Erstellt am: 26. 6. 2010 - 08:20 Uhr
Fête de la musique
Christiane Rösinger
Die Fête de la musique ist ein Konzertspektakel, das die gesamte Stadt in eine Freiluftbühne bei freiem Eintritt verwandeln soll. Die erste Fête de la musique gab es 1981 in Paris, sie ging auf eine Initiative des damaligen Kulturministers Jack Lang zurück. Inzwischen wird das Musikfest in 230 Städten auf der ganzen Welt gefeiert. Als es 1995 in Berlin eingeführt wurde, freuten sich die zahlreichen unbekannten Kellerbands über die Auftrittsmöglichkeit. Und so hörte man am 21. Juni dann vor fast jeder Kneipe und auf vielen Bühnen der Stadt recht anstrengendes Crossovergebrüll, aber trotzdem gab es auch immer wieder Neues und Skurriles zu entdecken.
Unter Bands, die versuchten von Musik zu leben, war das Umsonst-auf-der-Fête-Spielen nicht besonders beliebt: Man organisierte selbst Autos, schleppte Verstärker durch die Gegend, die Wirte verdienten an den Getränken und das Publikum konsumierte die Musik so im Vorbeigehen. Heute sieht das anders aus: Musik hat ihren materiellen Wert verloren und der Konsument ist es gewohnt, Musik als kostenloses Allgemeingut zu betrachten.
Christiane Rösinger
Das Konzept "umsonst und draußen" ist natürlich unschlagbar. Aus der Idee, die Straßen mit Musik zu füllen, ist ein Riesenevent geworden. In Frankreich spricht man schon seit ein paar Jahren abfällig von der "Fête de la bière" und "Fête de la bouffe" , also von einem Sauf- und Fressfest. Dieses Jahr hatten sich in Berlin mehr als 600 Bands und Musiker auf 88 Bühnen angemeldet. Das Programm reichte von Klassik, Swing, Jazz, über Chanson, Pop, Rock, Electro, Reggae, Singer-Songwritertum bis zur Weltmusik und Folklore.
Christiane Rösinger
Die Fête de la musique hat sich seit den Anfangstagen immer mehr professionalisiert und kommerzialisiert. Publikumslieblinge wie Element of Crime, Mia und Seed spielten auf den gesponserten Bühnen. Erfolgreiche Bands sind ja nicht auf jede Konzertgage angewiesen, das Umsonst-Spielen wirkt symphatisch und volksnah, ist also ein gutes "Promotion-Tool", die Sponsoren bezahlen die Bühne und verkaufen ihre Drinks und das Publikum freut sich am "Event".
Dieses Jahr war es ein wenig anders, weil man auch als Fête-Kritikerin froh war, mal weg vom Fernseher und aus dem WM-Trott zu kommen. Zwar spielten auch dieses Jahr bekanntere Bands wie Bonaparte, Ja, Panik und Bosse, beschallte das Seed DJ -Team den Mauerpark, aber so richtig brechend voll war es nirgends, was an einem Montag, während der WM und bei gar nicht soo gutem Wetter nicht weiter verwunderlich ist.
Christiane Rösinger
Am Kollwitzplatz, dem Zentrum der vollendeten Gentrifizierung des Prenzlauer Bergs hatten ein Energydrink-Hersteller und eine Bierfirma ihre Stände und Partymobile aufgebaut, Feinkostläden verlangten Phantasiepreise für Speis und Trank. Aber ein gewisses anarchistisches Potential ist in Berlin dann halt doch nicht totzukriegen. Jede Menge Musiker und Bands stellten sich einfach ohne Genehmigung in die Parks und auf die Straßen, der viatnamesische Spätkauf am Platz machte mit dem Getränkeverkauf das Geschäft seines Lebens, und die Verkaufsstände der Sponsoren blieben leer.