Erstellt am: 19. 7. 2010 - 16:00 Uhr
Helter Skelter!
Es war beinahe unvorstellbar, dass dieser schmächtige Mann all diese Dinge getan haben sollte, die ihm nachgesagt wurden. Denn er sah ganz und gar nicht nach einem Schwergewicht aus, aber gleichzeitig wusste ich, dass es ein verhängnisvoller Fehler wäre, ihn zu unterschätzen. Denn falls die Geschichten von Susan Atkins stimmten, war er nicht nur fähig, selber einen Mord zu begehen, sondern brachte es auch fertig, dass andere auf seinen Befehl hin töteten.
In diesem Fall gab es einfach alles. Sex, Drogen, Blut, Hollywood, Schwarze Magie und Hippies. Die Medien drehten durch. 1969 wird der 32 Jahre alte Charles Manson aus dem Gefängnis entlassen. Fast sein ganzes Leben hatte Manson in Gefängnissen und Heimen verbracht. Wegen Diebstahl, Gewaltdelikten und Vergewaltigung. Im Gefängnis nutzte Manson die Zeit mit dem autodidaktischen Studium der Psychoanalyse, unzähliger Pseudowissenschaften und Okkultismus. Ausgerüstet mit der Lehre der frühen Scientology, Hypnose und einer wasserdichten kriminellen Ausbildung platzt Manson als freier Mann in die geladene Atmosphäre der Hippies in San Francisco.
Warner Home Video
Never say never to always
Schnell schart der charismatische Mann eine Gruppe bedeutend jüngerer Jungen und noch mehr Mädchen um sich und eine unheilvolle Dynamik nimmt seinen Lauf. Die Family lebt von Betrügereien und Diebstahl. Um dem Gesetz aus dem Weg zu gehen, zieht die Gruppe in die einsame Wüste des Death Valley. Auf einem Nährboden aus Sex und Drogen predigt Manson dort eine krude Endzeitphilosophie aus Rassismus und Beatles-Texten.
Zu Beginn versucht Manson noch durch seine Musik zu predigen. Der Beach Boy Dennis Wilson besorgt der Family einige Studioaufnahmen, kauft Manson sogar ein Lied für die Beach Boys ab. Aber keine der heftig umworbenen Plattenfirmen will Manson.
Das Verhalten des enttäuschten Manson radikalisiert sich zunehmend. Er bezeichnet sich mal als Adolf Hitler und Jesus Christus. Die Family müsse den Endkampf der Rassen auslösen. Deshalb schickt er einige Familymitglieder am 8. August 1969 mit dem Auftrag zu töten, in die von Roman Polanski gemietete Villa. Dort fallen ihnen die Schauspielerin und Polanskis Ehefrau Sharon Tate, sowie drei Freunde der Polanskis zum Opfer. Am nächsten Tag wird das zufällig ausgewählte Ehepaar La Bianca von der Family ermordet.
Riva Verlag
In beiden Fällen werden mit Blut Beatles-Zitate an den Tatort geschmiert. Selbst getötet hat Charles Manson in keinem der Fälle, aber er hat die Aufträge dazu gegeben. Später kann Charles Manson aber anderer Morde überführt werden. Die Polizei geht inzwischen von 40 - 50 Morden von Charles Manson und der Family aus. Bewiesen wurde nur ein Bruchteil. Im Falle der Tate- und La Bianca-Morde wurden allerdings alle an der Tat Beteiligten und Charles Manson zur Todesstrafe verurteilt. Später wurden die Todesstrafen in lebenslänglich umgewandelt. Und Charles Manson ein Popstar.
People say I'm no good
So fehlgeleitet seine Gewalt auch war, so gilt sie doch als politisch und revolutionär, und darin liegt die Hauptanziehungskraft für jene, die an den Rändern der Gesellschaft leben. Darüber hinaus bewundern Extremisten, die wissen, dass die meisten Massenmörder nicht gerade geistige Größen sind, Mansons unleugbare Intelligenz. Sie sind beeindruckt von seiner Exzentrizität, seinen manchmal glasklaren Erkenntnissen, seinen rätselhaften Antworten und Anspielungen und einem geistigen Geschick, das es ihm erlaubt, orakelhaft und stets mit einer unterschwelligen Botschaft zu reden. Kurz, es ist das Geheimnis Manson, das sie reizt.
Vincent Bugliosi
Nach 36 Jahren ist nun endlich das weltberühmte und vielfach ausgezeichnete Buch Helter Skelter von Vincent Bugliosi in die deutsche Sprache übersetzt worden. Bugliosi war der verantwortlich Staatsanwalt in den Mansonprozessen. Und so schildert Bugliosi präzise und unaufgeregt die unglaubliche Geschichte der Mansonfamily. Bugliosi ist in seiner Art schnell als Stimme des amerikanischen Establishments zu erkennen, allerdings ist er offensichtlich neutral und ausgeglichen und im Vergleich zum anderen großen Buch über Charles Manson, Ed Sanders: The Family, vertrauenswürdiger.
Vincent Bugliosi mit Curt Gentry: Helter Skelter. Der Mordrausch des Charles Manson ist im Riva Verlag erschienen. Für die deutsche Erstausgabe wurde das Buch umfangreich upgedatet und ein neues Vorwort geschrieben.
Übersetzt wurde das Buch von Anke und Eberhard Kreutzer und Egbert Baqué.
Vincent Bugliosis Buch ist auch abseits der Mansonthematik spannend, weil es einen tiefen Blick in das Hollywood der Spätsechziger erlaubt und oft bemerkenswerte Details ans Tageslicht bringt. Zum Beispiel der Lügendetektortest mit Roman Polanski, den Roman Polanski problemlos besteht obwohl er dabei lügt. Oder die Tatsache, dass das Mansonmädchen Susan Atkins dem Church Of Satan-Erfinder Anton LaVey bei schwarzmagischen Hollywood-Zauber assistierte. LaVey spielte übrigens wiederum den Teufel in Roman Polanskis Horrorklassiker Rosemarys Baby.