Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Oh! Kinder wegschmeißen"

Elisabeth Gollackner

Subjektivitäten, Identitäten und andere feine Unterschiede.

13. 7. 2010 - 10:25

Oh! Kinder wegschmeißen

Wir müssen uns darum kümmern.

Oh! - Irritationen im Alltag

"Wir müssen uns auch darum kümmern", sagt der weiße, mitteleuropäische Mann in Anzug und Krawatte, dass "Frauen ihre Kinder nicht sofort nach zwei Monaten wegschmeißen, sondern nach ein, zwei, drei, vier Jahren in entsprechenden Einrichtungen unterbringen können".
Er ist Wirtschaftsforscher und sitzt am Tisch einer Pressekonferenz, in der es um den österreichischen Tourismus geht, um die Tatsache, dass hauptsächlich Frauen in dieser Branche arbeiten und die Frage, wie der Wiedereinstieg gelingen kann.

Comicstil; Daumen nach unten.

elisabeth gollackner, fm4

Ich hab eine andere Idee.
Ich finde, wir müssen uns darum kümmern, dass die alten Männer endlich das Feld räumen (und ich spreche nicht von "alt" im biologischen Sinn). Wir müssen uns darum kümmern, dass derart untergriffiger Schwachsinn nicht unter dem Deckmantel "Zukunftsgespräch" in die Welt hinausposaunt wird. Wir müssen uns darum kümmern, dass der Sozialminister eines Staates im Interview nicht lachend sagt, dass Frauen das mit dem Aufbetten vermutlich besser können. Und wir müssen uns vor allem darum kümmern, dass Männer und Frauen endlich gleiche Löhne erhalten.

diestandard.at hat den Herren inzwischen übrigens auch eine Zitrone verliehen. Gratulation!

Eine Frau in Österreich verdient durchschnittlich ein Viertel weniger als ein österreichischer Mann. Mit dieser Einkommensschere liegen wir im EU-Vergleich an vorletzter Stelle. Am meisten von Armut gefährdet sind alleinerziehende Mütter. Das besagt der Frauenbericht 2010. Und nicht mal zwei Monate nach Bekanntwerden dieser Zahlen gibt eine Delegation des alpenländischen old boys' network frisch und fröhlich eine Pressekonferenz und belebt das dumme Bild der herzlosen Karrieristin wieder, die "ihr" Kind einfach "wegschmeißt"? Ist die Klimaanlage ausgefallen, oder was ist da los?

Noch immer sind es die Frauen, die sich hauptsächlich darum kümmern. Um die Kinderbetreuung. Die Altenpflege. Die Shitwork, die übrigbleibt.
Kümmern wir uns bitte endlich um Gleichstellung. Am besten jetzt sofort, alter Mann.