gesichtsbäder stellt, ein glasklares taktisches Konzept entwickelt hatte, das sowohl dem Können seiner Spieler als auch den Gegnern oder dem dortigen Klima Rechnung trug. Da gab es keinerlei Zufälligkeit.

Die aktuelle Crew hingegen verdankt diesem Zufall und dem Rohtalent der Spieler alles. Ob Heraf so etwas wie "Konzept" buchstabieren kann?

Ansätze einer "erkennbaren Spielstrategie" (einer meiner Punkte von Ende Mai) wurde von der Offensiv-Abteilung der Mannschaft bereits in Eigenregie übernommen. Daran gehört gefeilt und geübt. Aber bloß nicht von Heraf. Dessen "guten Ideen" (wie die Umstellungen im Frankreich-Spiel) sind - im Zusammenspiel mit seiner Wurtschigkeit - die größte Gefahr.

Zufall + Talent = noch gar nix.

Sofern ihn nicht ein Liga-Club wegengagiert braucht er dringend ein paar Gludvatze im Hintergrund. Die dann allerdings auch eingreifen, wenn's brennt - nicht so wie die Männer hinter Maradona, die im entscheidenden Moment die strategische Unfähigkeit des Ex-Spieler-Genies nicht overrulen konnten.

Ich hab unlängst zufällig eine offizielle Broschüre des Verbandes von Liechtenstein in Händen gehalten. Dort, in der Darstellung des fußballerischen Ausbildungs-Plans dieses Fußball-Zwerges, war mehr Klarheit und Stringenz, was Philosophie, Ausbildungs-Plan und Strategie betrifft zu finden, als in allem, was der ÖFB so herausgibt.

Vielleicht kann man sich ja am kleinen Nachbarn orientieren. Oder, noch besser, dem vielen Geschwätz auch Taten folgen lassen und tatsächlich die Besten für dieses vielleicht letzten WM-Turnier, an dem man für lange Zeit teilnehmen wird, zusammenziehen. Um aus einem Haufen von Zufall und Talent etwas zu machen, wovon der gesamte heimische Fußball profitieren wird.