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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

21. 7. 2010 - 17:35

Fußball-Journal '10-29.

Jenseits des Tellerrands. Ein virtueller Ausflug zum Nachbarn nach St. Jakob, in eine um eine Klasse bessere Fußball-Welt.

Das WM-Journal war gestern. Jetzt ist wieder Alltag, also Fußball-Journal 10.

Nach der üblichen, auf der Färöern so gern an Österreicher verteilten Kopfnuss, die HB Torshavn dem FC Salzburg (der in Europa dosenimageschonend ja nicht Red Bull heißen darf) verabreichte ist es nicht ratsam, sofort wieder unter Menschen zu gehen. Man könnte seinen Ärger an Unschuldigen auslassen.
Besser man taucht sofort in ein anderes Spiel.

Am besten eines aus dem Ausland.
Um Abstand zu bekommen.

Die erste Bundesliga-Runde in Österreich im Überblick.

Da bot sich gestern um 20 Uhr eine TV-Live-Übertragung an.
Und zwar der Hit des Meisterschaftsstarts eines WM-Teilnehmers - wenn man's martkschreierisch verkaufen will (und einen anderen Umgangston kenne ich von hiesigen Fußball-Medien nicht); oder ein Spiel einer vergleichbaren Zehner-Liga eines kleinen Nachbarn (wenn man's schlechtreden will; und im Fall von "ausländischem" Fußball gibt es zwischen Hochjubeln - Stichwort Barcelona - und Niederlabern - Stichwort überschätzte deutsche Bundesliga - ja keine realistischen Zwischentöne.

EfzeBe gegen EfzeZet

In jedem Fall: FC Basel gegen FC Zürich, im St. Jakobs-Park, Meister 09/10 gegen Meister 08/09. Der Hit im so nahen und doch so fernen Fußball-Land Schweiz.

Nun mag es an dieser Erstbegegnung nach langer Zeit liegen (das letzte Schweizer Match das ich gesehen habe, abseits von Nationalteam und EC-Begegnungen? Das Cupfinale 08?) und der daraus resultierenden Offenheit neuen Erfahrungen gegenüber. Obwohl: diese Schmähs kenne ich ja und kann sie einordnen.
Es war in jedem Fall so, dass dieses Spiel in jeder, absolut jeder Hinsicht, dem, was ich das Wochenende davor an österreichischem gesehen hatte, eine ganze Klasse überlegen war. In manchen Bereichen sogar zwei.
Das Stadion etwa, ein athmosphärisches Prunkstück, ein Produkt der Euro 08 - etwas was es in Österreich aktuell nicht gibt. Tivoli zurückgebaut, Klagenfurt nicht mehr auf der Landkarte, Praterstadion ungenützt...

Oder: das Tempo, das beide Teams an den Tag legen, trotz durchaus heißer Temperaturen und obwohl vier WM-Akteure auf dem Platz stehen.
Die Jugend und Offensivität beider Mannschaften, die spürbare Anwesenheit von enormem Potential, egal ob es sich dabei um Schweizer U-21/20/19/17-Nationalspieler oder solche aus anderen Ländern handelt.
Ich habe kurz die (67) österreichischen Legionäre durchgecheckt und bei Nachsicht aller Taxen kommt man dabei auf sieben Spieler, für die "jugendlich" noch gilt (darunter natürlich auch Rohdiamanten wie Naim Sharifi, den neuen tadschikischen Außenverteidiger bei Kapfenberg, den neuen Adam Green des österreichischen Fußballs). Soviele waren allein gestern auf einem, Platz zu sehen.

Alles für die Nati

Vorweg: das System, dass beide, FCB wie FCZ, spielen, ist nicht mein favorisiertes. Beide treten im strikten 4-4-2 mit zwei Reihen an, wobei die zentralen Mittelfeldspieler (Huggel und Gilles Yapi, der neue Ivoirer auf der einen, Aegerter und Margairaz auf der anderen Seite) tendenziell eher defensive Aufgaben wahrnehmen und die Attacke den Seitenspielern überlassen. Die sind dann allerdings von einer Zungenschnalzer-Klasse.

Samuel Inkoom, mein ghanesischer Lieblingsspieler und der 18-jährige Shaqiri (Schweiz-Albaner) etwa auf der rechten Seite beim FC Basel - fantastisch. Und später, als ein Herr Tembo (21) aus Zambia für Shaqiri kam - noch besser.
Oder, auf der linken FCB-Seite: Behrang Safari, schwedischer Jung-Internationaler mit persischen Roots, und vor ihm Valentin Stocker (21).
Oder, noch wilder, die linke FCZ-Seite: hinter Dusan Djuric, serbischem Schweden, spielt der 17-jährige Ricardo Rodriguez, ein Weltmeister. Weltmeister mit der Schweizer U17. Und er, der kleine Ricardo, schießt praktisch alle Standards seiner Mannschaft. Mit 17. In einem tollen schnellen gewitzten Spiel, das Basel etwas glücklich gewinnt, nachdem Zürich zweimal in Führung gegangen war.

Wie gesagt, ich mag dieses System nicht unbedingt. Aber: als hätten sie einen unsichtbaren Pakt, spielen alle größeren Schweizer Teams so. Wie auch die Nati von Ottmar Hitzfeld. Und die jungen Auswahlteams, wie auch die U17, Weltmeister wie wir wissen. Seit 15 Jahren, oder länger.
Als man sich in der Schweiz zu so etwas wie einer nationalen Fußball-Philosophie entschlossen hatte. Und das bis heute durchhält.

Eine klar konturierte Philosophie...

Es spielen ja auch ein paar Österreicher in der Super League. Sanel Kuljic etwa, als Joker bei Xamax Neuchatel kommt er in der 63. Minute rein und rettet durch ein Tor in der 80. ein Remis, auswärts beim großen GC.
Oder Thomas Prager, der Rapid durch die Lappen ging, beim El-Starter FC Luzern, dem ersten Tabellenführer. Der kam in der 75. Minute für die Legende Hakan Yakin.

Beim Gegner, dem FC St. Gallen, wurde in der 63. Minute ein U19-Akteur eingewechselt: Manuel Sutter, Abgänger der AKA Vorarlberg, danach in St. Gallen ausgebildet wie auch Marcel Büchel, der danach nach Siena und jetzt zur Juve wechselte.
Sutter und Büchel waren für die U19-Euro auf Abruf nominiert. Sutter durfte Meisterschaft spielen, wie alle anderen auch, nur Büchel hätte sich vorort in Frankreich einfinden sollen. Eine der vielen Böcke, die der ÖFB zuletzt geschossen hat.

So gut aktuell die Ansätze der österreichischen Liga sind: in dem Zeitraum, wo wir einen Schritt machen, bringen die anderen drei zusammen. Und haben nicht nur die besseren Jugend-Spieler, sondern auch junge Legionäre, für die man gern ins Stadion kommt, haben nicht nur eine klar konturierte Philosophie, sondern auch die daraus resultierenden Erfolge.

Und deshalb dann auch das um eine ganze Klasse bessere Spiel; deutlich besser als etwa das eh schon recht anständige und flotte Match zwischen Wacker Innsbruck und Rapid Wien, um da das brauchbarste vom Wochenende (und ich hab mir jedes einzelne der fünf Matches angeschaut, das geht diese Saison ja) rauszugreifen. Durchaus internationale Klasse eben.

Eine Klasse, die auch im Umfeld spürbar wird. Nicht nur, wie schon erwähnt, im Stadion, sondern auch im Liga-Umfeld: die von Schweizer Stromversorger Axpo gesponserte Super League ist (im, abkürzungssüchtigen Land logisch) die ASL. Da steht man aber drüber - schließlich weiß jeder, wofür das A steht. In Österreich, dem Land der "tipp3-Bundesliga powered by T-Mobile" ist sowas natürlich nicht möglich.

Eine Klasse besser ist auch die TV-Übertragung. Man ist vor Ort mitten in der Atmo drin, man ist gut vorbereitet, man ist schnell, hat sinnvolle Zuspieler, eine flüssig formulierenden Experten, reagiert schnell, ist geistig flexibel und lähmt sich und das Publikum nicht mit Fehlersuche und Pseudo-Analyse, sondern sucht - sehr journalistisch - die interessante Geschichte.

... flüssig formulierende Experten...

So kommt man zu tatsächlich gehaltvollen Trainer-Interviews (wo es hierzulande nur Floskel-Abtausch gibt) und Fachdialogen zwischen Moderator und Expertem (wo es hierzulande nur ums Minutenschinden in den Pausen geht). Dass sich die angeblich so langsamen Schweizer einer schnellen Sprache befleißigen, ist angesichts des strudelteigmäßig gedehnten, anspruchslosen inhaltlichen Nichts der österreichischen Fernseh-Pendants schmerzhaft auffällig.

Und weil man sich in diesem Fall nicht auf die finanzielle und personelle Übermacht des großen deutschen Nachbarn ausreden kann, sondern mit einem vergleichbaren Medium ein vergleichbares Ereignis covert, bröseln auch die so gearteten Ausreden in sich zusammen.

Und nochmal "im übrigen": dass das zweite Spiel der jungen Österreicher bei der U19-EM-Endrunde in Frankreich gegen den Veranstalter in Sport Plus nicht übertragen wird, hinterläßt mich echt fassungslos.

Im übrigen: die Schweiz nimmt Österreich fußballerisch nicht wahr. Als man vor dem Match erzählt, gemeinsam mit Dänemark die erste Euro-Liga zu sein, die schon in den Betrieb losstartet, lässt man den parallel gestarteten Austro-Start problemlos außer Acht.

Denn im Gegensatz zu Österreich, dem ein neugieriger Blick in Nachbars-Gefilde echt gut tun würde (weil man in jeder Hinsicht etwas lernen kann), haben es weder Schweizer Liga, noch Verband, noch die Medien nötig, zum unterentwicklten Dritte-Welt-Tschapperl rüberzulugen.