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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

10. 7. 2010 - 22:32

WM-Journal '10-81.

Das entfesseltste kleine Finale aller Zeiten. Tolles Spiel, hohe Klasse, höchstes Tempo, große Spannung und ein okayes Ergebnis.

Seit 1. Juni erscheint das WM-Journal zum Turnier in Südafrika - mit einer Ausgabe pro Spiel und zusätzlichen Analysen.
Hier auch in der Übersicht.

Das WM-Journal gibt es auch als Podcast, einmal täglich, gegen Mittag.

Die Fakten zum kleinen Finale zwischen Deutschland - Uruguay 3:2.

Die FIFA-Seite, die WM-Spezial-Site der Sport-Kollegen und alle FM4-Stories zur WM, alle Südafrika-Geschichten.

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Keine Beschwerden, gar keine.
Tolles Spiel.
Entfesselt und losgelöst.
Hohe Klasse.
Höchstes Tempo.
Große Spannung und ein okayes Ergebnis.

Denn dass die deutschen Jugend-Weltmeister sich den dritten Platz abholen, das nickt der Fußball-Planet mit großer Befriedigung ab.

Und die Renaissance, das große Comeback des in den letzten Jahren schon eher belächelten Ex-Weltmeisters Uruguay, das ist trotz dieser finalen Niederlage, gelungen.

Wenn irgendwann irgendwo in den nächsten vier Jahren in irgendeinem Zusammenhang der Begriff Uruguay auftauchen wird, dann wird alle Welt die Assoziations-Muskeln gar nicht fest anstrengen brauchen um sofort die Himmelblauen um Diego Forlan vorm geistigen Auge auftauchen zu lassen.
Viel mehr geht schon gar nicht.

Immer mittendrin in den denkwürdigen Spielen

Dass es just Forlan, der Leader dieser kompakten Equipe ist, der den letzten Ball dieses kleinen Finales an die Latte setzht und somit die Verlängerung um ein paar Zentimeter verpaßt - wie drehbuchreif ist das denn.

Absurderweise hat Uruguay nämlich für mehr denkwürdige Matches gesorgt als viele andere Teams im Turnier. Sie waren die, die Frankreich angeknockt hatten - nach ihrem Spiel brachen die zusammen. Sie waren das Team, das Südafrika vor den Augen der Welt aus dem Turnier kombinierte. Sie waren Teil des größten und nachhaltigsten Dramas der gesamten WM im Viertelfinal-Spiel des völligen entrückten Wahnsinns gegen Ghana. Und sie waren Teil des entfesseltsten kleinen Final-Matches, das es jemals gab.

Deutschland hatte zwar Neuer, Lahm, Podolski und Klose vorzugeben, aber zumindest Butt, Aogo und Jansen ließen die nicht vermissen und zeigten, dass auch die nur zweite Wahl erstklassig unterwegs ist.
Im Spiel hatte man zwar durchaus öfters das Gefühl, dass der mit forscehm Pressing agierende Gegner einen Mann mehr am Platz haben würde und dass die DFB-Auswahl sich doch ein wenig von ihrer Trauer übers verlorene Finale überwältigen ließ - aber der Comeback-Faktor war hoch. Boatengs Cross zum 2:2 - meine Herren! Özils und Müllers Läufe, bum! Schweinsteigers Corner und Schüsse, wumsti! Kießlings Kurzeinsatz - wusch! Khediras Kopfballtreffer - alle Achtung.

Aufbäumen gegens Durchhängen

Ich überlege gerade wie man dieses Aufbäumen gegens Durchhängen den darin ganz schlechten österreichischen Teams beibringen könnte...

Man spürte die Gefahr des Durchhängers immer wieder - aber wie die Löw/Flick-Truppe das merkte und dann drauf zu reagieren verstand - Respekt.

Dass sie soweit gefordert wurden hatte mit der Einstellung des Gegners zu tun - und die war erstklassig. Tabarez schickte Uruguay diesmal wieder in einem schiefen 4-4-1-1 auf den Platz, das im Offensivfall in Windeseile zu einem 4-3-3 umgebaut wurde.
Dazu war Jorge Fucile, der Mann von Porto, erstmals auf der Position, die er auch im Verein spielt, aufgestellt, als rechter Verteidiger - und er zeigte (im Verbund mit Maxi Pereira) was er dort kann; sensationelles. Links wirbelte Cavani und hinter dem Forlan, dem Paten, zeigten heute Diego Perez und der kleine Glatzkopf Arevalo in der Mittelfeld-Defensive ihr allerbestes Spiel.

Perez' Ballgewinn gegen Schweinsteiger im Mittelfeld, aus dem Cavanis 1:1 entstand - unglaublich!
Arevalos Kampfschwein-Einsatz vor dem Traum-Volley-Tor von Forlan - ein Wahnsinn.
Und Forlans Volley-Seitfallzieher-Aufsitzer - gottgleich.

Die vom Ligen-Alltag kaputtgemachten Stars - ein Schmäh!

Vielleicht ist die heutige Niederlage die ausgleichende Gerechtigkeit für das Glück im Ghana-Spiel - denn genau wie dieses Match hat auch das Spiel um den dritten Platz keinen Gewinner verdient; da waren zwei Teams einfach gleich gut.

Was auffällig war: welches Tempo diese durch harte Saisonen in Deutschland, Italien, Spanien, Portugal, Frankreich, den Niederlanden und der Türkei getriebenen Akteure gehen konnten und bis zur allerletzten Minute gingen.
Keine Rede von Schonung und Zurückhaltung.

Das spricht gegen die These von der Destruktivität der Ligen den einzelnen Spielern gegenüber. Fakt ist vielmehr, dass in ihren Nationalmannschaften zu sehr alleingelassene Stars (Rooney, Ronaldo, Messi) allein nicht das leisten konnten, was im Fall von Spanien, Deutschland oder den Niederlanden die Team-Leistung auffing. Eine Team-Leistung, die von einer Philosophie lebt, einer langfristigen Entwicklung entspringt.

Teil der Lösung, nicht des Problems

Denn auch ein Diego Forlan wäre mit ein paar pomadigen Mitspielern, die sich auf seine Klasse und die von ein paar anderen verlassen hätten abgestunken. Weil aber auch die Arevalos, Pereiras, Fuciles, Godins und Victorinos, die verrückten Abreus und Cavanis sowieso und eben die Arevalos und Perez dieser Mannschaft sich nicht auf Lugano-Forlan-Suarez abgestützt haben, sondern selber ein Teil der Lösung wurden, hatten sie kein Problem.

Und stehen pars pro toto für die wichtigste nachhaltige Erkenntnis dieser WM: die Wiederkehr der kleineren südamerikanischen Selecciones. Die hat sich ja schon in der Quali angekündigt und muss den beiden dortigen Großen, Brasilien und Argentinien zu denken geben. Und sie dazu bringen, es den drei aktuell führenden Europäern gleichzutun.
Argentinien bräuchte dafür wohl nur einen echten Coach, keinen Motivations-Kasper. Und Brasilien halt einen, der die entsprechende Philosophie aus dem Bauch des eigenen Landes holt, und nicht aus Europa importiert.

Das ist vor allem im HInblick auf 2014 eigentlich sogar unvermeidlich.