Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Rum, Gewehre, Sex und Palmen"

David Pfister

Rasierklingen, Schokolade, Zentralnervensystem, Ananas, Narzissmus und Ausgehen.

13. 7. 2010 - 11:01

Rum, Gewehre, Sex und Palmen

Johnny Depp arbeitet an einem finalen Tribute für Hunter S. Thompson. Rum Diary - neu übersetzt auf Deutsch und in absehbarer Zeit im Kino.

"No More Games. No More Bombs. No More Walking. No More Fun. No More Swimming. 67. That is 17 years past 50. 17 more than I needed or wanted. Boring. I am always bitchy. No Fun - for anybody. 67. You are getting Greedy. Act your old age. Relax - This won't hurt."

Hunter S. Thompson in seinem Abschiedsbrief.

Hunter S. Thompson

Hunter S. Thompson

Genauso konsequent wie er geschrieben und gelebt hat, ist Hunter S. Thompson dann auch gestorben. Er hat sich am 20. Februar 2005 das Leben genommmen. Der Schriftsteller hatte seinen Selbstmord schon lange angekündigt, seine Familie meint, er habe nicht aus Verzweiflung gehandelt, sondern auf den richtigen Zeitpunkt gewartet, um selbstbestimmt und stolz abtreten zu können.

Hunter S. Thompson wurde in den 60er Jahren als kompromissloser Schriftsteller und Journalist berüchtigt, der den legeren Stil der Beat Literatur auf die Spitze trieb. Seine dekadenten und exzentrischen Kolumnen beim Rolling Stone machten ihn und das Magazin weltberühmt. Seinen Schreibstil aus Dokumentation, Geschwätz und Übertreibung bezeichnete Thompson als Gonzo-Journalismus.

Sein bekanntestes Buch ist Fear And Loathing In Las Vegas. Das Buch wurde 1998 der literarischen Vorlage entsprechend erfolgreich mit Johnny Depp verfilmt.

Rum Diary

Rum Diary ist im Blumenbar Verlag in einer Übersetzung von Wolfgang Farkas neu erschienen. Mit Briefen von Hunter S. Thompson und einem Nachwort von Johnny Depp.

Die Hinweisschilder führten mich zu einer weiteren Gangway und schließlich zum Coffee Shop. Drinnen schaute ich mich im Spiegel an. Abgerissen und zwielichtig sah ich aus, ein bleicher Reisender mit geröteten Augen. Und ich stank auch noch nach Bier. Es rumorte in meinem Magen, wie ranzige Milch, und ich versuchte, niemanden anzuatmen, als ich mich an die Theke setzte und Ananasscheiben bestellte.

Cover des Buches "Rum Diary"

Blumenbar Verlag

Lange galt Rum Diary, der erste Roman, den Hunter S. Thompson geschrieben hat, als verschollen. Zumindest hat das der anarchistische Autor immer behauptet. Auf jeden Fall wurde das erste Buch, das Thompson Anfang der 60er Jahre geschrieben hat, erst 1998 veröffentlicht. 2004 erschien eine deutsche Fassung. Der erste Roman von Hunter S. Thompson wird nun nach seinem Selbstmord vor fünf Jahren von seinem Freund Johnny Depp als letztes Tribute frisch in Szene gesetzt. Die Filmarbeiten haben begonnen und Johnny Depp hat ein Nachwort für die neue Deutsch-Übersetzung des Romans geschrieben.

Fear And Loathing In Puerto Rico

Ähnlich wie bei seinen großen Büchern Fear And Loathing In Las Vegas oder Hells Angels lässt Hunter S. Thompson in Rum Diary einen lebenshungrigen jungen Journalisten durch eine Welt aus Rausch, Sex und Verzweiflung treiben.

Der 32-Jährige Journalist Paul Kemp bekommt einen Job bei einer kurz vor dem Konkurs stehenden Zeitung in Puerto Rico. Die Geschichte ist im Jahr 1959 angesiedelt. Der Plot simpel. Paul Kemp trinkt ununterbrochen Rum, quält sich durch Recherchen und Interviews für seine Zeitung, vertrödelt aber die meiste Zeit mit Huren am Strand, mit Cocktailempfängen, die er regelmäßig erfolgreich torpediert, oder mit seinen gewalttätigen Freunden im Gefängnis.

Fear And Loathing In Las Vegas

Universum Film GmbH

Die nächsten sechs Stunden verbrachten wir zusammen mit ungefähr zwanzig Puertoricanern in einer winzigen Betonzelle. Wir konnten uns nicht hinsetzen, weil der Boden vollgepisst war, standen in der Mitte des Raums und gaben Zigaretten aus, als wären wir Vertreter der Roten Kreuzes. Die anderen waren ein bedrohlich aussehender Haufen. Einige waren betrunken, andere schienen nicht ganz zurechnungsfähig zu sein. Ich fühlte mich sicher, solange wir sie mit Zigaretten versorgen konnten. Aber ich fragte mich, was passieren würde, wenn sie ausgingen.

Weitere Buchrezensionen
fm4.orf.at/buch

Im Unterschied zu seinen späteren Werken ist Rum Diary noch nicht von bodenlosem Sarkasmus durchzogen. Lustig blieb Hunter S. Thompson bis zum bitteren Ende, bis in seinen Abschiedsbrief hinein. Allerdings nahm sein verzweifelter Zynismus von Jahr zu Jahr, von Buch zu Buch zu. In Rum Diary ist ein junger Hunter am Werk. Dumpf und abgeklärt war er zwar schon damals, aber es ist noch eine Gelassenheit im Spiel, die man eigentlich oftmals in Spätwerken von Schriftstellern findet. Und so ist Rum Diary eines der humorvollsten Bücher von Thompson mit einer seltsamen jugendlichen Altersmilde. Es ist nicht eines seiner wichtigsten Bücher, aber in seiner nüchternen Schlichtheit sicher eines seiner Besten.

Am Ende des Buches, am Ende des Tages propagiert Hunter S. Thompson eine konsequente Lebenslust.