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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

3. 7. 2010 - 22:40

WM-Journal '10-71.

Der Sieger spricht spanisch. Zum angenehm merkwürdigen Viertelfinalspiel zwischen Spanien und Paraguay.

Seit 1. Juni erscheint das WM-Journal zum Turnier in Südafrika - mit einer Ausgabe pro Spiel und zusätzlichen Analysen.
Hier auch in der Übersicht.

Das WM-Journal gibt es auch als Podcast, einmal täglich, gegen Mittag.

Die Fakten zum Spiel Spanien - Paraguay 1:0.

Nachlese zu gestern: Brasilien ist entsetzt, Suarez gar ein Schurke.

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Es ist das vierte Viertelfinalspiel - und es ist das vierte Mal, dass der südamerikanische Teilnehmer verliert. Gut, Uruguay mag gewonnen haben, aber daran will sich eine Welt, die mit Ghana gelitten und geweint hat, gar nicht erinnern.

Paraguay verliert nun höchst erwartet.
Nur, das Wie ihres Ausscheidens gegen den spanischen Europameister, das war schon bemerkenswert.
Von Beton-Anrühren und einer Super-Defensiv-Taktik hatte man vorher gelesen - in Wahrheit ging es der größte Outsider im Feld der letzten Acht ganz schön forsch an und forderte einem Gegner, der mit soviel positivem Widerstand gar nicht gerechnet hatte, das Optimum ab.

Und so wurde aus dem programmierten Fadgas- und Ehklar-Spiel das bereits vierte Viertelfinale mit ungeheuerer Dramatik, einem wüsten Spielverlauf und dynamischen Aktionen, die den Fight auf diesem Level widerspiegeln.

Einwurf: Belustigenderweise höre ich heimische "Fachleute" auch in diesem Fall etwas von "schlechten" Spielen brabbeln. Fights auf diesem Niveau, Matches unter diesen Bedingungen geografischer und psychologischer Natur können per se nicht "schlecht" sein - die Qualittät der Akteure ist zu hoch, jeder Fehler durch Umstände/Gegner erzwungen, erspielt. Und die Dramatik einer K.O.-Phase tut ihr Übriges dazu.

Überraschende Augenhöhe

Ich finde, im Gegenteil, dass die Phrase vom "offenen Schlagabtausch" schon lange nicht mehr so viel Realentsprechung und Geltung hatte. Sie trifft nämlich auf alle vier Viertelfinals zu.
Taktische Abwägungen hin, zeitweises Abwarten her: die meiste Zeit in diesen vier Spielen war das ein Hin und Her, ein Rauf und Runter, eine Begegnung auf Augenhöhe.

Was dann eben gerade im Fall der heutigen Abend-Partie so verwunderlich, ja merkwürdig war.
Augenhöhe zwischen Spanien und Paraguay?
Ja. Doch, durchaus. Für jeden sichtbar.

Und gerade das ist für mich eine der wichtigeren Erkenntnisse dieses Turniers. Die Augenhöhe, die dann eintritt, wenn man sich traut, mitzuspielen. Egal, ob man Ghana, Uruguay, Paraguay, Chile, Mexico oder Slowakei heißt - wer sich als "Kleiner" traut, mitzuspielen, bringt es zu etwas.
Kleinmut hingegen bleibt unbelohnt.

Den Wahnsinn zwischen Minute 57 und 62 lass ich hier aus!

Paraguays Coach Martino hatte sein schiefes 4-3-3 aus den bisherigen Spielen aufgegeben und stattdessen ein genau getimtes 4-4-2 mit zwei recht offensiven Außenspielern gebastelt - wohl, weil er wußte, dass ihm del Bosque mit der Taktik aus dem Portugal-Spiel gegenüberstehen würde.
Mehr noch - Spanien spielte diesmal das bisherige brasilianische System, ein 4-2-2-2 mit zwei fluiden Mittelfeldakteuren hinter den beiden Spitzen (und diesmal teilten sich Torres, rechts, und Villa, links, den Raum brüderlich).
Dazu wildes und frühes Pressing, Druck schon auf Busquets und Xabi, die Aufbauer - und wenig Raum kam bei Spaniens Bemühungen.

Die Chancenmehrheit der 1. Halbzeit gehörte heute den Rot-Weißen.
Erst in der 56. Minute stellte Spanien um, zunächst auf ein 4-2-3-1, dann später, mit der Hereinnahme von Pedro, auf das 4-1-4-1, mit dem man 08 siegreich war.

Und erst da war dann wirklicher Druck aufzubauen. Klar, Paraguay konnte das kraftraubende Spiel nicht zu 100% aufrechterhalten, aber mit der Handball-Kreis-Strategie der 1. Hälfte hätten Xavi und Co noch bis morgen torlos spielen können. Paraguays Umstellung auf 4-3-3 kam zu spät.

Der spanische Sieg ist natürlich richtig und auch wichtig - auch, weil Deutschland einen Gegner auf Augenhöhe und diese WM noch einen Schlager, noch ein vorweggenommenes Finale braucht.