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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

16. 7. 2010 - 11:18

Bis(s) zum Hochzeitstag

Vampire, Werwölfe, Frauenfantasien und Männlichkeitsklischees: Die "Twilight"-Saga geht in eine neue Runde.

Nichts ist wohl leichter, als über die prüden Leinwandabenteuer von Bella, Edward und Jacob herzufallen. Und erst recht die dazugehörige Hysterie zu belächeln, die in den Jungmädchenzimmern dieses Planeten herrscht.

Aber obwohl mich die "Twilight"-Dauerpräsenz in sämtlichen Medien nervt und ich "New Moon", den zweiten Teil der anämischen Untoten-Romanze, rückblickend als schwerstens verkorkst empfand, so einfach will ich es mir nicht machen.

Denn einerseits hinterlässt das vorhersehbare Brutal-Bashing von seiten nerdiger Buben-Blogs auch einen üblen Nachgeschmack. Wer "Star Wars" und "Lord Of The Rings" fetischistisch verehrt und Megan Fox als Frauenideal anbetet, über den darf ebenso geschmunzelt werden wie über entgrenzte Rob-Patz-Jüngerinnen.

Und irgendwie hallt auch der Anfang der Saga immer noch positiv in meiner Erinnerung nach. In dem noch billiger produzierten "Twilight – Bis(s) zum Morgengrauen" gelang es Regisseurin Catherine Hardwicke, die Story von der pubertierenden Bella und ihrem vampirischen Lover Edward noch mit einem Hauch von Realitätshaftung auszustatten.

Es waren die kleinen, unscheinbaren Momente, von denen dieser Film zehrte. Gespräche von Bella mit ihrem Vater, Highschool-Stimmungsbilder, Szenen, die inmitten all der Fantasy vom Alltag einer Generation erzählten, die verloren und selbstbewusst zugleich wirkt.

Twilight - Eclipse

Summit Entertainment

Chris Weitz verzichtete in "New Moon" leider auf all diese Ansätze, verabschiedete sich von der dazugehörigen, angenehm schlichten Ästhetik und verschenkte auch das Potential von Kristen Stewart als außenseiterische Miley-Cryus-Antithese.

Stattdessen ging es in dem Nachfolgefilm nur mehr um hundertprozentige Fanbefriedigung, sei es mittels männlicher Pin-Up-Motive oder auf die Spitze getriebener Sehnsuchtsschwüre. Dass am Ende dieses öden Spektakels das Schicksal von Bella beinahe besiegelte wurde – und damit meine ich weniger ihr Lippenbekenntnis zum Vampirdasein als zur bürgerlichen Institution Ehe –, passte gut zu diesem reaktionären Stück Kinokitsch.

Meine Erwartungen bezüglich "Eclipse - Bis(s) zum Abendrot" waren also denkbar niedrig. Aber siehe da, dem Regie-Neuzugang David Slade gelingt es zwar nicht, die Franchise zur Rauheit von Catherine Hardwicke zurückzuführen. Aber immerhin dürfen sich Zuseher außerhalb der anvisierten kreischenden Zielgruppe wieder freuen.

Mit seinem im wahrsten Sinn des Wortes blutleeren Moralismus, der eindringlichen Vermeidung von allem, was Vampirfilme einst so Gänsehaut erregend machte, und dem ungebrochenen Bekenntnis zum Schwulst bleibt auch der neue Twilight-Film den Vorlagen der Mormonen-Mama Stephenie Meyer treu. Aber, ich trau's mich gar nicht schreiben, "Eclipse" macht daneben auch ziemlich Spaß.

Twilight - Eclipse

Summit Entertainment

Die Story schließt nahtlos an "New Moon" an, das längste Vorspiel der Filmgeschichte, wie es "Spex" treffend formulierte, geht weiter. Nur zu gerne möchte Bella ihre Jungfräulichkeit an den noblen Blutsauger Edward verlieren, auch wenn sie dafür selber zum Vampir werden muss.

Unsterblichkeit hat ja auch was. Dass Kristen Stewart beim Kuscheln auf der violetten Blumenwiese aber vorsichtig gegen den Heiratsterror ihres altmodischen Lovers agitiert, fällt schon mal positiv auf.

Edward, der ewige Prinz der Zauderer, wird in "Eclipse" zur Belastungsprobe für eher bodenständige Zuschauer mit niederen Instinkten. Sogar als ihm Bella einmal sehr charmant an die Designer-Wäsche will und wir im Kinosaal endlich auf Erlösung hoffen, winkt er ab. Kein Wunder, dass die enttäuschte junge Frau lieber mit dem Waschbrett-Werwolf Jacob Motorrad fährt.

David Slade, der mit dem Pädophilenthrller "Hard Candy" für Kontroversen sorgte und mit dem Horrorschocker "30 Days Of Night" solides Splatterkino lieferte, wagt es, die Ménage à trois zwischen Bella und ihren übernatürlichen Verehrern an den richtigen Stellen zu überzeichnen.

Auch wenn es hemmungslos heulende Twi-Hards nicht bemerken werden: Der Aufrichtigkeit des ersten Teils und der überzuckerten Hollywood-Variante des Nachfolgestreifens folgen nun Momente von Ironie.

Twilight - Eclipse

Summit Entertainment

Dieser unerwartete Zugang äußert sich nicht nur, wenn der blasse Cullen Jr. beim Anblick seines muskulösen Werwolf-Kontrahenten "Doesn't he own a shirt?" zischelt.

Die neben "Brokeback Mountain" tollste Zeltschlaf-Sequenz der letzten Dekaden bringt den feinen Humor von "Eclipse" am besten auf den Punkt. Bitteschön, man stelle sich Kristen Stewart, Robert Pattinson und Taylor Lautner zu dritt in einen mickrigen Wigwam in der Wildnis vor, der Wind peitscht, unsere Bella friert bitter. Und nur einer der beiden Burschen hat ausreichend Körperwärme parat, um die Geliebte zu wärmen, während der andere grummelnd zusehen muss.

Zu der Löffelchenstellung, von der diese Szene zehrt, werden sich manche weibliche und männliche Zuseher durchaus unterschiedlich unschuldige Gedanken machen. Kaum einen Interpretations-Spielraum gibt es erwartungsgemäß bei der großen TV-Konkurrenz in Sachen Vampirkult.

Die dritte "True Blood"-Staffel, vor Kurzem in den USA bei HBO angelaufen, nimmt von Anfang an kaum Gefangene. Nazi-Werwölfe geistern durch die Geschichte, wo im "Twilight"-Universum kaum nackte Haut auftauchen darf, wackeln hier auch entblößte Männerpopos durchs Bild, ist expliziter Mensch-Untoten-Sex ein Dauerthema.

Dabei gehört die Aufmerksamkeit längst nicht mehr bloß Sookie Stackhouse und ihrem treuen Vampir Bill. Alexander Skarsgård gibt als verführerischer Eric den sexbessenen Anti-Edward, Deborah Ann Woll fasziniert als zerrissenes Vampirmädchen Jessica.

Natürlich verzichtet Mastermind Alan Ball ("Six Feet Under") in all dem Blut- und Sperma-Rausch nicht auf sarkastisch verpackte Gesellschaftskritik. Viel Vergnügen, ihr Kinder der Nacht da draußen.

True Blood

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