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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

22. 7. 2010 - 13:30

Fußball-Journal '10-30.

Der Sündenbock-Schmäh. Wie es U19-Coach Andreas Heraf dreht, dass nicht er und seine langfristige Planlosigkeit, sondern ein einzelner Jugendlicher schuld am unnötig schwachen Abschneiden bei der Euro-Endrunde ist.

Das WM-Journal war gestern. Jetzt ist wieder Alltag, also Fußball-Journal 10.

Österreichs U19 ist gestern abend in eine (zu) hohe Niederlage gegen die Gastgeber dieser EM-Endrunde gestolpert.

Wer daran schuld ist, das weiß der zuständige Verantwortliche, Andreas Heraf, ein Ausbund an Planung, Präzision, Fleiß und Konzentration auf seinen Job ganz genau.

Es handelt sich dabei nicht um die inexistente Vorbereitung des ÖFB-Teams auf dieses Turnier - im Gegensatz etwa zu Frankreich, wo man sich intensiv in Trainingslagern vorbereitete.

Unschuldig sind definitiv: der ÖFB, die Bundesliga...

Es handelt sich auch nicht um die Unfähigkeit des ÖFB alle Spieler der Altersklasse '91 und jünger freigestellt zu bekommen - wofür man ein Händchen, was die Kommunikation betrifft, Durchsetzungswillen und langfristige Planung braucht. Über all das verfügen weder Heraf noch die entsprechenden Koordinatoren. Ihr Gejammer erfolgt auschließlich kurzfristig oder im nachhinein, ausschließlich für die Medien.

Schuld sind auch nicht die Vereine, die etwa den international erfahrenen Zentral-Verteidiger Dragovic oder ein wichtiges Mannschaftsmitglied, den als Jolly verwendbaren Patrick Farkas nicht abgestellt haben, also die Austria oder Mattersburg.

Auch die Bundesliga, die ihr Versprechen alles nur mögliche zu tun um die U19 zu unterstützen, gebrochen hat als wärs Knäckebrot, trifft selbstverständlich keinerlei Vorwurf. Schließlich handelt sie immer so - windelweich aus Prinzip.

...Heraf, Herzog, Ruttensteiner, die Nicht-Philosophie, ...

Schuld ist auch keinesfalls die nicht vorhandene Personal-Planung von Heraf selber, was die Defensive betrifft. Dass er sich seit Anfang an nicht um die Zusammenstellung einer verläßlichen Abwehr gekümmert hat, ist ebensowenig ein Problem wie seine nicht druchgeführten Beobachtungen von im Ausland tätigen Spielern.

Ebenso schuldlos ist Heraf an seinen ununterbrochen durchgeführten disziplinarischen Maßnahmen, die Kleinigkeiten, Lachhaftigkeiten und Falscheinschätzungen der digitalen Kommunikation der Jungen zum Anlaß für Ausgrenzungen und Verbannungen nehmen.

Keine Schuld triftt auch die Beobachter und analytischen Einschätzer der Gegner, also Heraf und seinen EM-Helfer Andreas Herzog. Dass sie ihre sicher brillanten und richtigen Schlüsse aus diesen Analysen der Mannschaft nicht näherbringen konnten - nicht ihr Problem!

...die Nebenjobs und die Mannschaft. Alle unschuldig.

Schuldlos ist auch TD Willy Ruttensteiner, der ein paar Tage vor der kleinen Euro einen internen Personal-Wickel vom Zaun brach, in dessen Rahmen er im Rahmen einer Wutrede einen 19jährigen Burschen als "charakterlos" bezeichnete, anstatt sich mit dem anstehenden Turnier auseinanderzusetzen.

Auf gar keinen Fall schuld ist die fehlende Spiel-Philosophie des ÖFB und die strategische Wurschtigkeit des U19-Trainerteams, dessen einzige Anweisung "spüts halt offensiv!" ist.

Unmöglich schuld können die zum Hauptberuf gewordenen Nebenjobs von Coach Andreas Heraf sein - und die Tatsache, dass sie den eigentlichen Hauptjob zeit- und ressourcenmäßig in den Hintergrund drängen.

Schuld ist auch nicht die gestern etwas hirnlos aufgestellte Mannschaft ohne Kainz, Klem, Klasmüllner und Djuricin in der Anfgangs-Formation.
Oder die Anweisung an die Abwehr lange Bälle nach vorne zu schlagen.

Schuld ist vielmehr: ein Austauschspieler.

Die hier angesprochenen vier Top-Chancen in der 1. Halbzeit hat Heraf exklusiv gesehen. Im Live-Ticker zum Spiel sind sie jedenfalls nicht aufzufinden.

Schuld ist vielmehr ein einzelner Austauschspieler von gestern.
An allem. Und überhaupt.
Der wird jetzt, wie schon so viele andere U19-Talente in der Ära Heraf vor ihm, jetzt diszipliniert, verbannt und für alle Zeiten auf eine Blacklist des ÖFB gesetzt.

So ist das.

Das, lieber Leser, das werte Leserin, haltet ihr für einen Gag, eine Parodie, einen Witz?

Das ist blutiger Ernst, wird von Andreas Heraf an die Öffentlichkeit getragen. Bis zum 0:2 wäre die Leistung sehr gut gewesen, sagt Heraf. Danach hätte dann dieser Wechselspieler das Klima vergiftet und "dazu beigetragen, dass wir am Ende noch fünf Stück bekommen haben", sagt Heraf. Der Mann hat Probleme mit den Zahlen. In der 2. Halbzeit fielen nämlich nur vier Tore.

Anschließend habe der Austauschspieler, wie alle jungen Österreicher nach dem 0:5 zutiefst frustriert, auch noch zurückgemault.

Nämlich "H-e-r-a-f". Ein Coach mit Charakter nimmt nämlich die Verantwortung auf sich und lagert sie nicht auf seine jugendlichen Schutzbefohlenen aus.

Ich weiß jetzt immerhin wie man "Charakterlos" buchstabiert

So, das wäre erledigt.
Es ist also alles wieder im Lot.
Der Schuldige an der Niederlage und überhaupt allem ist ausgemacht, umzingelt und vernichtet.
Und: auch wenn hier von schnellem Verzeihen die Rede ist - so ein Makle bleibt picken.
Und zurecht: denn Fehler dürfen sich junge Menschen einfach nicht leisten.
Leistungsgesellschaft und so.

Für gestandene Ex-Spieler gilt das nicht. Die haben mit ihrer vormaligen Leistung als ehemalige Nationalspieler einen Freibrief für alles, oder?

Das ist super.
Ganz unglaublich super.
So super, dass ich Andreas Heraf für eine Beförderung vorschlagen möchte. Oder noch besser: für das, was er eigentlich, im Grunde seines Herzens werden will.
Nämlich eh nix im ÖFB, das ist nix, zwenig Geld und Ruhm, nur Verantwortung und Nachhaltigkeit und Zukunftsdenken statt "Ich AG"-Selbstmarketing.
Also: liebe Bundesliga-Klubs mit Hang zur Panik und zu Schnellschüssen, lieber Herr Reichel, lieber Herr Nagel - bietet dem Mann schnell einen Job an.

Dann wäre er nämlich dort wo er sich wohl und wichtigfühlt: als medial hofierter Lokal-Kaiser; und weg aus einem Bereich wo er sich benimmt wie ein Hurricane oder ein offenes Bohrloch. Und Verheerungen der schlimmsten Sorte anrichtet.