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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

5. 7. 2010 - 15:12

WM-Journal '10-74.

Deutschland wird Weltmeister. Ich habe es in Jogi Löws Augen gesehen.

Seit 1. Juni erscheint das WM-Journal zum Turnier in Südafrika - mit einer Ausgabe pro Spiel und zusätzlichen Analysen.
Hier auch in der Übersicht.

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Ich habe vorhin Joachim Löws heutige Mittags-Pressekonferenz mitverfolgt. Und das, was ich da gesehen und gehört habe, sagt mir: Deutschland wird Weltmeister.
Und, wenn nicht in echt, dann in G'scheit sein, nachgedacht und eine Philosophie entwickelt haben.

Löw, der vormalige Jogi, neuer Sex-Gott, Pullover-Model und badischer Schnarrer, hat in dieser Konfrontation mit der um die Weltpresse verstärkten deutschen Journalisten-Schar in knappen Worten mehr Wahrheiten ausgesprochen als es sämtliche euopäische Coaches in sämtlichen öffentlichen Wortmeldungen in den letzten zehn Jahren getan haben (okay, ich nehme einmal Mourinho aus, sicherheitshalber).

Wo man sonst Bekanntgaben, Geschwafel und Ablenkung vernimmt, sagt der nette Herr Löw die Wahrheit über seine Mannschaft. Und das mit einer Sicherheit, die dann nur noch von der Gelassenheit seines Gangleaders Bastian Schweinsteiger getoppt wurde, der seinen PK-Sessel mit der Überlegenheit eines Frank Sinatra nach einem bejubelten Konzert einnahm.

Der authentische Herr Löw

Und weil ich Klinsmann da schlecht mache, gleich wieder eine Gutmachung. Nämlich ein Link (danke an Mahdi!) zu einer BBC-Webstory vom Sommermärchen-Coach himself.

Und hier DFB-Coach Siegenthaler im Spiegel-Interview.

Löw erzählte, ganz offen und in seinen eigenen, authentischen Worten (und hob sich damit sogar von seinem Meister, dem in solchen Situationen immer leise verlogen alles weglächelnden Jürgen Klinsmann ab) wie er und seine Crew an dieses Turnier herangegangen waren.
Dass sie zuallererst eine Philosophie entwickelt hätten, dann die enstprechenden Spieler zusammengesucht und sie dann einer angepaßten Vorbereitung unterzogen hatten.

Diese Philosophie ist nicht mehr als eine (durchaus gewagte) These.
Dass nämlich der Fußball-Weltmeister von 2010 nur mit offensiv und vor allem kreativ orientierem Tempo-Fußball, mit Kombinationsspiel, das aufs Toreschießen angelegt ist, erfolgreich agieren werde können.
Auch weil man nach 2006 zur Erkenntnis gekommen wäre, dass der perfekt organisierte, aber hauptsächlich an die Defensive denkende Fußball, mit dem Italien erfolgreich gewesen wäre, vier Jahre später nicht mehr reichen würde.
Löw sprach explizit davon, dass Spielkultur und Spielfluß, Kombinationsfußball in hohem Tempo das Ziel seiner Bemühungen sind.

Löw ging ins Detail, erzählte, er habe sich sowohl an den besten Teams der Premier League, als auch an den besten spanischen Teams (Barcelona und wohl auch die Nationalmannschaft) orientiert.
Löw sagte nicht, dass sein Team 2008 bei der Euro noch nicht weit/reif genug war - aber die bewußte Auslassung dieses Turniers in seinem Aufbau-Erklärungs-Plan sprach schon Bände. Zudem betonte er das hohe Tempo-Spiel und die Jugendlichkeit seines Kaders - alles Dinge, die 08 noch nicht in dieser Form gegeben waren.

Jungs, hier kommt der Masterplan

Löw hat also einen Masterplan, seit mindestens vier Jahren.

Das Camp Löw hat eine Philosophie entwickelt, die (Mourinho hin, Inter Mailand her) sich an den Weltbesten orientiert und dabei die nationalen Ressourcen berücksichtigt. Und weil man in der Lage war auf die U21-Europameister von 2009 (Neuer, Özil, Boateng, Marin, Aogo, Kapitän Khedira...) zurückzugreifen, konnte der Umbau rechtzeitig für diese WM erfolgen.
Was ich vor dem Turnier noch als möglichen Stolperstein angesehen hatte (die noch unrunde Jugendlichkeit des Teams) ist jetzt sein großes Plus.

Löws 4-2-3-1 rund um einen zentralen und kreativen, unglaublich beweglichen Spielgestalter (Mesut Özil) kann in jeder Situation Überzahlspiel erzwingen. Da die beiden Chefs in der Zentrale (Khedira und Schweinsteiger) wie Quarterbacks denken und handeln können, weil sich die offensiven Außenspieler als Stürmer begreifen und da Löw Eingespieltheit über Saisonform stellt, hat sich ein Mittelfeld entwickelt, das sich mit dem spanischen Vorbild messen kann und das argentinische (das sich zu sehr rund um Messi fomiert hat) überlegen war.

Unterschied: Xavi/Iniesta sind in ihrer Paßdichte und -Genauigkeit nicht zu übertreffen; torgefährlich sind sie kaum. Löws Mittelfeld-Fünf mag nicht so genial sein, ihre Power nach vorne ist aber größer.
Löws Mittelfeld ist wuchtiger, körpert sich und den Ball in einem Tempo nach vorne, das bislang seinesgleichen sucht. Und damit den aktuellen Hype verursacht. Einen gerechtfertigten Hype wohlfgemerkt.

Die nötige Faustwatsche

Löws PK-Aussagen sind eine Faustwatsche für alle Laissez-Faire-Würstel da draußen, für alle, die glauben ohne Auseinandersetzung mit dem Kern des Spiels, seiner Entwicklung an der Spitze, seinen systemischen veränderungen, seiner taktischen Variationsbreite, seinen sportmedizinischen Fortschritten, der Förderung mentaler Fähigkeiten usw auskommen zu können.

Das hat mir Joachim Löw heute zwischen halb eins und eins erzählt. Und seine Augen haben gesagt, dass er jetzt sicher ist den Titel zu holen, der "Champion" zu sein.
Und, ja, ich kann nicht anders als ihm das zu glauben.