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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

24. 6. 2010 - 17:34

WM-Journal '10-51.

Italienische Entsprechung. Die Azzurri machen, was zu erwarten war. Dafür hat's der andere, der neue Nachbar geschafft.

Seit 1. Juni erscheint dieses WM-Journal zum Turnier in Südafrika - mit (meist) einer Ausgabe pro Spiel und zusätzlichen Analysen.
Hier auch in der Übersicht.

Das WM-Journal gibt es auch als Podcast, einmal täglich, immer gegen Mittag.

Die nötige (politische) Nachbetrachtung zum Ausscheiden von Les Bleus und die letzten News.

Die Fakten zu den Spielen Italien - Slowakei 2:3 und Paragruay - Neuseeland 0:0.

Offizielles: die FIFA-Seite und die WM-Spezial-Site der Sport-Kollegen.

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Und hier noch ein toller Link zum Spielen.

Ich weiß, das ist langeweilig; weil ich's in jedem Eintrag hier, wenns um Italien geht, immer wieder sage: mich enttäuschen die Azurri nicht. Denn ich habe nichts erwartet.
Und genau dieses Nichts liefern sie bei der WM bislang ab.
Gemurkse gegen Paraguay, Gewürge gegen Neuseeland und jetzt, hier gegen die Slowakei auch was mit Ge-, nämlich keinerlei Gegenwehr.
Als ob es um nichts gehen würde.

Marcello Lippi, der Weltmeister-Macher von 2006, kann genau nichts machen.
Er tut eh, was er kann.

Ton und Schach

So oft wie er hat noch kein Coach bei dieser WM umgestellt, systemisch und taktisch. Weil ja nichts wirklich gefruchtet hat. In beiden Spielen baut er mit jedem Wechsel um, formt die Reihen wie weichen Ton, läßt seine Offensiv-Akteure rochieren wie Schachfiguren.
Jetzt, im letzten Gruppenspiel, geht er gleich in der 56. Minute volles Risiko uind zieht vorschnell seine letzte Wechsel-Option.
Er bringt den nicht fitten Regisseur Andrea Pirlo.

Das, und auch Pirlos Form, ist ein Spiegel des gesamten italienischen Problems. Da war schon das ganze Jahr, die ganze Saison nichts. Und weil auch dahinter, bei den jüngeren (der Generation Montolivo) nichts kommt, läßt sich nichts neu aufbauen.

Lippi bleibt nicht anderes übrig, als immer wieder neu auf die alten Recken zu setzen. Im ersten und im zweiten Spiel war das Mauro Camoranesi, im dritten zuerst Gennaro Gattuso und jetzt eben Pirlo.

Vom intuitiven zum bewußtlosen Spiel

Aber der entscheidende Unterschied zu Italia 06 ist der, dass das damalige Team in der damaligen Verfassung gar kein wirkliches Eingreifen von außen brauchte - man war von ganz allein imstande das hochflexible 4-3-3 taktisch immer so auszuführen, wie es gerade notwendig war. Gattuso-Pirlo-Perotta als Dreier-Reihe waren allein von ihrer Philosophie so überlegen, dass sie jede Regung des Gegners vorausahnen und zu ihren Gunsten ausnutzen konnten.

Das war, trotz aller strategischen Brillanz und ausgebuffter Rafinesse, die in Italien ganz oben auf dem Fußball-Lehrplan stehen, das besondere Extra das Weltmeisters von 2006: sein intuitives Spiel.

Davon war schon 2008 bei der Euro nur noch wenig zu sehen. Und seitdem ging es noch deutlicher bergab. Und nicht einmal die Größe des Ereignisse, die Bedeutung des Turniers kitzeln die Rudimente, die in diesen Individuen noch drinnenstecken heraus.

Intuition und Rücken

Buffon hat Rücken, auch nicht verwunderlich, nach seine heurigen Krankengeschichte - aber auch irgendwie fast schon psychosomatisch, dass die Verletzung jetzt auftritt. Cannavaro hat unendlich abgebaut, Zambrotta fällt nicht ab, ist aber nicht mehr das herausragende Zirkuspferd vergangener Jahre. De Rossi rettet das eine Spiel, verhaut dann aber das andere. Und Gila und Iaquinta vorne sehen einfach nur alt aus.

Pirlo ist nach seiner Einwechslung kein einziges mal zu sehen. Und nach dem 0:2 von Robert Vittek sind sie versenkt.
Da hilft auch der Anschlußtreffer, der durch den einzigen Italiener mit Herz, Quagliarella, vorbereitet, nicht. Vor allem, weil man dann ja noch ein Tor nachlegt. Und auch wenn Quagliarella noch ein weiteres Sensationstor macht.

Der bislang nur künftige Ex-Weltmeister ist Ex-Weltmeister.
Und hat (siehe oben) entsprochen.

Weiss-Wäscherei

Und ja: wie fast immer in dieser 3. Runde schau ich mir nur eines der beiden Spiele an - kein Herumgekonferenze, bei dem man dann beide Matches kaum mitbekommt.
Und das ist diesmal das, das das Ende der italienischen Ära besiegelt.

Was Paraguay und Neuseeland anstellen - keine Ahnung. Vielleicht schaukeln sie sich ja beide in die nächste Runde hoch.

Ich kann nur was zu Vladimirs Weiss Slowakei sagen. Die sind nämlich trotz ihres ersten Erfolgs nicht unbedingt qualifiziert - zu schwach war das, was sie bislang abgeliefert haben.
Im ersten Spiel gegen die unterschätzten Neuseeländer zu früh abgeschaltet, nichts mehr getan und mit einem Remis bestraft; im zweiten Spiel gegen Paraguay kraft- und substanzlos.

Wissen wollen

Und jetzt, hier im 3. Spiel hat man dann erstmals das Gefühl hier will es ein Team jetzt wirklich wissen. Endlich.

Teamchef Weiss hat zum drittenmal ein völlig verändertes Team auf den Platz geschickt - keine personelle oder strategische Kontinuität gab es da. Hamsik etwa war in jedem der drei Spiele auf einer anderen Position aufgeboten. Der beste Mann bislang, der Trainersohn, wurde heute nicht nominiert.

Dafür war das heutige 4-2-3-1 offenbar erstmals harmonisch. Strba und Kucka defensiv in der Zentrale, Stoch halbrechts, Jendrisek halblinks, Hamsik als Joker und Vittek vorne in der Spitze.
Und diese Formation bringt mehr Offensivkraft zusammen als die italienische. Obwohl die wesentlich mehr Druck hat das zustandezubringen; und auch Potential.
Klar, einmal rettet Skrtel auf der Linie.
Und am Schluß als the big Q Italien noch einmal heranführt, wird es noch einmal eng.

Der Remis-Plan

Aber: der Erfolg ist gerechtfertigt. Denn Italien hatte bis hin zur Schluß-Phase keine reele Möglichkeit.
Und so einfach ist das bei Turnieren: wer im direkten Duell besser ist, wer da gewinnt, der kommt weiter.
Also auch die Slowakei.
Auch weil Neuseeland gegen die viel zu starken Paraguayos nichts weiterbringt.

Italiens Drei-Remis-Plan ist nicht aufgegangen. (Das haben, Gag am Rande, die Neuseeländer geschafft; ohne aufzusteigen).
Denn im Gegensatz zum DFB-Team, das diesen Druck im letzten Spiel braucht und dann auch was draus zu machen versteht, hat Lippis Italia '10 eben nicht geschafft, was sonst immer geht. Dass die italienische Turnier-Routine noch das Tor im letzten Moment herbeiholt.
Das geht immer. Sonst.
Diesmal, mit dieser deutlich zu gelähmten Mannschaft war das nicht drin.