Erstellt am: 25. 6. 2010 - 21:11 Uhr
WM-Journal '10-54.
Seit 1. Juni erscheint dieses WM-Journal zum Turnier in Südafrika - mit (meist) einer Ausgabe pro Spiel und zusätzlichen Analysen.
Hier auch in der Übersicht.
Das WM-Journal gibt es auch als Podcast, einmal täglich, immer gegen Mittag.
Der Katzenjammer bei Italien:
Die Fakten zu den Spielen Spanien - Chile 2:1 und Schweiz - Honduras 0:0.
Offizielles: die FIFA-Seite und die WM-Spezial-Site der Sport-Kollegen. Inoffizielles: die Spielerverteilung innerhalb der Nationen.
Alle FM4-Stories zur WM, alle Rundherum-Geschichten aus Südafrika. Und auch eine schöne Nachlese zum Ausscheiden von Les Bleus.
Das FM4 WM Quartier im Wiener WUK - mit In- und Outdoor-Screens für jedes Wetter.
Ich hab mich vor dem Turnier festgelegt: mein Traumfinale heißt Spanien - Chile. Ich weiß, sowas ist doof, weil man sich angreifbar macht. Ist mir aber wurscht.
Bei Spanien hab ich die letzten Jahre als Maßstab hergenommen - und so richtig haben sie mir im Turnier noch nicht rechtgegeben.
Bei Chile war es das System, die Verve, der Wahnsinn den Bielsa seiner Truppe eingeimpft hat - und die haben im Turnier bislang mehr als entsprochen; sie sind die postive Ausnahmeerscheinung schlechthin.
Weil aber Spanien (übeerflüssigerweise) gegen die hyperdefensive Schweiz verloren hat, ist dieses Finale in Gefahr.
Denn, einen Sieg der Schweizer gegen Honduras vorausgesetzt, fliegt mir schon im heutigen Duell einer meiner Finalisten raus.
Ungerechtfertigterweise, wie ich meine.
Denn die Schweiz ist, was Aufbau- und Personalarbeit betrifft, ein Vorbild, auf das Österreich irgendwann auflaufen sollte - hier aber bislang wenig überzeugend. Nicht überzeugend genug für die letzten 16, meine ich.
Zuerst Angst um Spanien...
Im direkten Duell der Spanien gegen Chile fürchte ich, dass sich die Cleverness der furia roja gegen die "normale" roja durchsetzen wird - das würde den Verlust von Chile bedeuten.
Und das macht mich seit Tagen schon durchaus unrund. Weil dieses auf-die-Tordifferenz-Gespiele mir auf die Nerven geht.
Deshalb hoffe ich darauf, dass Honduras sich gegen die Schweizer den Arsch aufreißt und siegt oder ein Remis holt und mir so die Möglichkeit gibt weiterzuträumen.
Ich mag ihnen dabei nicht zuschauen, den diesmal völlig umgestellten und sehr bissigen Honduranern in ihrem Spiel.
Und bleibe deshalb beim anderen picken.
Auch wenn das schwerfällt - nicht nur wegen des Fehlers von Tormann Villar, der - nach einer grandiosen chilenischen Anfangsphase - den Spaniern genau ins Konzept spielt. Jetzt können sie von hinten heraus spielen und ihr Ding aufziehen. Und bauen ihre Führung aus; nicht einmal unverdient.
... dann Angst um Chile
Und es fällt auch schwer nur dieses Spiel anzuschauen, wiel die Kommentierer (und ich meine diesmal dezidiert die Deutschen) aufgrund ihrer Unkenntnis, was das chilenische Spiel betrifft (das sie auch strategisch nicht deuten können, Bielsas System überfordert den Mainstream-Reporter an sich ja total) das spanische Spiel besser reden als es ist.
Denn bis zur Führung waren del Bosques Europameister im Nirgendwo, über die gesamte Breite des Platzes eingeengt, eingesperrt von einem chilenischen Team, das heute komplett auf echte Außenspieler verzichtet, ein 3-3-4 im Stil des "Total Voetbal" spielen läßt
Das einzige was ich Chile ankreiden kann, ist ihre zu rauhe Umgangsweise. Und dass Bielsa den Carmona-Ersatz Estrada nicht vom Platz genommen hat, als er schon früh am Rande einer roten Karte tanzte. Und dass sich ein Mann wie Ponce so blöd anstellt. Aber der nimmt sich danach dann gscheit zurück.
Spielerisch ist das, was dieser Haufen kleiner Männer anstellt mindestens gleichwertig.
Dass das jedoch Wirkung zeitigt, das ist von der Leistung von Honduras abhängig.
Auch in der 2. Halbzeit...
...schnüren zehn Chilenen elf Spanier sofort ein, als wären sie japanische Fessel-Großmeister. Das ist, mit Verlaub, unglaublich. Dieser großen Mannschaft mit so viel Mut zu begegnen - das müsste (in einer besseren Welt in jedem Fall) belohnt werden.
Wird es dann, ein bisserl, mit dem Anschlußtreffer.
Denn so reicherte der Schweiz selbst ein 1zu0 (das sie immer noch nicht haben; und auch die Aussicht wäre, sagen die Spione aus dem Nachbarraum, gar nicht so groß) nicht.
Chile spielt jetzt, nach dem Ausschluß, ein 3-3-3, und das ist deshalb nicht so tragisch, weil die Dreier-Abwehr und das Dreier-Mittelfeld (mit dem Neuen, mit Millar, dem Torschützen) weiter so aktiv sind wie bisher.
Dafür sind beide 10er, Mark Gonzales und Valdivia draußengeblieben und ein echter Stürmer, Paredes (Humberto Suazo ist scheinbar noch nicht echt fit) kommt zwischen die Flügel Suarez und Beausejour. Die müssen jetzt noch mehr arbeiten, bohren zu dritt die spanische Viererabwehr an.
Das ist von Marcelo Bielsa, dem Mastermind der Chilenen, strategisch wieder einmal meisterlich gelöst.
Und es geht sich dann alles aus...
Del Bosque, auch ein Meister, reagiert extrem clever, nimmt Torres (auch noch nicht fit) runter und stellt von seinen zwei Spitzen auf ein 4-5-1, also die spanische Zauberformel zurück.
Das heißt: Villa als einziger Angreifer, Busquets und Xabi defensiv im Mittelfeld und davor - die großen Drei, die Wow-Jungs.
Der grandiose Cesc Fabregas (fit genug für 30 Minuten) wechselt sich mit Xavi und Iniesta (wohl fit für 70 Minuten) ab, und wirbelt nur so durchs Spiel.
Für Chile reicht der aktuelle Stand der Dinge.
Selbst wenn die Schweiz jetzt in Führung gehen würde, wäre man weiter. Aber jedes weitere Tor da oder dort... Und dieses Spiel auf Ergebnis... Und die Unbeeinflußbarkeit des anderen Spiels...
Das macht mich unrund. Minutenlang. Auch als sich Spanien und Chile ab der 80. Minute irgendwie drauf einigen nicht mehr viel zu tun. Auch weil die Schweiz es nicht schafft den vermeintlichen Zwerg zu biegen.
Und es geht sich alles aus.
Und es wird alles gut.
Weil die bessere Welt zumindest manchmal auch in der wirklichen Welt stattfindet.
Wenn auch nur im Fußball.
Dort geht es weiter, immer weiter. Mit Achtelfinals wie Deutschland - England, Argentinien - Mexico und eben auch Brasilien - Chile.