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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

17. 7. 2010 - 18:17

Fußball-Journal '10-27.

Eine gar nicht so kleine Huldigung der österreichischen U19-Nationalmannschaft, die morgen in ihr EM-Turnier startet. Und ein paar Zeilen Hass für das Umfeld, das ihnen diese Aufgabe so schwer wie möglich machen will.

Das WM-Journal war gestern.
Jetzt ist wieder Alltag, also Fußball-Journal 10.

Es ist eine prinzipielle Frage der Prioritäten. Lieber in den Jubelchor der gleichgeschalteten Mainstream-Medien einstimmen oder die fast schon verschwundene kritische Berichterstattung aufrecht erhalten?
Ihr wisst, dass ich mich immer für zweiteres entscheiden werde, selbst wenn man es nicht mehr hören mag. Auch wenn es unglaubliche Peinlichkeiten gibt.

Nur: in diesem Fall geht es um mehr.

Es geht um noch mehr: die Top 6 dieser Euro fahren 2011 zur U20-WM nach Kolumbien. Ein Sieg reicht wahrscheinlich schon für dieses Ticket.

Nämlich um die morgen startende Euromeisterschaft der U19-Fußballer. Acht Nationen sind dabei, Spanier, Holländer, Engländer, Italiener, Franzosen, Portugiesen und Kroaten. Also bis auf die Deutschen alle üblichen Verdächtigen, alle großen Nationen.

Und Österreich.

Das ist unglaublich, sensationell und toll.
Und es ist zu einem Teil (einem kleinen, aber immerhin) der strukturell recht guten Nachwuchs-Arbeit des ÖFB zu verdanken, die von Leuten wie Hitzel, Ernst Weber oder Paul Gludovatz über Jahre hin aufgebaut wurde. Da stimmen gewisse Strukturen, in die man hineinarbeiten kann.

Zuerst die Huldigung

In seiner Hauptsache aber ist das das Verdienst eines undefinierten Jahrgangs, nämlich dem von 91/92/93. Alle nämlich, die aktuell für die U19 spielberechtigt sind.

Die haben das geschafft, und die sind auch in der Normandie, dem Austragungs-Ort dieser kleinen Euro mit dabei:

  • David Alaba (92), das in den Kader des Champions League-Finalisten aufgerückten Supertalent, der sich selber nominierte und die Freistellung von Bayern München erwirkte - weil der ÖFB zu dämlich dafür war.
  • Michael Schimpelsberger (91), seit immer schon der Kapitän seines Jahrgangs, Innenverteidiger in der Jugend von Twente Enschede, auch Kapitän dessen B-Team, mit dem er Meisterschafts-Zweiter im nachwuchstechnisch vorbildlichen Holland war.
  • Andreas Weimann (91), Nachwuchs-Hoffnung bei Aston Villa, als spielender Stürmer auch schon in der heimischen U21 tätig.
  • Raphael Holzhauser (92), von der Jugend eben ins B-Team des VfB Stuttgart aufgerückter 17-jähriger Regisseur.
  • Christoph Knasmüllner (92), der nächste, der bei Bayern Münchens A-Team anklopft, heuer noch in der B-Mannschaft geparkter Offensiv-Akteur.
  • Tobias Kainz (92), 6er in der Jugend-Abteilung des SC Heerenveen in den Niederlanden wo mit den Kollegen Ostojic, Geissler und Mitrovic noch drei jüngere Burschen warten).
  • Christian Klem (91), kleiner, laufstarker Seitenspieler bei Sturm Graz, bereits im Kader der Großen.
  • Marco Djuricin (93), familiär vorbelasteter Angreifer bei Hertha BSC, Finalist der dortigen B-Jugend-Meisterschaften.
  • Robert Gucher (91), Mittelfeldallrounder in Diensten des italienischen Serie B-Vereins Frosinone, zuletzt vom FC Genua ausgeliehen.
  • Lukas Rath (92), geniales Verteidiger-Talent des SV Mattersburg, spielt dort, egal ob links oder zentral, die eingessenenen Holzfüße in Grund und Boden.
  • Mahmud Imamoglu (91), beruhigender Allround-Abwehrspieler bei der Vienna.
  • Philip Petermann (91), selbstsicherer Tormann, der von den Austria Amateuren gerade nach Pasching wechselt.

Dazu kommen noch Tormann Petrovcic vom GAK, Abwehspieler Dilaver und Stürmer Tiffner von der Austria, sowie Teigl und Meilinger von Salzburg, die Kader stehen, dazu kommen noch einige aus Abruf.

Allesamt extrem heiße Aktien für eine gloriose Fußball-Zukunft.
Und nicht zufällig sind die meisten dieser Akteure, und vor allem die dominanten Gestalten, bei Vereinen im Ausland tätig, dort wo tatsächlich und nicht nur alibimäßig ausgebildet wird. Die acht Legionäre (und bei schlauerer Auswahl hätten es auch mehr sein können) sind das Backbone dieser Mannschaft, die das beste an 17-, 18- und 19jährigen zusammenfasst, das Österreich zu bieten hat.

Ihnen, und nur ihnen gebührt zumindest ein sechster Rang bei dieser Euro.

So, und jetzt der üble Beigeschmack

Denn das, was im Umfeld dieser U19 abgeht, spottet jeder Beschreibung. Sowohl der ÖFB als auch die Bundesliga beweisen in ihren Worten, Taten oder Nicht-Taten, wessen Geistes Kind sie sind.

Das ist ein Knieschuß und zwar ein gewaltiger: einem jungen Kicker die Teilnahme an einem solchen Turnier zu verwehren, bedeutet nicht nur ihn einer Karriere-Chance zu berauben, es verhindert auch eine Bereicherung seiner Erfahrungswelt, was wiederum schlecht für den Verein ist.
Der Provinzialismus von Mattersburg und der Austria richtet sich also mittelfristig gegen sich selbst. Wie blöd muss man sein...

Die Bundesliga, die zuvor ganz groß mit diversen Lippenbekenntnissen volle und ganze Unterstützung zusichert, hat diese ein paar Tage später wieder vergessen. Zuerst versagt die Austria Wien (wie erwartet) Aleksander Dragovic (91) die Freigabe, nachdem vorher schon der Teamchef gemault hatte, er müsse da auch gefragt werden (als ob das A-Team im Juli spielen würde...).
Dann zog auch noch der SV Mattersburg den bereits zugesagten Patrick Farkas (92) zurück.

Beides Akteure aus dem nicht ganz so erstklassig wie die Offensive besetzten Defensiv-Verbund dieser Mannschaft.

Der ÖFB-Nachwuchs-Koordinator kann den dadurch entstandenen Frust nicht mit Attacken auf die Verantwortlichen kompensieren (da muss man, sehr diplomatisch, Verständnis für etwas heucheln, wofür es kein Verständnis gibt), und lässt den Ärger dann an einem Schutzbefohlenen aus, als wär er Gott Kupfer persönlich. Der erfolgreich von Juventus Turin gecastete Marcel Büchel, beim ÖFB nie wohlgelitten, wird öffentlich zur Sau gemacht, weil er kein Verständnis dafür gezeigt hatte, nach Frankreich mitzufahren, obwohl er nur auf Abruf nominiert war. Ein aus der Luft gegriffener Witz, denn eine Abruf-Nominierung ist per definitionem eine Nachhol-Vorwarnung, keineswegs eine Verpflichtung vor Ort herumzuhängen. Auch der ab Abruf nominierte Daniel Schütz etwa spielte am Freitag ganz normal bei seinem Verein in Altach.

Der Google-Coach

Nämlicher Coach ist im Hauptberuf Experte bei Sky, wo aktuell kein noch so lächerliches Zweitliga-Spiel ausgelassen wird, um es grundlos als "viel besser", "offensiver" oder "torreicher" als die "fade WM" (die auch bei Sky zu sehen war...) anzupreisen. Dieses unglaubwürdige Hochjubeln der niveauarmen heimischen Kost hat bereits den Spott der heimischen Presse zur Folge.

In diesem Umfeld bewegt sich auch U21-Teamchef Andreas Herzog, der aktuell die erste Runde live analysiert. Dabei ist Herzog als Beobachter für die U19-Euro vorgesehen, soll die Parallelspiele beobachten, das erste bereits morgen. Das Herumgestehe im TV-Studio scheint aber wichtiger als eine Vorbereitung vor Ort in Frankreich - soviel zu den Prioritäten der ÖFB-Trainer...

Und ein Coach, der ganz stolz auf seine neuen Recherche-Eigenschaften verweist (er verfügt jetzt über die Fähigkeit zu "googeln", also die Gegner via Web-Suche auszuchecken - und er meint das nicht als Parodie, sondern in vollem Ernst, in einem unkritischen Poser-Interview in der Sportwoche), aber wieder die Fragen der Abstellung nicht im Griff hat - wieder hat das mit Bayern und Alaba nicht geklappt, da wurde vollmundig präsentiert ohne vorher angefragt zu haben, was dann in einem "doch nur zwei Spiele"-Rückzieher mündet.

Der Coach ist übrigend derselbe, der schon Turgay Bahadir zu den Türken vertrieben hat, Supertalent Stefan Hierländer (91, aktuell bei Salzburg der Shooting Star) zu Herzogs U21, Ervin Bevab zu Bosnien und Kevin Krisch (91, aktuell bei Werder II) auch wegen einer Nichtigkeit der Marke Büchel kaltgestellt hat. Abwehrspieler wie Janeczek, Bubalovic, Windbichler oder Tauschmann wurden allesamt kaum ausprobiert, lieber wurden Mittelfeldspieler umfunktioniert.

Daxbacher und Parits, Lederer und Pucher, Ruttensteiner, Constantini und Heraf tun also alles, um ein Umfeld zu bereiten, das einen sportlichen Erfolg behindert. Ihnen würde ich, wäre ich eine Hexe ein schnelles EL-Out, den Abstieg, oder zumindest einen festen Hexenschuss an den Hals zaubern - die Mannschaft darf das alles nicht belasten.

Die hat ja auch in den beiden Quali-Runden das Nicht-Coaching von Andreas Heraf (der nichts als ein Gehtsaußeundschpütseuchaschpü mitgibt, diesmal vielleicht mit ein paar Hinweise auf Ergoogteltes...) überspielt, sich selber ein 4-3-3 mit nur einem 6er und offensiven Außenverteidigern und einem echten Dreier-Sturm gegeben.

Vielleicht ist das ja ein Modell für die Zukunft des ÖFB-Team: dass Coaches, die sich (ganz im Sinn des allumfassenden Schmähs von Marketing anstatt relevanter Inhaltsvermittlung) eh nur selber darstellen wollen, von einer intelligenteren Mannschaft einfach overrult werden.

Infos auch zu den Kadern der anderen Team hier bei transfermarkt.at. Und hier die offizielle UEFA-Site.

Die aktuelle 91/2/3er-Generation hat das Zeug dazu.
Am Sonntag um 18 Uhr gegen England (live auf Sport Plus und Eurosport).
Am Mittwoch um 18 Uhr gegen Frankreich und am Samstag um 18 Uhr gegen die Niederlande.