Erstellt am: 25. 7. 2010 - 15:00 Uhr
"Die glauben, wir geben uns nicht mal die Hand!"
Am Pogusch ist die Welt noch in Ordnung. Frank Stronach und Dieter Mateschitz versuchen über Fußball zu reden, Tobias Moretti bewundert die Krachlederne von Herbert Prohaska und Heinz Fischer hat sogar seinen slowenischen Amtskollegen Ivo Josipovic mitgebracht. Beim alljährlichen Opinion Leader Meating (vulgo: Weinverkostung) der Kleinen Zeitung haben sich alle sehr sehr gern. Alfred Gusenbauer darf unkritisiert fachsimpeln, Josef Pröll seine Ärmel hochziehen und Nicholas Ofczarek als aktueller "Jedermann" zum ersten Mal dabei sein.
Sogar zwei, die sich meistens nicht so gerne haben, posieren am Pogusch Arm in Arm und scherzend vor den Kameras. "Die glauben, wir geben uns nicht mal die Hand", flüstert Hermann Schützenhöfer für alle verständlich dem auch gut gelaunten Franz Voves ins Ohr. Kein Wunder: Man kennt sich schließlich recht gut.
Proporz im Verfassungsrang
In den letzten fünf Jahren saßen die beiden nämlich gemeinsam in der steirischen Landesregierung. Voves ein paar Prozentpunkte vorne, deshalb er als Landeshauptmann und Schützenhofer als sein Vize, oder "Vize", wie die Zeitungen gerne schreiben. Wenn sie in dieser Zeit also wirklich niemals miteinander gesprochen hätten, würde es für die Steiermark sehr schlecht aussehen. Dies ist aber keine Koalition aus Liebe oder zumindest Pragmatismus, sondern dem sonderbaren Proporz geschuldet. Aber nicht dem, den es in dunklen Magistraten und Aufsichtsräten gibt, sondern dem, der in der steirischen Landesverfassung steht. Regierungssitze werden nach Wahlergebnis verteilt, die große Koalition damit in den Verfassungsrang erhoben. Im dazugehörigen Landtag sitzen auch noch die KPÖ (Platz 3) und die Grünen (Platz 4). Gemeinsam mit FPÖ und BZÖ matchen sie sich am 26. September in der nächsten Landtagswahl. Neben Wien (Wahl am 10. Oktober) bietet der Herbst also ein politisches Schlachtfeld in Österreich.
Feel Good Kampagnen stehen auch nicht am Speiseplan der steirischen Spin Doktoren. Es wird quer geschossen und beschuldigt. Vor allem die beiden Großparteien kämpfen mit allen Mitteln um die entscheidenden Prozente.
SPÖ: Skandale und Animationsfilme
In den Umfragen liegen beide gleich auf, die ÖVP hat vielleicht ein wenig die Nase vorn. Vor allem, seit Voves mit der chaotischen Selbst-Demontage der Grazer SPÖ gestraft ist. Dort wird auch im Herbst die Wahl entschieden. Ein letzter Rettungsversuch ist somit zum nächsten Stolperstein des gern gegen die Bundespolitik polternden Ex-Versicherungs-Chef geworden. Seinen langen Mitstreiter Kurt Flecker hat er erst vom Landesrat zum Landtagspräsidenten runtergestuft und jetzt wird er bei der Wahl nicht einmal mehr einen Listenplatz haben. Da hilft es wenig, dass jetzt sogar Kanzler Faymann von der "Reichensteuer" spricht, wegen der er Voves noch vor kurzem gemaßregelt hat. Noch aus dem letzten Jahr nimmt er die peinlichen Vorgänge der Parteistiftung mit, bei der einiges an Geld zwischen den verschiedenen Institutionen herumgeschoben wurde. Das nur kurz nach Voves' Attacken gegen das steuerschonende Stiftungsrecht. Glaubwürdigkeit schwang da nicht unbedingt mit.
SPÖ Steiermark
Auf den Plakaten lässt er sich wie sein niederösterreichischer Kollege von hinten abbilden, durch die fehlende prägnante Haar"pracht" wirkt er aber leicht verloren. Immerhin hat er es geschafft, dass eine animierte Voves-Biographie sogar im Kino gelaufen ist. "LH" heißt der Film und steht nicht für "Landeshauptmann" sondern für "Local Hero". Im Film darf der ehemalige Eishockey-Nationalspieler sogar ein Tor gegen die Sowjetunion schießen, was ihm bei den Olympischen Spielen in Innsbruck aber nicht wirklich gelungen ist. Er tut was er kann, scheint aber seine wichtigste Waffe langsam zu verlieren, nämlich seine Sympathiewerte und sein gutes Talent, mit den "einfachen Leuten" zu sprechen.
ÖVP: Zuschauen und die eigene Weltordnung richten
Dieses Gabe wird Schützenhöfer nicht so stark zugebilligt. Dass die Volkspartei auch an der Regierung beteiligt war und nicht wenige Entschlüsse einstimmig gefallen sind, bleibt in seinem Wahlkampf eher im Hintergrund. Viel müssen die Wahlkämpfer aber ohnehin nicht tun, sondern einfach nur zuschauen, wie sich die SPÖ von Skandal zu Skandälchen hantelt. Hermann Schützenhöfer hat also gute Chancen, nach fünf Jahren Auszeit das Bundesland wieder in den Bund der ÖVP-Länder zurückzuholen. Seine Partei hat er wider Erwarten hinter sich vereinigt, ein großer Charismatiker ist er trotzdem nicht.
ÖVP Steiermark
Bei der letzten Wahl 2005 hatte eine Schockstarre die Partei ergriffen. Das schwarze Kernland war verloren. Nach Jahrzehnten der Dominanz und geschickter "Über die Grenzen schaun"-Politik (so geht etwa der Steirische Herbst auf den ÖVP-Politiker Hanns Koren zurück) waren plötzlich die Sozialdemokraten vorne. Die omnipräsente Landesmutterfigur Waltraud Klasnic hatte ihre Partei in dieses Schlamassel manövriert, als seltsame Vorgänge im Energiekonzern ESTAG bekannt wurden und unverschämt hohe Subventionen in den Tierpark Herberstein zu Klasnics Freundin Andrea Herberstein flossen. Dass dann auch noch Ex-Krainer-Kronprinz Gerhard Hirschmann mit eigener Liste antrat, gab der ÖVP den Rest. Klasnic trat ab und übergab an den bis dahin eher farblosen Hermann Schützenhöfer. Er hat es deutlich leichter als seine Vorgängerin. Den amtierenden Landeshauptmann kritisieren ist nicht schwer, Hirschmann hat er auch keinen im Team und eigentlich muss er nur auf den Sieg warten. Aber angesichts all der hervorragenden Voraussetzungen sind die Prognosen noch immer überraschend ausgeglichen.
Egal wie die Wahl ausgeht, SPÖ und ÖVP werden wohl wieder in der Landesregierung sitzen. Das tut allerlei Koalitionswünschen im Landtag aber keinen Abbruch, schließlich gibt es ja noch fünf Parteien, die um den Einzug kämpfen.
KPÖ: Altvordere überwinden und zittern
Noch Dritter im Land ist die KPÖ. Nach Seriensiegen bei den Grazer Gemeinderatswahlen hatten sie sich vor fünf Jahren in den Landtag gewagt und haben gleich 6,3 Prozent bekommen. Allerdings trägt der Erfolg der kollektivistischen Vereinigung den Namen eines einzelnen Individuums: Ernest Kaltenegger, zuerst Stadtrat in Graz und in den letzten Jahren einsamer Kämpfer gegen die Machenschaften der Glücksspielindustrie. Er tritt nicht mehr an, seine Partei muss sogar um den Einzug zittern. Seine Nachfolgerin Claudia Klimt-Weithaler hat es noch schwer, aus seinem Schatten zu entfliehen. Wohl auch deshalb, weil Kaltenegger nach wie vor am Wahlkampf beteiligt ist.
KPÖ Steiermark
Grüne: Heimatbefehl und Koalitionspoker spielen
Auch bei den Grünen geht es wahrscheinlich darum, nicht allzu viel zu verlieren. Beim letzten Mal zwar endlich die FPÖ überholt und dann wieder nur Vierter, starteten sie den aktuellen Wahlkampf gleich mal mit einem Rückzieher. Der durchschnittlich bekannte Kabarettist Jörg Martin Willnauer wurde zum Spitzenkandidaten erhoben und versuchte damit an die Grünen-Tradition der künstlerisch versierten Polit-Quereinsteiger anzuknüpfen. Wer die Mühlen der Parteiarbeit aber nicht kennt, hat das politische Täglich-Brot schnell satt. Nach ein paar Monaten ließ er es wieder bleiben und die Partei stand plötzlich ohne Spitzenkandidat da. Also beorderte man den bekanntesten steirischen Grünen in die Heimat: Werner Kogler. Ihm ist es noch immer nicht ganz zu glauben, dass ihn der Nationalrat nicht mehr interessiert, will die Diskussion aber mit dem Propagieren einer rot-rot-grünen Koalition anheizen.
Die Grünen Steiermark
FPÖ: Schweizer Stars und die Südtirolfrage
Ebenfalls mit Voves koalieren möchte die FPÖ, die es vor fünf Jahren gerade nicht in den Landtag geschafft hat. Auf den Wahlplakaten sonnt sich ein fauler Grieche in der Hängematte und auch sonst ist der Wahlkampf rund um Gerhard Kurzmann recht deftig. Als Spin Doctor hat er sich Alexander Segert geholt, der in der Schweiz die erfolgreiche Anti-Minarett-Bewegung zu verantworten hat. Der ehemalige "Südtirol-Sprecher" der Bundespartei beschwert sich über "Gender Mainstreaming", das schlechte Standing der deutschen Sprache in der EU und setzt sich natürlich für die Wiedervereinigung mit Südtirol ein. Laut aktuellen Umfragen könnte er es sogar in die Regierung schaffen.
FPÖ Steiermark
BZÖ: Gerald Grosz und Gerald Grosz
Im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern hat auch das BZÖ die Chance in den Landtag einzuziehen. Wobei "Bündnis" vielleicht das falsche Wort ist. Schließlich scheint der steirische Ableger auf den ersten Blick wirklich nur aus ihrem Spitzenkandidaten Gerald Grosz zu bestehen. Er ist gleichzeitg Nationalrat, Grazer Gemeinderatsabgeordneter und Spitzenkandidat. Grosz möchte Haider in vielen Belangen kopieren und verwendet sogar das gleiche Lied bei den Wahlkampfauftritten. Schafft es das BZÖ nicht in den Landtag, geht er mit 33 in die politische Frühpension, so zumindest die Ankündigung.
BZÖ Steiermark
Am Ende entscheidet der Königsmacher
Wie auch immer: Am Ende sitzen die Parteien in der Regierung, die per Wahlentscheid dazu bestimmt werden und zur Zusammenarbeit verdonnert sind. Ob sie das wollen oder nicht. Nachdem die SPÖ in früheren Jahren das Proporz-System abschaffen wollte, beharrt jetzt die ÖVP drauf. Stimmen die derzeitigen Umfragen, könnte es auch die FPÖ in die Regierung schaffen. Derzeit hat die SPÖ fünf und die ÖVP vier Landesräte. Ein neuer Player könnte zum Gleichstand führen und damit den Königsmacher spielen. Kein Wunder also, dass die FPÖ von beiden Großparteien lieblich umschmeichelt wird.
Immerhin beim Wein sind sich die Politiker aller Schattierungen einig. In der sommerlichen Hitze am Pogusch bevorzugen alle die weiße Variante. Und das, obwohl sie die Landesverfassung nicht einmal dazu zwingt.