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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

11. 7. 2010 - 23:50

WM-Journal '10-83.

Finally! Spanien ist angekommen, die Niederlande nicht.

Seit 1. Juni erscheint das WM-Journal zum Turnier in Südafrika - mit einer Ausgabe pro Spiel und zusätzlichen Analysen.
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Die Fakten zum FinaleNiederlande - Spanien 0:1 nV. Und noch eine Nachlese zum sensationellen kleinen Finale.

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Es war eine Menge Holz, die sich das holländische Camp vorgenommen hatte, taktisch. Sie sahen einen Weg, die überlegenen Spanier zu stoppen: sie wenn nötig auch unsanft zu bremsen. Denn genau das war den Deutschen im Halbfinale nicht gelungen. Die waren zu ehrfürchtig gewesen, immer einen Schritt zu spät, und somit fast körperlos untergegangen.

Van Marwijks Gang wählte die andere Variante: bring deinen Körper auf die Party, lautete das Motto für das Finalspiel. Und es war zunehmend immer unsympathischer, schon nach der etwa vierten gelben Karte verfluchte auch der letzte neutrale Zuschauer diesen Zugang zum Spiel.

Nicht dass die Niederländer bei dieser WM immer großen und schönen Fußball gezeigt hatten. Er war effizient und intelligent, überlegen und taktisch ausgereift, nicht schön im eigentlichen Sinn.
Aber heute, am Finaltag, wurde dieses "nicht schön" zu "hässlich" - und das braucht gefühlsmäßig keiner.

Also brachten sich die Oranjes um die Sympathie des Publikums und verloren auch sein Glück. Die zwei Hundertprozentigen von Robben, von denen in jedem anderem Spiel mindesten einer drinnegewesen wäre, verfielen so.

Fouls und Piesacken gegen Ruhe und Gelassenheit

Und die Geduld, die das spanische Spiel so auszeichnet, lohnte sich. Nach acht oder neun wirklich seriösen Torchancen verließ die Spanier nicht der Mut auf die zehnte zu warten. Und die bereitete Cesc Fabregas, der Joker, ideal für Iniesta und sein Goldtor vor. In aller Ruhe und Gelassenheit.

Klar, manchmal waren die diesmal ins blau gezwungenen Roten ungehalten, weil sie die Fouls und Piesackereien nervten und weil zu wenig Zählbares gelang. Aber sie kamen zur Ruhe.

Als hingegen Greg van der Wiel in der 79. Minute bei einem Einwurf keinen Mitspieler fand, der den Ball wollte, drang Panik aus seinen Augen und Poren; die Panik der Mannschaft, die zu verlieren droht. Das dauerte dann zwar noch eine ganze Extra-Spielzeit, änderte sich aber nicht in der Grund-Tendenz.

Zwar verloren beide Teams ihre jeweils auf andere Art sauber geplegte Ordnung nicht, da Team Oranje sich aber zu stark auf die Destruktion festgelegt hatte, kam der Umschwung zum positiven Denken zu langsam zustande. Vor allem nach der übertriebenen, aber doch völlig folgerichtigen roten Karte für Heitinga. Da prasselte der Frust dann wie aus dem Takt geratenes Kaminfeuer. Nach dem Motto: da verbiegen wir uns und spielen so hässlich und das soll auch noch umsonst gewesen sein? War es, allen Bemühungen von Robben und Sneijder, den beiden einzigen Immer-Noch-Schöngeistern am Finaltag zum Trotz. Sieben Minuten später fiel das Tor und danach ging gar nichts mehr - kein Aufbäumen, wie wir das bei dieser WM von Uruguay, Ghana oder auch Neuseeland so formvollendet gesehen hatten.

Webbs Game

Wie ich höre macht eine Idioten-Koaltion aus den Verlierern und Firlefranzen Stimmung gegen Webb; wohl im Bewußtsein, dass man sich nach so viel Anti-Referee-Stimmungsmache wie bei dieser WM wohl alles leisten kann. Das ist dreist.

Schiedsrichter Howard Webb, die zartbesaitete Seele im Körper eines Polizisten, lag nicht immer richtig, war aber der beste Mann für dieses unglaublich schwer zu leitende Spiel. Weil er, das wissen wir aus der "Referees At Work"-Doku, immer mit den Spielern redet, sehr bedacht auf Gerechtigkeit ist und sich auch mit seinen Sidemen gut abspricht. So wurde er zu einem der zentralen Mitspieler in diesem Match.

Nein, es war keines der erstklassigen Spiele dieser WM - zu zerfahren und losgelöst, was aber durch die Vorsicht, die im Vorfeld von beiden Camps vermittelt wurde, eine gewisse Logik hatte. Die Klasse dieses WM-Finals vermittelte sich aus dem übergroßen Respekt der gegnerischen Parteien, die an Tugenden wie Ball/Pass-Sicherheit, taktischer Disziplin und individualistischen Risikonahmen gar keine Zweifel anmeldete, sondern sich auf die schmale Bandbreite zurückzog, innerhalb derer man Vorteile erwartete. Das war im holländischen Fall die Härte, die die Deutschen noch vermissen ließen, das war im spanischen Fall das zwar respektvolle, aber doch unbarmherzige Trotzdem-zu-Tode-Kitzeln durch andauerndes Anrennen.

Die Rückkehr zum 4-1-4-1

Taktisch stellte Spanien dem immergleichen 4-2-3-1 der Niederländer ein hochflexibles 4-2-3-1 entgegen, das - dank Xabi Alonsos Freigeistigkeit bald dauerhaft in ein 4-1-4-1 kippte - die Folge war die Hoheit im Mittelfeld. Die Hereinnahme von Cesc fabregas für Xabi verdeutlichte das schlussendlich. Jesus Navas, der für den heute nicht so glänzenden Pedro reinkam, erhöhte den Flankendruck von rechts, da fiel der Fehler Villa raus und den wieder einmal ineffektiven Torres reinzutun, dann nicht mehr auf. Xavi, Iniesat und Cesc erhöhten die Schlagzahl nach Belieben und kamen so immer wieder zu einer Überlegenheit, die die Holländer nach Luft japsen ließ.

Van Marwijks Maßnahme aus dem Halbfinale (Van der Vaart anstelle einer der beiden 6er reinzubringen) griff zwar wieder - hatte aber aufgrund der deutlichen spanischen Übermacht im Mittelfeld weniger Wirkung als im letzten Spiel. Es war Van der Vaart, der nach dem Austausch des scheinbar erschöpften Van Bronckhorst auch Kapitän seiner Truppe war, der im letzten Duell vor dem Tor als Abwehrspieler Andres Iniesta gegenüberstand, und nicht mehr eingreifen konnte. Auch ein Symbol für die Niederlage.

Spanien ist angekommen, die Niederlande nicht.

MVP des Turniers wurde, nach dem Finale irgendwie folgerichtig weder Sneijder noch David Villa, sondern Diego Forlan, bester Youngster und Torschützen-König (da zählen auch die Assists) würde Thomas Müller.

Spanien ist Weltmeister, als regierender Europameister. Das ist bislang nur der deutschen Mannschaft von 1972, dem besten deutschen Team aller Zeiten, dem von Günther Netzer, gelungen.

Das ist verdient und gut und richtig so.
In den letzten vier Jahren hat die Mannschaft von Aragones und del Bosque nur zwei Spiele verloren - eins im Confed-Cup vor einem Jahr gegen die USA und das bei der WM gegen die Schweiz.
In diesen beiden Matches waren sie die klar bessere Mannschaft, die ihre Chancen nicht und nicht genützt hatte und in einen Zufalls-Konter gelaufen war. Das kann passieren.

Dass es nicht im wichtigsten Spiel überhaupt, dem WM-Finale passiert ist, das ist groß und gerecht.

Die Niederlande sind wieder nicht Weltmeister und waren weiter weg als 74 und 78. Sie haben in den letzten Jahren ebenso einen unfassbaren Record, sind lange unbesiegt gewesen und völlig zurecht Top 3 weltweit.

Die angesprochene Kritik folgte zwar spät, aber dann doch recht heftig.

Johan Cruyff wird sie morgen, oder sogar schon heute, schimpfen, wie er Brasilien geschimpft hat. Die hätten ihren Charakter verraten. Soweit wird er bei der Elftal nicht gehen (er spielt Golf mit Bert van Marwijk), aber er wird mehr Risiko, mehr Kreativität und etwas weniger destruktive Energie einfordern. Und er wird wie immer recht haben.