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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

30. 6. 2010 - 17:50

Work Hard. Party Hard.

Der c/o Pop in Köln gelingt in ihrem siebten Jahr die bestmögliche Verschränkung von Business-Meeting und Feierlaune. Mit brandneu aufgemöbelter Convention und - wie gehabt - prallstem Musikprogramm.

Nun mag einen angesichts eines Wortes wie "Kreativwirtschaft" oder solch eines furchtbaren Magazins wie "Business Punk", das uns unter dem Slogan "Work Hard. Play Hard" und mithilfe des Lifestyles von bungeejumpenden, männlichen Managertypen den Neoliberalismus als neue, freche Revolution verkaufen will, das kalte Grauen befallen - wenn dann aber Menschen - und sicher nicht gerade die dümmsten - aus den Bereichen Musik, Design, Web oder Irgendwas mit Medien sich gute Gedanken machen, ideologisch noch irgendwie mit der Subkultur verdrahtet sind und der Welt schöne, neue Ideen und Konzepte und, ja, letzlich Produkte ins Leben stellen wollen, dann wollen wir lauschen, zusehen und einsehen, dass hier Geld verdient werden will, und die Diskussion, wie das denn auszusehen hat mit dem geistigen Eigentum aufs nächste Jahrzehnt vertagen. Die c/o Pop Köln ist vergangenes Wochenende in ihr siebtes Jahr gegangen und sie hat ihren theoretischen Seitenarm ordentlich aufpoliert, ihm den Namen "C'n'B" - was soviel heißen will wie Creative Business Convention - gegeben und die ganze Veranstaltung aus dem Herzen der Stadt ein wenig nach draußen, auf die rechte (die "böse") Rhein-Seite, in den Rheinpark verlagert.

Köln Dom

Philipp L'heritier

Co Pop Plakat

Philipp L'heritier

C o Pop

Philipp L'heritier

C'n'B: Die Convention bei der c/o Pop
Shipwreck to success

Philipp L'heritier

Shipwreck To Success: Panel mit u.a. Patrick Wagner und Steve Blame

C'n'B, das heißt, das kann man nach diesem Jahr fraglos behaupten, wichtigster Treffpunkt im deutschsprachigen Raum an den Schnittstellen, wo aus Kreativität Wirtschaft werden will, ohne fettfingrigen Beigeschmack, ohne Ranschmeißertum, Bauchbepinselung und Ahnunglosigkeiten irgendwelcher oberer Etagen, wie das beispielweise bei der Popkomm mitunter zu beobachten war. Hier sprechen, organisieren und machen Menschen, so hat man immerhin den Eindruck, die ein Jucken in sich haben. Der ehemalige MTV-Moderator Steve Blame spricht im Panel mit dem schönen Namen "Shipwreck to Success" mit Patrick Wagner, dessen Label Louisville letztes Jahr Konkurs anmelden musste. Intro-Chefredakteur Thomas Venker interviewt Pedro Winter alias Busy P., der es als Manager, DJ, Produzent und Labelbetreiber von Ed Banger höchst erfolgreich begriffen hat, Musik und all ihr Drumherum als Marke zu verstehen. Ralph Christoph, Mitbegründer der c/o Pop und ehemaliger SPEX-Schreiber, unterhält sich mit den Wave-Legenden von OMD, die übrigens im September nach 10-jähriger Pause ein neues Album veröffenltichen werden. Es gibt Vorträge, Diskussionen, Panels und Workshops mit Teilnehmern aus allen möglichen Ländern zu solch tatsächlich brennend interessanten Themen wie "Print - This Year's Music Industry", "Film and TV Music Supervising" oder "Chancen und Risiken von Social Media Marketing", und unter dem Titel "How Green is Green?" werden fern von jeder stubenhockerhaften Weldfremdheit relativ erhellend die Möglichkeiten, große Musikfestivals umweltfreundlicher zu gestalten, verhandelt (absolut nicht uninteressant). Das Wort "Musikindustrie" und den Spruch, dass die CD jetzt dann bald mal endlich aussterben wird, hört man nicht. Hier bekommt der altbekannte Tanz zwischen Krise und Chance ein erfreuliches, uneitles und hoffnungfrohes Gesicht, vor Erkenntnisgewinn möchte man fast platzen. Österreich findet auf der C'n'B so gut wie nicht statt.

C o pop

Philipp L'heritier

Phoenix

Telekom Street Gig

Phoenix
Phoenix

Telekom Street Gig

Phoenix auf dem Parkdeck, absurde View

Der Hauptgrund aber vermutlich, weswegen alljährlich die vielen Menschen nach Köln zur c/o Pop kommen, ist abseits der Business-Agenda das berstende Musikprogramm. Gut 30 Locations, wenn zwar bei weitem nicht ständig alle, werden bespielt, rund 250 Acts gilt es an offiziell 6, realistisch gesprochen aber eher an 4 ganzen und 2 geviertelten Tagen zu erleben, in Clubs, Bars und der einen oder anderen Off-Location. Der Fokus liegt nach wie vor auf der Kölner Kern-Kompetenz "Elektronische Musik", dennoch ist das Programm mittlerweile stark um Indierock/Pop erweitert worden, auch technoferne Menschen müssen hier nicht Durst leiden.

Comeme Party

Philipp L'heritier

Comeme Party
Comeme Party

Philipp L'heritier

Rebolledo und Matias Aguayo

Philipp L'heritier

Rebolledo & Matias Aguayo

So geben beispielsweise die allzeit charmanten Softrocker von Phoenix auf der Dachetage eines Parkhauses, das gegen 8 Uhr abends noch gut und gerne als Sonnendeck bezeichnet werden darf, auf verhältnismäßig kleiner Bühne ein wie immer umwerfendes Konzert, gesäuselte Ansagen in gebrochenem Englisch inklusive. Ein Highlight der letztjährigen c/o Pop war die Cómeme-Party im vollkommen schweißdurchfluteten Mini-Club Roxy, so auch dieses Jahr: Das von dem Deutsch-Chilenen Matias Aguayo, der im vergangenen Jahr ein großartiges, fast ausschließlich auf dem eigenen Körper entsprungenen Klängen basierendes Album veröffenlicht hat, mitbetriebene Label Cómeme veröffentlicht vorrangig Musik südamerikanischer Produzenten, saftiger Techno mit starkem Einfluss von ebenda, aber auch afrikanischen Akzenten oder verspielten Variationen von klassischem House. Auf der Tanzfläche und hinter den Plattenspielern drängen sich u.a. der Chilene Diegors, Aguayo selbst und der wahrhaft unmenschliche Mexikaner Rebolledo. (Rebolledo geht so.) Rebolledo ist unmenschlich.

C o Pop Köln Publikum

Philipp L'heritier

The ruby Suns

Philipp L'heritier

The Ruby Suns
Ja, Panik

Philipp L'heritier

Ja, Panik
Ja, Panik at C/o Pop

Philipp L'heritier

Ja, Panik, beste Band

Der von der SPEX gehostete Abend im Club Gloria ist abgesehen von der berlinmäßigen Zirkusmusik der Band Bonaparte mit momentan everybody's darling Caribou, dem momentan besten Pop-Star der Welt Robyn und der momentan schönsten Rückkehr OMD wiedermal exquisit besetzt, nur kommt man in den Club nicht rein, sollte man lediglich im Besitz eines regulären Festival-Bandes oder eines Presse-Bandes plus Foto-Passes sein. Hier erhält nur Einlass, wer eigens für diese Veranstaltung erworbene Karten besitzt, was im Vorfeld nur unzureichend kommuniziert worden ist, und so bei nicht wenigen Unmut hervorruft. Was aber auch tatsächlich die einzige Unannehmlichkeit bleiben sollte auf einem Festival, bei dem das Ticket-Handling, der Kontakt mit Sicherheits-Personal, das Anstehen, das Auffinden von Toiletten und Erfrischungsgetränken sich sonst ausnahmslos reibungslos und erfreulich gestalten.

So hat man aber beispielsweise die Gelegenheit, sich den kristallinen Glockenklang-Techno von Herrn Pantha Du Prince im Zoo per Kopfhörerkonzert zu Gemüte zu führen, oder gestrenge Elektronik deutscher Prägung von To Rococo Rot im Museum, jugendliche Pop-Elektronik von We Have Band und dem New Young Pony Club oder auch die ganz grelle Krawalldusche mit Uffie und Busy P.
Sehr großartig ist das Konzert der Neuseeländer von den Ruby Suns, die ihren Indie-Pop schon vor Vampire Weekend weltmusikalisch unterfüttert haben, und, wer sich je gefragt hat, ob und wie denn die derzeit beste deutsprachige Band, Ja, Panik, außerhalb von Österreich - SPEX-Album des Monats hin oder her - zu 'funktionieren' vermag, kann seine Antwort in dem mittelgroßen, gut gefüllten Club/Konzertlokal Bogen 2 finden. Kaum eine komplettere Band kann man dieser Tage erleben. Über die große Text-Kunst des Andreas Spechtl und seine unübersehbar vorhandenen Rockstar-Qualitäten ist schon so einiges gewusst worden, aber auch der Rest der Band weiß im Zwischenreich zwischen Dilettantismus und Meisterschaft, mit ein paar Pavement-Kniffen und zweimal um die Ecke gedacht, ein nichts Gutes verheißendes Magnetfeld zu errichten. Da wird dem alten Gespenst Indie-Rock eine druckvolle wie gleichsam zerbrechliche Weltformel abgerungen. Eine Band, die perfekt die Verbindung herstellt zwischen Hangover und Hedonismus, zwischen diffusem Überschwang und Unbehagen. In der ersten Reihe singen Kölner Mädchen "Wien, Du bist ein Taschenmesser!" Diese Band macht alles richtig.

Line-Up Kompakt-Party

Philipp L'heritier

Line-Up Kompakt-Party
Superpitcher

Philipp L'heritier

Superpitcher in typischer Pose
Kompakt-Party

Philipp L'heritier

Kompakt-Party im Ziegelbau

Für Techno-Touristen stellt die alljährliche Party von KOMPAKT, DEM Aushängeschild von Köln-Techno, einen besonderen Höhepunkt dar. Man ist dieses Jahr wieder in eine neue Location umgezogen, einen "Papierfabrik" genannten Ziegelbau, große Teile der KOMPAKT-Familie sind am Start, Superpitcher, Michael Mayer, Gui Boratto, Neuzugang und Alleskönner Ewan Pearson und das neue, fanatstische Duo Walls aus England, das auf seinem kürzlich erschienen Debütalbum aus Ambient, Techno und Shoegaze-Gerausche neue Sphären schmiedet.

C O POp

Philipp L'heritier

Warten vorm Herr von Eden

Der Samstag spielt sich traditionell zu großen Teilen im hippen Belgischen Viertel ab, Boutiquen, Platten- und Designer-Läden haben länger auf, werden teils auch von Bands und DJs bespielt, und auf der Straße trinken die hübschen Menschen Bier vom Kiosk um die Ecke. In der schicken Boutique Herr von Eden, in der im vergangenen Jahr Gonzales ein fulminantes Solo-Piano-Konzert gegeben hat, haben sich Die Vögel eingefunden. Die Vögel sind Mense Reents (Egoexpress, Die Goldenen Zitronen, Stella) und Jakobus Siebels (JaKönigJa), mit dem Stück "Blaue Moschee", für das DJ Koze eigens das Label Pampa Records gegründet hat, einen der Techno-Tracks des letzten Jahres produziert. Blasmusik trifft Techno, Posaune, Trompete, Flöten, Tuba, wird auch nach einer Stunde nicht langweilig. Album kommt nächstes Jahr, den Aftershow-DJ gibt der bezaubernde Pawel, der einstmals unter dem Namen Turner verträumte Pop-Elektronik gebastelt hat und in diesem Jahr mit seinem Erstling als Pawel für den Titel "Bestes Tech-House-Album" ins Rennen geht.

Die c/o Pop hat nicht das Flair eines Festivals, viel mehr das einer gut gelaunten Stadt, in der gerade sehr, sehr viel los ist. Man kann bei weitem nicht alles sehen. Der New Yorker Disco-Gott Morgan Geist, eine Hälfte des stilprägenden Duos Metro Area, beendet den Samstag mit einem filigranen wie dringend auf den Dancefloor zwingenden Set, der Sonntag kommt mit leichtem Programm in Gestalt einer Party des Münchner Lables Gomma: Die Sterne spielen ein elastisch swingendes Konzert, die Labelbosse Mathias "Munk" Modica und Jonas "Telonius" Imbery legen Platten auf. Nein, das sind ja schon wieder CDs.

Die Vögel

Philipp L'heritier

Die Vögel
Pawel

Philipp L'heritier

Pawel, früher: Turner
Morgan Geist

Philipp L'heritier

Morgan Geist
Partycrowd Köln

Philipp L'heritier

Munk

Philipp L'heritier

Mathias "Munk" Modica