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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

7. 7. 2010 - 23:36

WM-Journal '10-77.

Bilanz des Halbfinales. Das knappe Fazit in kurzen Sätzen. Und: Deutschland nicht im Finale - das hat auch unschätzbare Vorteile.

Seit 1. Juni erscheint das WM-Journal zum Turnier in Südafrika - mit einer Ausgabe pro Spiel und zusätzlichen Analysen.
Hier auch in der Übersicht.

Das WM-Journal gibt es auch als Podcast, einmal täglich, gegen Mittag.

Die Fakten zum Semifinale.
Und wie es mit Löw und dem DFB weitergehen wird.

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Dass das Traumfinale Niederlande gegen Spanien einen neuen und in jedem Fall verdienten Weltmeister bringen wird, schafft Bewegung im starren Pool der üblichen Verdächtigen.

Warum die beiden europäischen Finalisten und das Wunderkind Deutschland die europäische Krise nicht übertünchen können, war bereits anlässlich des Viertelfinal-Fazits Thema.

Dass der lateinamerikanische Weg der fantasievollen und kreativen Strategien ein Fingerzeig für vor allem kleinere Verbände ist (Stichwort Urugugay), sollte sich auch bereits gesetzt haben.

Warum das deutsche Jugend-Weltmeister-Team, insbesondere seine systematische Aufbau-Arbeit, das akribische Erarbeiten einer Philosophie, die bewusst gesetzten Veränderungen eines jahrelang gepflegten elenden Spielstils von unpackbarem Wert sind, wurde in den letzten Tagen zur Genüge besprochen. Dort ist die Lösung für die diversen Schwachstellen zu finden - Klinsmann hat das für England schon skizziert, aber auch kleinere Verbände können sich an dieser Vorlage orientieren.

Insofern haben Jogis Augen nicht gelogen.
Auch nicht Günther Netzers Augen: die haben auch zartschimmernd geleuchtet, als sein Buddy Gerhard Delling heute die aktuelle DFB-Auswahl mit dem einzigen deutschen Nationalteam, das jemals ever wirklich schönen und gleichzeitig erfolgreichen Fußball zeigte, verglich: mit dem Europameister von 1972, Netzers Mannschaft.

Und jetzt etwas, das die deutschen Poster aufregen wird

Es gibt aber einen ganz banalen Grund, warum ich froh bin, dass Deutschland nicht im Finale steht.
Das hat nichts mit dem DFB-Team zu tun; nichts mit dem deutschen Fußball an sich, nicht einmal mit Bayern München.

Es liegt an den Fans. Und zwar auch nicht an der intelligenten Minderheit, die sich über den Wandel des Teams und den daraus resultierenden Image-Twist im Klaren ist.
Sondern an den anderen, den vielen Idioten, dem RTL-Live-Publikum, den Interview-Schnaken in den Public-Viewing-Zonen, den Pochers und Raabs, den "Ich liebe deutsche Land!" und "So sehen Sieger aus - Schalalalalaaaa!"-Krächzern und Grölern, kurzum der Masse an undifferenzierenden Deppen, die einen sportlichen Erfolg, der aus Intelligenz, Mut, Toleranz und Klasse gebacken wurde, wie ein Fass Sangria behandeln, mittels dessen man sich innerhalb kürzester Zeit den Allerärgsten ansaufen muss. Um danach alles, was in der Gegend rumsteht, mit distanzlosem, nationalistischem Scheißdreck zuzureihern.
Und das dann eben auch noch in dieser lauten und so deutschen Nervigkeit (die in anderen Zusammenhängen auch durchaus ihre Qualitäten hat, Stichwort: Hartnäckigkeit und so).

Klar: das sind die anderen...

Ich weiß: niemand von euch hier gehört zu so einem Gesindel. Aber ihr kennt es, gebt es zu.
Und ich weiß genauso: die anderen machen das auch, weltweit sind alle Gröler und Pochers gleich.

Jaja, eh eh.

Nur: die spanischen und die holländischen Schreihälse verstehe ich nicht.
Die krakeelen ganz einfach in einem unverständlichem Ausländisch. Ich kann mir da immer vorstellen, dass die was Lustiges schreien.
Und die sind weiter weg und nicht so viele. Und die Schlagzeilen der spanischen und holländischen Mistblätter stehen vor meinen Augen herum, als wären sie chinesisch; ich krieg die Gags, die Untertöne, das Widerliche und Böse dran nicht mit.
Das ficht mich also nicht an. So banal ist das.

Die Bild-Zeitung und ihre "Messi eins in die Fressi"-Headlines der letzten Schublade hingegen belästigen mich in einer Sprache, die ich nicht überlesen kann. Und die waren allesamt bereits grauslich genug. Und davon brauche und will ich einfach keinen Nachschlag mehr. Das war alles schon schlimm genug.

Die vielen Deutschen in Österreich, speziell Wien, sind mir als sensible und global verständige Zeitgenossen auch weitaus lieber als enthemmt in "Piefke"-Shirts schreiende Etwasse.

Das Raab-Pocher-Wir-Gefühl

Und der Umgang mit dem in jedem Zusammenhang unerträglichen WIR geht - genauso wie beim österreichischen Skiteam und der hiesigen Öffentlichkeit - leichter von der Hand, wenn die Demut der Niederlage knapp vorm Endspiel die augezuckte automatische Hirnausschaltung relativiert. Weil man sich dann nicht auf einen nationalistischen Wasserbeutel ohne Reflexionsfähigkeit reduziert, sondern Mensch bleibt.

Es gibt und gab keinen sportlichen Grund über das Ausscheiden der Deutschen froh zu sein - selbst die heutige, weniger gute Leistung nicht; mein ganz banaler und ganz persönlicher Grund ist genau der Erwähnte.
Dass der ganze Mainstream-Müll, die ganze Hochmut-Kacke von sonst geistig Beschäftigungslosen, das fleischgewordene Bildzeitungs-Monster somit eingedämmt ist.

Die paar Holländer und der Tisch voller Spanier da drübern, die sollen sich aufführen, was sie wollen - ich kann drüber weghören, es wie Musik klingen lassen, es als Sound betrachten. Das, was Ohren und anderes so schmerzt (das Verstehen des Übels) fällt jetzt wieder für zwei Jahre weg.
Und das ist verdammt gut so.

Dieser letzte Absatz steht in den "Bilanz ... Das knappe Fazit in kurzen Sätzen."-Geschichten seit der 2. Runde. Nachblättern zeigt, wie wenig sich da seither geändert hat...

... and the winner is...

Aktueller Weltmeister (also the most likely choice, wenn man alles, was bisher passiert ist, hochrechnet) sind immer noch die Niederlande. Der Finalgegner aus Spanien ist eine große und grandiose Mannschaft (die zudem einen Wien-Bonus in sich trägt...), aber die Oranje verfügen über den Vorteil der Unbesiegtheit und die WM-exklusive Fähigkeit Rückstände wettzumachen.