Erstellt am: 26. 6. 2010 - 16:40 Uhr
Don't Stop 'Til You Get Enough
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Als die ersten Zeilen von "Wannabe" am Anfang des Sets von One, Two, Three Cheers and a Tiger rezitiert wurden, wäre man fast geneigt gewesen den Bungee-Sprung links von der FM4-Bühne zu wagen. Aber das war natürlich nur ein Teaser, back to the 90´s. Nur der Anfang einer kleinen Zeitreise heute auf der FM4-Bühne. Wo gestern noch Hip Hop in allen Varianten am Hauptprogramm stand, ist heute ein knalliger Mix aus Indie-Rock und Electronic zu erwarten. Und Depeche Ambros.
Katarina Huber
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Den Anfang machten heute die bereits erwähnten One, Two, Three Cheers And A Tiger, die sich trotz ihres aktuellen Albums "Less Than The Half Price" bestens verkauften. Ihre Songs sind kleine Pop-Perlen, die Spice Girls-Reminiszenz zu Beginn daher durchaus angebracht. Es folgten neue Songs, Seifenblasen und ein tanzendes Publikum. Dazwischen immer wieder auch ruhige Stücke, etwas verliebt und verträumt, in Blick auf das, was morgen noch mit Adam Green zu erwarten ist.
Kein einfacher Anfang, wenn die Leute noch damit beschäftigt sind auf ihren Sitzkissen zu lungern. Aber ein schönes Set in Anbetracht des Urgesteins, das folgen sollte. Back to the 80´s und noch viel weiter.
Katarina Huber
Was immer man von den Achtzigern noch weiß (und das ist angesichts des bevorstehenden Auftrittes von Prince in Wien und dem gestrigen ersten Todestag von Michael Jackson wieder hervor zu kramen): Forget it, when you´ve seen Depeche Ambros. Es gibt nur wenige Urgesteine, die "Alle meine Entchen" ähnlich stark rezitieren können, wie es zuvor mit "Wannabe" der Fall war. Clemens Haipl, ein Drittel der dunkel gekleideten Black Celebration, weiß wie man die Massen anheizt und gleichzeitig an einer Tschick zieht. Logisch: He is the Depeche Mode-Fan No.1! Und dann folgen sie alle, die Austropop-Hits, die wir so lieben, die wir uns im Original einfach nicht mehr geben wollen oder können.
Depeche Ambros mit "Da Hofa", "Zwickt´s mi", "Es lebe der Sport" und "Schi Foan" sind nur einige der Kalauer, die mitten auf der Donauinsel auch oder gerade wegen diesem düsteren und kalten Sound ein Stück Wien werden. "Fürstenfeld" kombiniert mit "Never Let Me Down Again" und "Schi Foan" mitten in der Hitze des Tages, völlig absurd, aber genial. Und dann noch "Es lebe der Zentralfriedhof" zusammen mit "Black Celebration". Da würden sich sogar die HIM-Fans freuen. Fehlte eigentlich nur noch der Trockennebel.
Katarina Huber
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Velojet find ich ja nicht erst seit dem Popfest super. Es ist schön mitanzusehen, dass eine Band über die Jahre und Alben stetig an ihrem Sound bastelt und - das erlaube ich mir bei allen vier Mitgliedern zu sagen - auch immer fescher wird. Kürzlich ist mir ja auch eine Doku über die Band auf dem Privatsender eines Salzburger Energy-Drink-Herstellers untergekommen, die allerliebst zeigte, wie die Band zwischen Steyr und Wien ihren Liverpooler Sound perfektionierte. Von Probekellern ist nichts mehr zu spüren. Die neuen Songs von "Heavy Gold And The Great Return Of The Stereo Chorus" sind ausgereift, hymnenhaft und (das meine ich als Kompliment) stadiontauglich. Wer melancholische Balladen mit Streichern (u.a. mit Lukas Lauermann von ALASAC) auf einer Festivalbühne so traumhaft umsetzt, verdient meinen höchsten Respekt.
Katarina Huber
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Danach kam ein ziemlicher Bruch, der aber auf jedes gute Festival gehört. Und gleichzeitig ein kleines Rätsel für all die zugeströmten Teenies und Rocker: Welcher der fünf Herren von Eternal Tango hatte mehr Tattoos auf seinen Armen? Knifflig, sind sie doch regelrecht damit überzogen. Die Luxemburger Band gehört zu den Lieblings-Support-Bands von Bad Religion und damit ist auch der Sound beschrieben: Hart und laut. Aja und sie haben "Satellite" von der derzeit berühmtesten Deutschen namens Lena gecovered. Bei der Version von "Don´t Stop Me Now" von Queen bin ich ausgestiegen. We have been so punk´d.
Katarina Huber
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Um 19h wurde mit "Jetzt geht´s los!"-Chören der nächste Act auf die Bühne gebeten. Und da rauchte es ordentlich: Nicht nur auf der Bühne, auf der Guadalajara mit Rauch und Nebel spielten, sondern auch davor, wo die Menschen im Staub sprangen, Jungs ihre Mädels oder ihre Jungs auf den Schultern trugen und so ein bisschen Nova Rock-Feeling aufkam.
Bereits vor ihrem Auftritt trompeteten die Steirer neben dem FM4-Container und das erinnerte etwas an Volksfest-Stimmung. Egal ob man das nun Ska-Punk nennen will oder sich eine andere unpräzise Definition dafür ausdenkt, die prägnant eingesetzten Bläsersätze, die ungebrochene Energie und der steirische Dialekt bei den Song-Ansagen wirbeln schon allein genug Staub auf. Kinderchöre, Drumloops, technoide Intros, Synthesizer und Unterstützung von Russkaja-Geigerin Antonia: Das ist so etwas wie das "Shantel-Phänomen". Das funktioniert live super und da passt es auch, dass ihr Album "Weapons of Mass Seduction" heißt.
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Ein "musikalischer Clash of Civilizations", wie das meine Kollegin Natalie Brunner vor einiger Zeit nannte, folgte mit The Very Best. Ihre Afro-Electro-Pop-Versionen diverser Songs von Michael Jackson, M.I.A. und Architecture in Helsinki erregten im Netz schon für Aufsehen, das Album "Warm Heart of Africa" wurde drangehängt. Wahrlich multilingual war es dann auf der FM4-Bühne. Sänger und Texter Esau Mwamwaya schreibt alle Texte in seiner Muttersprache Chichewa, das Produzenten-Duo Etienne Tron und Johan Karlberg liefert die passenden Beats, zwei graziöse Tänzerinnen schwingten dazu die Hüften.
Katarina Huber
Mein Moment des Sets: Eine packende Cover-Version von Michael Jacksons "Will You Be There", mit gesampelter Originalstimme des King of Pop. Ein Song, der mich seit Tagen begleitet und nur eine der vielen Huldigungen, die nicht nur nur wieder eine Zeitreise bedeutet, sondern ein Innehalten für alles, für das Pop steht. Multilingual eben.
Katarina Huber
Dann wurde es dunkel und der Headliner des heutigen Abends kam wie ein Erdbeben über die Donauinsel: Pendulum. Gewaltiger Stimmorkan, eine wahrlich höllische Hölle und als Höhepunkt ein fulminanter Remix von The Prodigys "Voodoo People". Die Australier sind sonst nur für ihre DJ-Sets bekannt, das Drum 'n Bass-Quintett kann aber auch im Live-Set einiges. Es ist ein großes Wummern, durchbrochen von trockenen Keyboard-Melodien, wie man sie besonders in PC-Spielen schätzt (nicht umsonst veröffentlicht die Band ihre Songs auch in Games). Eins muss man sagen: Das Publikum war heiß auf Pendulum und umgekehrt genauso. Frontmann Benjamin Mount pushte vor und während des Sets seine Mitstreiter dynamisch auf, wirkte manchmal wie ein Werwolf auf Speed, wenn er seine Grimassen in Ekstase schnitt.
Katarina Huber
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Amanda Peniston-Bird, www.planet.tt/Powered by Nikon
Apropos Ben Mount. Hierzu eine kleine Anekdote: Der kam vorm Auftritt quasi inkognito zu mir und erkundigte sich wie das Festival überhaupt heißt. Also: "Do-nau-insel-fest". Das machte ihm sichtlich Schwierigkeiten, hat sich beim Auftritt aber dann doch bezahlt gemacht.
"Hi Donauinselfest!" kommt halt besser als "Hello Salzbu...", wenn man grade am Nova Rock spielt.
Ich freu mich auf Adam Green morgen. Oder im Sinne der heutigen Zeitreise: Don´t stop 'til you get enough.