Erstellt am: 14. 7. 2010 - 17:23 Uhr
Mehr als klassische Wohltätigkeit
Irmi Wutscher
Ich habe beschlossen, meine Zeit zu spenden. Und zwar für das Projekt "Frisch gekocht", das Kochlehrlinge mit Obdachlosen zusammenbringt und mich in die brütende Hitze in der Küche der Obdachloseneinrichtung Gruft führt. Gefunden habe ich das Projekt über die Plattform respekt.net, die sich das Investieren in die Zivilgesellschaft zur Aufgabe gemacht hat. Aber dazu später.
ZackZack!
Die Gruft ist eine Betreuungseinrichtung für Obdachlose der Caritas Wien. Sie bekommen dort Betreuung, ein Bett oder eben eine warme Mahlzeit.
Vier Kochlehrlinge und ich warten ab 12 Uhr in der Küche der Gruft hinter der Budel darauf, dass die Essensausgabe beginnt. Es ist furchtbar heiß. Neben mir dampft der Geschirrspüler, was das Ganze nicht besser macht.
Heute gibt es Specklinsen mit Semmelknödeln, dazu Salat. Als Nachspeise Joghurt, frisches Obst und selbstgemachten Kuchen. Das Essen haben die Lehrlinge schon am Vortag vorbereitet und fertig hergebracht. Es schmort in den Wärmebehältern vor sich hin. Die KlientInnen der Gruft haben sich schon seit einer Weile geduldig angestellt.
Irmi Wutscher
Punkt Viertel vor eins geht es mit der Ausgabe des Essens los. Ich werde gleich zum Arbeiten eingeteilt und drücke eine dreiviertel Stunde lang Schalen mit Fruchtjoghurt in rissige, ausgemergelte Hände und komme kaum zum Durchatmen.
Irmi Wutscher/Getrude MElcher
Wenn ich mich zu lange mit Diskussionen um Joghurtsorten aufhalte, rügt mich Rosi, die eine alte Häsin bei der Essensaugabe ist und neben mir Marillen verteilt, dass ich nicht so viel herumtun soll. Sondern dass es ZackZack gehen muss. Aus den Augenwinkeln sehe ich, dass es den vier Jungköchen, die in einer Kette die Teller befüllen und ausgeben, nicht besser geht als mir.
Irmi Wutscher
Zivilgesellschaft 2.0
Irmi Wutscher
respekt.net will mit zivilgesellschaftlichem Anspruch über klassische Wohltätigkeit hinausgehen. Hier in der Gruft zum Beispiel sollen die Jugendlichen andere soziale Realitäten kennen und respektieren lernen. Eine Idee, die auch Rosi gut findet: "Mir taugt, dass ich sehe, dass die Jugendlichen auch was tun können" sagt sie. "Aber auch, dass sie die Welt hier kennen lernen, wo sie nicht hinsollen. Also wo sie nicht enden sollen."
Respekt.net kann man sich als eine Art Social Media Plattform vorstellen– nur dass man im Gegensatz zu facebook und Co. nicht nur was gut finden, sondern auch was tun kann. Verschiedene Projekte von Erlebnispädagogik bis hin zu Nachbarschaftshilfe werden vorgestellt bzw. kann man auch selber welche posten. Als UserIn sieht man dann, welche Projekte es gibt, zu wie viel Prozent sie schon finanziert sind und wo es noch Hilfe in Form von Geld, von Mitarbeit oder Wissen braucht.
respekt.net
Was auffällt, ist die Transparenz mit der alles abläuft. Man kann bei den Projekten sehen, wer sie geplant und eingestellt hat. Und man sieht auch, wer wieviel wofür spendet. "Wir glauben, dass Transparenz ein politisches Statement ist.", meint Mitbegründerin Maria Baumgartner dazu "Gerade im politisches Bereich kommt es – Stichwort Parteienfinanzierung – doch immer wieder zu Ungereimtheiten. Deswegen sagen wir: Wenn jemand nicht dazu stehen kann, dass er ein politisches Projekt unterstützt, dann ist das für uns eigentlich nicht ok." Spenden ohne Absender, das gibt es bei den Projekten von Respekt.net also nicht.
Bis auf die geforderte Transparenz und den gesellschaftspolitischen Anspruch gibt es keine Einschränkungen. JedeR, der/die eine Idee hat, kann mitmachen: "Einfach auf die Plattform gehen, dort gibt es eine Rubrik Projekt einreichen, dort füllt man ein Online-Formular aus. Dann gibt es einen Berater, der ihnen hilft, bei Formulierung und Budgetierung zum Beispiel." erklärt Generalsekretärin Andrea Hiller. "Und wenn man dann das Gefühl hat 'Jetzt passt es mir', dann schaltet man das Projekt frei und es ist online. Und dann geht’s los und man kann täglich beobachten, wie viel hereinkommt."
Oder man spendet. Ab zehn Euro ist man dabei. Oder eben mit zwei Stunden in der heißen Gruft.