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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

1. 7. 2010 - 17:15

Verspielte Bewegungen

Ein geschichtlicher Abriss zur neuen Körperlichkeit beim Videospielen.

Es war aufregend, als wir beim Spielen von Computerspielen zum ersten Mal mit dem Körper zur Seite und zurückgewichen sind. In den frühen 1990er Jahren ist das vor allem bei der ersten Generation der First Person Shooter oft vorgekommen. Games wie "Doom" (1993) konfrontierten uns erstmals mit einem heftigen, realistisch wirkenden Spieleerlebnis, dass nur wenige Jahre davor undenkbar war. Wenn Monster oder feindliche Soldaten auf einen zugelaufen sind, hat man sich mal instinktiv zur Seite gelehnt und erst dann die richtigen Knöpfchen gedrückt.

Irgendwann ist der Körper dann tatsächlich zur Steuereinheit geworden: Spätestens seit Einführung der Spielkonsole Nintendo Wii im Jahr 2006 sind Games zum physikalischen Erlebnis geworden. Damals war das noch eine Besonderheit, doch mittlerweile setzen alle großen Hardware-Hersteller der Games-Industrie auf Bewegungssteuerung.

Vor dem Fernseher fuchteln

Der Startschuss ist vor fast genau vor sieben Jahren gefallen. Am 4. Juli 2003 ist "EyeToy" für die PlayStation 2 in Europa erschienen. Es ist im Wesentlichen eine Webcam, die aber auch Bewegungen erkennen kann. Bei "EyeToy"-Spielen hat man sich selbst im Fernseher gesehen und meistens mit den Armen diverse virtuelle Gegenstände manipuliert und herumgeschubst. Eine Form des Augmented Reality, verspielt und zugänglich. "EyeToy" war ein moderater Erfolg und hat über einige Jahre hinweg frische Software spendiert bekommen. Doch spätestens Ende 2006 war das alles Schnee von gestern.



Die Markteinführung der "Wii" von Nintendo, deren Arbeitstitel bezeichnenderweise "Revolution" war, begeistert Spieler und verblüfft die Konkurrenz. Die Bewegungssteuerung ist hier nicht bloß ein Zusatz zum normalen Game-Controller, sondern ein grundlegender Bestandteil des Gerätes. Die Pionierarbeit macht sich bezahlt, die Wii ist bis heute ein riesiger kommerzieller Erfolg.

In den letzten vier Jahren hat Nintendo mit der Wii eine eigene Zielgruppe für sich erschlossen. Statt ehrgeizigen männlichen Teenagern mit viel Freizeit hat man vor allem Kinder, Familien und ältere Personen ins Boot geholt. Microsoft und Sony haben mit ihren Konsolen Xbox 360 und PlayStation 3 währenddessen den klassischen Videospielmarkt bedient: Aufwändige Technik, umfangreiche Games und eben herkömmliche Steuerungseinheiten mit Analogsticks und vielen Knöpfen.

"EyeToy" Reloaded

Vor einem Jahr haben sowohl Sony als auch Microsoft bekannt gegeben, spät, aber eben doch noch in den nun etablierten Markt der Bewegungssteuerung bei Videospielen einzusteigen. Wo "PlayStation Move" bloß wie eine leicht erweiterte Form der Wii-Steuerung anmutet, geht "Kinect" (vormals "Project Natal") einen Schritt weiter. Hier hält man gar nichts mehr in der Hand und steuert Spiele komplett mit dem Körper. Im Grunde ist es ein Wiederaufleben der sieben Jahre alten "EyeToy"-Idee, bloß mit präziserer Technik und mehr Software im Rücken.

Danja Vassiliev

Gordan Savicic

Der Wiener Medienkünstler Gordan Savicic, der in seinen Werken oft die Schnittstelle zwischen digitalen Inhalten und physischer Realität auslotet, erkennt in den aktuellen Entwicklungen der Games-Industrie Projekte der Medienkunst wieder, die bereits vor gut zehn Jahren gedacht und umgesetzt wurden.

"Das Interessante ist, dass die Technik nicht - wie wir ursprünglich geglaubt haben - uns umhüllen wird, indem wir irgendwelche Computer an uns tragen. Stattdessen findet ein sogenannter soft embrace statt, wir werden weich umhüllt von der Technologie. Bei 'Kinect' ist man nur noch als Körper da - man hat überhaupt kein Gerät in der Hand und trotzdem steuert man viel, viel komplexere Spielalgorithmen."

Auf der Mitte Juni in Los Angeles stattgefundenen Computer- und Videospielmesse E3 sind sowohl "Kinect" als auch "PlayStation Move" erstmals mit dazugehöriger Software vorgestellt worden. Bei "Kinect" stehen vor allem familientaugliche Themen und Inhalte im Vordergrund: Sport, Fitness, Tanzen, Autorennen und diverse kleine Geschicklichkeitsspiele. Sony hingegen will - im Gegensatz zu seinem historischen "EyeToy"-Projekt - nun gezielt auch den Markt der Vielspieler bedienen. Beide Geräte werden im Herbst auf den Markt kommen.