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Andreas Gstettner-Brugger

Vertieft sich gern in elektronische Popmusik, Indiegeschrammel, gute Bücher und österreichische Musik.

26. 7. 2010 - 18:00

Von Ratten und Gift

Diebe, Beschützer, Kunstwerke und eine Menge heftiger Gifte. Der neue Roman "Dein oder mein" von Adam Davies ist ein aberwitziger Genremix aus Thriller, Satire und Liebesgeschichte.

Wenn Lügen kurze Beine hätten, wären die meisten Menschen unter 1.50 Meter groß. Denn seit geraumer Zeit kursieren Statistiken, dass Menschen rund 200 Mal am Tag lügen. Egal ob beim Smalltalken oder bei Verkaufsgesprächen, das Lügen, Täuschen und Verdecken ist Bestandteil unseres Lebens, egal ob wir das verteidigen, oder einen Selbstversuch starten, 40 Tage ehrlich zu sein. Doch manchmal kann uns ein verborgenes Geheimnis zerfressen, wenn es um geliebte Menschen geht und ganz schön gefährlich werden, wenn wir uns mit den falschen Menschen einlassen.

Geheimnisse

"Ich verrate ihnen ein Geheimnis": Mit diesem ersten Satz hat Otto Starks sofort unsere ganze Aufmerksamkeit.

Buchcover Adam Davies "Dein oder mein"

Diogenes Verlag

Adam Davies "Dein oder mein" ist im Diogenes Verlag erschienen und aus dem Amerikanischen von Hans M. Herzog übersetzt worden.

Man kann es sich vorstellen, wie er vorsichtig über seine Schulter blickt und uns dann mit einer verschwörerischen Geste zu sich winkt, damit wir jedes geflüsterte Wort auch verstehen. Seit zehn Jahre lebt er schon mit einer großen Lüge. Neun Jahre lang hatte er damit kein Problem, aber seit Charlie in sein Leben getreten ist, kann und will er nicht mehr anders, als mit der Wahrheit rauszurücken. Wie sonst sollte er schon die entscheidende Frage stellen können? Wie sonst sollte er seinen genialen Plan, bei dem ein samtüberzogenes Schächtelchen mit einem Ring unter der Motorhaube seines schäbigen Wagens eine tragende Rolls spielt, in die Tat umsetzten? Mist, dabei ist es ihm, als er die Frau seines Lebens kennenlernte einfach nur so rausgerutscht:
"Ich bin Talentesucher für die New York Mets."

Die Wahrheit sieht natürlich anders aus. Otto Starks redet nicht mit uns, sondern mit einer wertvollen, afrikanischen Maske, die hinter Schutzglas in einem Museum aufgestellt ist. Denn Otto ist ein Guardian, ein Wächter. Er gehört zur absoluten Elite von Security-Leuten, die wertvolle Dinge oder Menschen beschützen. In Starks Fall sind es Kunstschätze, die es zu bewachen gilt und deren Wert mit mindestens achtstelligen Beträgen angegeben werden. Es hat außerdem eine übermenschliche Wahrnehmung, was Geräusche, Gerüche und Düfte betrifft und ist der Beste seines Faches. Wäre da nicht "die Ratte", ein gerissener und knallharter Dieb, der ihm sein Leben zur Hölle macht. Vier Mal hintereinander wurde er schon übertölpelt und jetzt steht nicht nur der Ruf der gesamten Guardian-Firma am Spiel, auch Ottos Schulden bei einem zwielichtigen Mafioso könnten ihm nun im wahrsten Sinn des Wortes Kopf und Kragen kosten. Eine letzte Chance hat Otto Starks noch, sich zu rehabilitieren. Er muss der Ratte den Gar ausmachen.

Zu allem Überfluss darf er eigentlich kein Wort darüber verlieren, schließlich hat er eine Verschwiegenheitserklärung unterschrieben. Also muss Otto sich entscheiden: Der Frau, die er liebt die Wahrheit sagen, oder seinen Job, den er liebt, retten.

Entwaffnender Humor im Drogenrausch

Der amerikanische Autor Adam Davies hat mit seinem dritten Roman einen hochamüsanten, rasanten und sehr ironischen Genremix aus Diebes-, Kriminal- und Liebesgeschichte vorgelegt, wobei alle Klischees ausgelotet und gleichzeitig durch den Kakao gezogen werden. Gleich zu Beginn entwaffnet der wortgewandte Autor mit reichlich Sarkasmus unsere Helden der Kinoleinwand. Weder Ethan Hunt noch Daniel "Danny" Ocean bleiben verschont, wenn es darum geht, die größten Lügen der Diebesfilmgeschichte zu enttarnen, wobei hier der feine, treffsichere Witz und nicht altkluge Arroganz vorherrscht. Auch die für so eine Geschichte eher unüblichen Fußnoten bergen viele Lacher und stoppen dabei nicht den Erzählfluss, sondern unterfüttern die Situationen mit einer weiteren Ebene, die uns den Hauptcharakter auf sympathische Weise näher bringt.

Adam Davies

Robert Wilson

Adam Davies

"Dein oder mein" lebt von der Schreibweise Davies' und seiner unmittelbaren Art, Geschichten zu erzählen. Dabei sind es weniger die überraschenden Wendungen, die den starken Sog entstehen lassen, als vielmehr sein Geschick seinen Helden mit jeder Seite tiefer in eine auswegslose Situation zu verstricken. Gleichzeitig lässt der amerikanische Autor die Geschehnisse immer skurriler werden, denn Otto Starks verabreicht sich in desensibilisierenden Dosen ein Gift nach dem anderen, um immun gegen jeden Anschlag zu werden.

Mit einem nicht ungefährlichen Drogencocktail, der wie bei einem Spiegeltrinker ständig in der Blutlaufbahn zirkuliert, fällt es ihm immer schwerer kühlen Kopfes Entscheidungen zu treffen und steigert nebenbei seine Unempfindlichkeit gegenüber physischen Schmerzen. Ob das alles wohl reicht, den blutigen Showdown mit der Ratte zu überleben und mit seiner großen Liebe bis ans Ende der Welt auf und davon zu segeln...