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Pia Reiser

Filmflimmern

3. 7. 2010 - 13:28

Psychedelisches und Ringo-Starr-Qualitäten

Die DVD-Kolumne zeigt Oliver Reed als axtschwingenden Swinging Londoner, Anthony Perkins als Idioten und verrät, was Robert Downey Sr. so mit seinem Leben angestellt hat.

Heute blicken wir in die Zukunft. Zwar nur in meine konsumistische, aber jeder Fluxkompensator hat mal klein angefangen. Die heutige DVD-Kolumne schleppt DVD-Gut an Land, das ich erst aus dem riesigen Filmmeer angeln muss. Eine kleine Auswahl von meiner meterlangen Liste an Filmen, die ich gerne sehen würde.Vielleicht sind ja Filme dabei, von denen ihr mir jetzt abraten werdet oder über deren demnächstigen suprigen Re-Release mit hysterieauslösenden Extra-Features ihr Bescheid wisst. Oder aber, ich steck' jemanden von euch mit Filmvorfreude an und wir gründen ein Piratenfilmvorführ-Kollektiv.

I'll never forget what's isname

Irgendwann bin ich über untenstehendes Bild gestolpert und dann elendslang liegen geblieben, um es aufzusaugen. Ich hab' eine seltsame Schwäche für die massive Leinwandpräsenz von Oliver Reed. Das Undezente, die große Geste, diese kraftstrotzende Virilität, dieses ROAAR, das ihn beständig zu umgeben scheint.

Filmwerbebild zu "I'll never forget what's isname"

Starz / Anchor Bay

In dem Film aus dem Jahr 1967 mit dem klassen Titel "I'll never forget what's isname" spielt Reed (übrigens der Neffe von "Der dritte Mann"-Regisseur Carol Reed) einen Mann der Werbebranche, der sich aus der Reklame- und Arbeitswelt ins Swinging London verabschiedet. Es wär' keine Rolle für Oliver Reed, würd' nicht irgendwas zertrümmert werden: Mit einer Axt schlägt er hier sein Büro kurz und klein, um sich dann auf die Suche nach einem honest job zu machen. Da lacht sein Boss und uns friert das Lachen ein, denn den spielt kein Geringerer als Orson Welles. Marianne Faithfull ist ebenfalls dabei in der Satire und ich denke, mit ein paar LSD-illuminierten Sequenzen wird man wohl rechnen müssen. Ich finde, schon alleine die Nonchalance, mit der Reed in Anzug/Axt-Kombination durch London spaziert, rechtfertigt den Kauf. Fluch-Chronisten freut vielleicht der Umstand, dass "I'll never forgets what's isname" der erste Film ist, in dem das Wort "Fuck" geflucht wurde.

I'll never forget what's isname (1967)
Regie: Michael Winner
Mit: Oliver Reed, Orson Welles, Carol White
Fassung: Momentan nur als Region 1 DVD und bizarr hochpreisig (von 40 bis 115 Dollar) oder gebraucht (ab 18 Dollar) erhältlich

A Ravishing Idiot

Ravissant/e ist immer noch eines meiner französischen Lieblinsgwörter, aber nicht nur deswegen steht "Une ravissante Idiote" auf meiner Einkausfliste aus der nahen Zukunft. In den Hauptrollen: Brigitte Bardot und Anthony Perkins. Zwei Schauspieler, die an den jeweils anderen Enden (öffentlicher) sexueller Biografien stehen. Auf der einen Seite BB, französisches, vermarktetes Sexsymbol mit einer Karawane an Geschichten über Affären und Seitensprünge. Auf der anderen Seite Anthony Perkins, der zeitlebens in Angst lebte, dass seine Homosexualität an die Öffentlichkeit geraten würde, was ihm karriere- und arbeitstechnisch den Todesstoß versetzt hätte. Verriegelt im Tinseltown Closet heiratet Perkins 1973 sogar die Fotografin Berinthia Berenson. Durch seine Rolle als Norman Bates in Hitchcocks "Psycho" im psychopathischen Rollenkorsett gefangen, ist es eine freudige Überraschung, Perkins in einer Komödie zu finden. Noch dazu in einem cold war spy spoof. Viel lässt sich über diesen Film ansonsten nicht in Erfahrungen bringen, aber schon allein die imdb-Keywords Spy, Cat, Dog, Party und die Tatsache, dass Bardots Namen in dem Film Penelope Lightfeather ist, sollten alle Zweifel beiseite räumen. Youtube hält sich auch eher bedeckt, aber immerhin findet man den französischen Trailer, in dem Perkins hinreissend betrenchcoated durch die Gegend und ein Staubsauger Amok läuft. Ravissant!

Anthony Perkins und Brigitte Bardot in "A Ravishing Idiot"

Vanguard Cinema

A Ravishing Idiot
Regie: Edouard Molinaro
Mit: Brigitte Bardot, Anthony Perkins, Grégoire Aslan
Fassung: Region 2 DVD (UK Import) ohne Extras ist ab 13 Euro erhältlich

Equus

Ich sage "Equus" und ihr denkt an einen nackten Harry Potter. Als Daniel Radcliffe 2007 in Peter Shaffers Theaterstück am Broadway spielte, ging angesichts soviel männlicher Nacktheit ein Raunen durch Blätter- und Bloggerwälder. Man kann sich also ungefähr vorstellen, um wieviel lauter das Raunen 1977 war, als "Equus" von Sidney Lumet verfilmt wurde. Genau, der Lumet, der Fels in der Brandung Hollywoods seit den 50er Jahren ("Die 12 Geschworenen"), der auch in seinen aktuellen Filmen (siehe "Before the Devil knows you're dead") von Altersmilde oder ähnlichen Regisseurswehwehchen verschont geblieben ist. In "Equus" beschäftigt sich ein Psychiater (Richard Burton - und da sind wir wieder mal beim Overacting, bei massiver Leinwandpräsenz wie bei Oliver Reed) mit dem Fall eines jungen Mannes und dessen religiös-sexueller Pferde-Faszination.

Equus (1977)
Regie: Sidney Lumet
Mit: Peter Firth, Richard Burton, Jenny Agutter
Fassung: Region 2 DVD gibts ab 14 Euro, keine Extras

Putney Swope

Filmplakat zu "Putney Swope"

Homevision

Eines Tages bin ich mit der Frage aufgewacht, was eigentlich Robert Downey Sr. so mit seinem Leben anfängt. Mit einem so umwerfenden Ergebnis meiner Kurz-Recherche hab ich aber nicht gerechnet. Der Herr Papa von Downey Jr. ist Autor und Filmemacher und zeichnet unter anderem für den Film "Putney Swope" verantwortlich, eine Satire auf die Madison Avenue Werbewelt aus dem Jahr 1969. Das Filmplakat verbindet elegant den erhobenen Mittelfinger mit dezenter Grafik und gleich zwei Slogans, die - wie Robert Downey Jr. - nicht von schlechten Eltern sind: "Up Madison Ave" und "The Truth and Soul Movie". Eine Satire, die sich mit Machtstrukturen, Korruption und der Darstellung von schwarzen Menschen in Hollywood-Filmen auseinandersetzt: wie um Himmels Willen ist mir dieser Film bis jetzt entgangen. Auf Youtube finden sich zwei der im Film vorkommenden Werbefilme, die im Gegensatz zum Rest von "Putney Swope" in Farbe sind. Und da war ich dann endgültig hin und weg.

Putney Swope (1969)
Regie: Robert Downey Sr.
Mit Stan Gottlieb, Allen Garfield
Fassung: Region 1 DVD gibts ab 15 Euro. Als magere Extras gibts Audiokommentar und Interview mit dem Regisseur

Good Grief it's Candy

Filmplakat zu "Good Grief, it's Candy"

Starz / Anchor Bay

Superbonus: Filme, die es momentan nur schwer erhältlich auf DVD gibt, aber man wird ja noch hoffen dürfen: Wir bleiben bei der Satire und wir bleiben in den 60er Jahren: An Terry Southern gibt es kein Vorbeikommen, wenn man sich mit dem amerikanischen Film der 60er Jahre beschäftigt, der Autor hat bei so prägenden Filmen wie "Dr. Strangelove", "Easy Rider" und "Barbarella" am Drehbuch mitgearbeitet und an weniger prägenden, aber umso großartigeren und gaga-esken Filmen wie "Casino Royale" und "The Magic Christian" (mit Peter Sellers UND Ringo Starr, grandios). Aufsehen erregt hat Terry Southern mit einer Neuinterpretation von Voltaires "Candide", die dann "Candy" hieß und als pornosophic satire of 50ies America beschrieben wird. In der Filmvariante, die einen Titel hat, der die Überdrehtheit der Sixties-Filme gleich mittransportiert - "Good Grief it's Candy" gibt sich ein Star-Enemble die Klinke in die Hand, wie es sonst nur in Katastrophenfilmen der 70er Jahre üblich ist: Charles Aznavour, John Huston, Richard Burton, Marlon Brando, James Cobourn, Anita Pallenberg und Ringo Starr. Und wo Ringo Starr draufsteht, kann wenig schiefgehen. Keine Widerrede.

Good Grief it's Candy (1968)
Regie: Christian Marquand
Mit: Ewa Aulin, Charles Aznavour, Marlon Brando
Fassung: Region 2 Restbestände findet man auf ebay