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Claus Pirschner

Politik im weitesten Sinne, Queer/Gender/Diversity, Sport und Sonstiges.

9. 7. 2010 - 15:27

Erst super, nun öko

Wirbt der Umweltminister für Gratispraktika, die das EU-Parlament verbieten will?

Das EU-Parlament hat diese Woche in einer Resolution gefordert Gratispraktika zu verbieten. Jugendliche sollen nicht länger ausgebeutet werden. Währenddessen wirbt Österreichs Umweltminister Nikolaus Berlakovich für Ökopraktika, für die man teilweise nichts bekommt oder sogar dafür zahlen muss. Das bringt ihm heftige Kritik aus dem EU-Parlament und aus der Arbeiterkammer ein.

Nach Pröll’s Superpraktikantin, nun Berlakovich’s Green Job-PraktikantInnen

Du machst ein Praktikum in einem Unternehmen im Rahmen deiner Ausbildung an einer Schule, Fachhochschule oder der Uni? Dann hast du kein Recht auf irgendeinen Lohn. Der eine bekommt ein Taschengeld, der andere gar nichts, wieder ein anderer wird, wenn auch eher selten, gut bezahlt. Außerdem sind viele Praktika überhaupt keine. Vielmehr betreiben Firmen mit dieser Bezeichnung häufig Etikettenschwindel – Jobs werden als Praktika angeboten, weil das die Unternehmen weniger kostet. Damit soll jetzt Schluss sein. Das EU-Parlament fordert klar definierte, zeitlich begrenzte Praktika inklusive Bezahlung der Lebenshaltungskosten, Versicherung und Sozialleistungen. Das bedeutet auch mehr Chancengleichheit: Viele Jugendliche aus niedrigeren Einkommensschichten können sich Gratis-Praktika oder Praktika, für die sie zahlen müssen, nicht leisten.

Nachdem Vizekanzler Josef Pröll seine Superpraktikantin quasi gecastet hat, folgt ihm nun Parteikollege Niki Berlakovich. Der Umweltminister sucht die besten Green Job-PraktikantInnen 2010. Teilnehmen kann jeder, dessen Praktikum auf der Online-Datenbank Oekoferienjobs.at registriert ist. Du kannst beispielsweise am Biobauernhof mithelfen, Nester von Schildkröten an der Küste Griechenlands sichern oder Wege in den Bergen sanieren – alles Angebote auf der Onlineplattform des Umweltministeriums.

Wahrscheinlich großteils interessante Arbeitserfahrungen, die aber häufig nicht bezahlt werden. Einerseits ist das kein Problem, weil viele gerne für Kost und Logis in den Ferien Ökoerfahrungen machen wollen. Andererseits finden sich auf der Website des Ministeriums neben interessanten Internships und Jobs aber auch einige fragwürdige Praktika. Erntehilfe in der Türkei ist als Praktikum, immerhin mit Entlohnung nach Vereinbarung, ausgeschildert, obwohl das wohl eher ein gewöhnlicher Job sein dürfte, wenn auch bei einem Biobauern. Wer als PraktikantIn bei einem Forschungsprojekt über Wildhunde in Zimbabwe mitmachen will, zahlt dafür 1462 Dollar Aufenthaltskosten für Teilnahme, Unterbringung und Verpflegung für drei Wochen, ohne Flug (der sich auch nicht gerade gut macht am ökologischen Fußabdruck).

Junger Mann mit Sonnenhut bei der Rübenernte

Egan Snow / flickr

AK-Expertin und EU-Parlamentarierin kritisieren Ministeriumswebsite

Die Arbeiterkammer-Expertin Susanne Schöberl kritisiert jedenfalls einige Angebote auf der Website heftig: "Es tut mir leid, dass damit der Umweltgedanke verunglimpft wird, aber da gibt es dann Praktika, meistens unbezahlt und im schlimmsten Fall muss ich selbst etwas zahlen , um eine Tätigkeit auszuführen. Da finde ich, dass das Interesse und Engagement der Jugendlichen ausgenützt wird, dass sie mit dem Wort Praktika geködert werden. Sicher können sie dort Erfahrungen sammeln, aber sie leisten dort auch Arbeit und die sollte entlohnt werden." Auch Emilie Turunen, die dänische Grüne EU-Abgeordnete, die die Praktikumsregelung vorantreibt, findet dass da so manches falsch gelabelt sei auf der Ministeriumswebsite. Peter Iwaniewicz, im Umweltministerium zuständig für Bildung für nachhaltige Entwicklung, verteidigt die Website damit, dass alles transparent dargestellt sei: "Es ist sofort vermerkt, wenn man einen Beitrag zahlen muss. Zum Beispiel diese African Hunting Dog Research ist ein wissenschaftliches Projekt, das relativ betreuungsintensiv ist. Natürlich kann man darüber reden, ob das angemessen ist oder nicht, aber es kann sich jeder selber seine Meinung darüber bilden." Außerdem sei es außerhalb Europas so, dass Praktika als Ausbildung gesehen werden, für die zu zahlen ist. Bei Praktika in Europa wäre das nicht der Fall.

Nachdem sogar das EU-Parlament Gratisarbeit, Missstände und Unklarheiten bei Praktika verbieten lassen will, stellt sich die Frage, warum eine offizielle Institution, wie ein Ministerium, eigentlich nicht mit gutem Beispiel voran geht und keinen schwammigen von der EU kritisierten Gebrauch von Praktika auf der eigenen Website führt? Peter Iwianiewicz begrüßt den EU-Vorstoß, sieht aber vor allem Pflichtpraktika dabei gemeint, also dort wo jemand zum Abschluss einer Ausbildung auf ein Prakikum angewiesen ist: "Dass man hier in einem Ferienbereich, der so ein bißchen zwischen Urlaub, Selbsterfahrung, Weiterbildung und Information liegt, denk ich mir, ja, wäre auch gut und wir werden das sicher auch aufgreifen und uns dank der Rückmeldung ein bißchen intensiver noch überlegen welche Qualitätskriterien wir den Anbietern vorschreiben." Wäre nicht schlecht, immerhin sucht der Umweltminister die besten ‚Green Job PraktikantInnen 2010‘ – Rolemodels also.